Protest ohne Eigenschaden - Verhaltenstipps für Aktive
von Trick & Track, Desperados.Berlin

8. Mai 1945 - 2005 - 60 Jahre Tag der Befreiung
Antifa Jugendinfo # 01/05
abgedruckt im Schwarze Katze Rundbrief 07.05.05


Nazis wollen durch euren Kiez demonstrieren und ihr wollt das verhindern? Sehr gut. Aber leider hat die Polizei meistens etwas dagegen. Deshalb hier ein paar Tipps, wie ihr bei Demonstrationen und anderen Aktionen erfolgreich euren Protest äußern könnt und trotzdem wieder unbeschadet nach Hause kommt.

Bevor ihr auf eine Demo geht, solltet ihr euch erst einmal darüber klar werden, was ihr dort eigentlich machen wollt. Die einen möchten sich gleich ins Getümmel stürzen, die anderen lassen es lieber etwas ruhiger angehen. Am besten geht ihr immer als Gruppe hin und auch wieder weg. Das macht erstens mehr Spaß und zweitens ist es sicherer, weil ihr euch in brenzligen Situationen gegenseitig helfen könnt. Ihr solltet vorher unbedingt untereinander klären, welche Aktionsformen ihr euch zutraut. Am besten macht ihr das ganz ehrlich und ohne posing, damit ihr nicht in Situationen geratet, die euch überfordern. Es gibt kein "besser" oder "schlechter", und falscher Mut ist echt fehl am Platz.

Bevor ihr dann losgeht, solltet ihr noch einen Blick in eure Bude werfen. Hier eine Auswahl von Dingen, die sich dort lieber nicht befi nden sollten: eine Liste mit allen Namen und Telefonnummern eurer Freunde, eure Waffensammlung, euer Dopevorrat nebst Eigenanbau, Fotos von illegalen Dingen, die ihr früher gemacht habt (z. B. wie ihr gerade eine Hauswand ansprüht), bedenkliche Inhalte auf euren Datenträgern (Festplatten, CDs, USB-Sticks usw.). Alles was euch nicht ganz legal vorkommt oder Aufschluss über eure politische Tätigkeit gibt, kommt raus. Dasselbe gilt für eure Taschen: Packt euer Gras raus und eure Taschenmesser, nehmt keine Adressenliste mit. Übrigens schauen sich die Cops nach Festnahmen auch gerne die Nummernverzeichnisse, Anrufl isten und SMS auf euren Handys und SIM-Karten an. Einpacken solltet ihr Kleingeld /Telefonkarte zum Telefonieren, einen Stift, Medikamente, die ihr regelmäßig braucht, ein Tuch und Klamotten zum Wechseln.

Bei der Demo geht gemeinsam durch die Vorkontrollen. Macht ein Codewort aus, das ihr rufen könnt um euch zu verständigen, falls ihr euch verlieren solltet. Ein Klassiker ist immer noch ALDI. Der ist nicht schön, aber besser, als den Klarnamen einer Person durch die Gegend zu brüllen. Achtet auf die Ansagen des Lautsprecherwagens, durch sie erhaltet ihr nähere Informationen zur aktuellen Lage, z.B. wo die Nazis gerade sind. Außerdem wird dort die Nummer des Ermittlungsausschusses (EA) durchgegeben. Jetzt kommt euer Stift zum Einsatz, weil ihr euch die Nummer in jedem Fall notieren solltet. Der Ermittlungsausschuss kümmert sich bei Demonstrationen um die Leute, die festgenommen wurden, indem er z.B. Anwälte besorgt, die ihnen helfen, wieder auf freien Fuß zu kommen. Bleibt am besten zusammen und bildet Ketten. Das verleiht euch mehr persönliche Sicherheit, weil ihr euch aneinander festhalten könnt, falls jemand rausgegriffen werden soll. Außerdem merkt ihr so schneller, wenn eine Person fehlt. Manchmal kommen Leute auf die Idee, sich ihr Tuch zu nehmen, es über die Nasenspitze zu ziehen und am Rand der Demo neben den Bullen zu spazieren. Vorsicht: Straftat! Die Bullen sehen dann sofort rot. Vorsicht: Festnahmegefahr! Grundsätzlich ist gegen Verkleidungen nichts einzuwenden, aber ganz allein ist auch bescheuert und die Cops sind die letzten auf diesem Planeten, die Spaß verstehen. Wenn ihr euch also maskieren müsst, dann achtet darauf, dass Zeitpunkt und Anlass passend gewählt sind. Manchmal kommt es bei Demonstrationen zu Festnahmen. Wenn ihr eine beobachtet, fragt nach dem Namen der Person und dem Geburtsdatum und schreibt ihn auf! Euer nächster Gang, so ihr kein Handy habt, führt euch zur Telefonzelle, wo ihr den EA anrufen solltet, um dort mitzuteilen, wer wo und wann festgenommen wurde.

Es kann auch passieren, dass der launige Demospaziergang abrupt zum Stehen kommt und irgendwo gerade die Luft brennt. Wer darauf keine Lust hat, sollte jetzt den Heimweg antreten. Das hat nichts mit Feigheit zu tun, ihr selbst entscheidet wo eure Grenzen sind und das haben andere zu respektieren. Auf blöde Mackereien könnt ihr getrost scheißen. Ihr könnt auch einfach dableiben. Selbst wenn ihr keine Action macht, helft ihr denjenigen, die es tun, allein durch eure Anwesenheit. In den Polizeiberichten von Krawallen taucht immer wieder ein großes Ärgernis der BeamtInnen auf, das als "Deckungsmasse" bezeichnet wird. Wenn genug Leute einfach rumstehen, können die Cops die StraftäterInnen nicht genau lokalisieren oder einfach rausgreifen. Wenn die Bullen dann irgendwann stürmen, könnt ihr euch entweder auf einen Wettlauf mit ihnen einlassen oder einfach in einen Hauseingang stellen. Die Bullen gehen davon aus, dass Personen, die wegrennen, ein schlechtes Gewissen haben, weil sie Straftaten verübt haben. Ausnahmen bestätigen die Regel, das heißt, es ist auch durchaus schon vorgekommen, dass Unbeteiligte Opfer von Polizeigewalt wurden.

Für diejenigen, die nicht davon lassen können, Stress zu machen, sei angemerkt, dass das gut mit etwas Mummenschanz zusammenpasst. Die Bullenreviere sind voll von Plakaten, auf denen ihr die Gesichter von unmaskierten KrawallantInnen bewundern könnt. Auf vielen davon sind die Gesichter durchgekreuzt, was den Fahndungserfolg für alle BesucherInnen der Polizeiwachen deutlich machen soll. Fotos von euch könnt ihr im Urlaub machen lassen aber nicht hinter brennenden Müllcontainern. Und wenn wir schon dabei sind: achtet auf die Zivilbullen. Die versuchen, so auszusehen wie ihr, aber sie schaffen es meistens nicht. Deshalb checkert nicht allein durch die Gegend und wenn ihr welche seht, macht allen eine Freude und auf die Kollegen aufmerksam. Wenn ihr einen Schauplatz verlassen wollt, solltet ihr euch vorher irgendwo umziehen, damit die Schnüffl er eure Spur verlieren. Wenn die ganze Action vorbei ist, meldet euch beieinander zurück.

Es gibt Tage, da läuft alles schief und ihr landet in den Fängen der OrdnungshüterInnen. Ab diesem Zeitpunkt geht euch nur noch ein Satz im Kopf herum: ANNA UND ARTHUR HALTEN DAS MAUL! Alles, was ihr den Bullen zu erzählen habt, sind euer Name, das Geburtsdatum, die Meldeadresse und eine ungefähre Berufsbezeichnung. Ihr habt das Recht auf zwei Telefonate; ruft am besten den EA an. Ansonsten ist jetzt die Zeit für Diskussionen vorbei. Verweigert die Aussage - das ist euer Recht - alles was ihr sagt, kann gegen euch oder andere verwendet werden. Auch wenn die Bullen euch versprechen, dass eine Aussage das Urteil in einem Prozess positiv beeinfl ussen kann - lasst euch nicht verarschen. Das Urteil fällt einE RichterIn und nicht der Bulle. Der ist nur ein besserer Zeuge. Nach zwölf Stunden müsst ihr dem Untersuchungsrichter vorgeführt werden. Auch hier gilt: Schnauze halten. Wenn ihr aus dem Knast heraus seid könnt ihr euch mit eurem Rechtsbeistand immer noch eine Strategie überlegen. Bei einer drohenden Hausdurchsuchung ruft einen Freund oder eine Freundin an, damit sie in eurer Bude am Start ist. Wenn die Bullen einreiten, sollte immer jemand da sein, der ihnen auf die Finger schaut. Verlangt immer ein Protokoll über die beschlagnahmten Dinge. Wenn ihr vorher gut aufgeräumt habt, wird nichts draufstehen. Wenn ihr dann aus dem Knast heraus seid meldet euch beim EA und euren Bekannten zurück. Und dann erholt euch erst mal und leckt euch die Wunden.

weitere Tipps: www.nadir.org/nadir/initiativ/sanis