Bundestagswahl im Zwielicht
@llgemeines syndikat köln, 17.09.02
Die Bundestagswahl am 22. September verliert weiter an Boden. Neben einer
hohen Zahl an Unentschlossenen und Wahlmüden - Indikator für eine niedrige
Wahlbeteiligung - registrieren die zuständigen Behörden eine zunehmende
Tendenz
zum Stimmenkauf. Jüngstes Beispiel: In Köln erhält jeder Nichtwähler einen
Anis-Schnaps, wenn er seine Stimme am 22. 09. zur "Deppendorf Lounge" in der
Ludolf-Camphausen-Str. 36 am Hans-Böckler-Platz trägt, anstatt sein Votum
ordnungsgemäß in Wahlbüro abzuliefern. Die "Deppendorf-Lounge" ist eine
Anti-Wahl-Party, die von einem selbst ernannten "@llgemeinen syndikat köln"
und dessen
Umfeld organisiert wird. Syndikats-Sprecher Heiner Stuhlfauth meint zu der
Aktion: "Wählen bringt nix - Nicht-Wählen bringt immerhin einen Ouzo, der
die
Stimmung leicht hebt und ganze Theater erträglich macht. Wir werden die
Stimmen -wie es sich gehört- in einer Urne sammeln, sie feierlich einäschern
und
das Klo runterspülen."
Wahlleiter schlagen Alarm
Bereits am vergangenen Montag mehrten sich die Stimmen, dass es bei der Wahl
am 22. November zu erheblichen Unregelmäßigkeiten kommen könnte. So schlug
die nordrhein-westfälische Landeswahlleiterin Helga Block Alarm, dass die
vermehrten Kaufangebote von Briefwahlstimmen im Internet keineswegs auf die
leichte Schulter zu nehmen seien. Diese Vorgänge seien vielmehr "in ihrer
Dimension, Kaltschnäuzigkeit und Frechheit" bislang beispiellos, sagte Block
gegenüber der NRW-Redaktion der SZ.
Wählen lohnt sich wieder: eBay und Cashvote
Im Internet-Auktionshaus ebay gab es über ein Dutzend Offerten, die nach
ihrer Entdeckung allerdings gelöscht wurden. Der Kieler Anbieter "Cashvote"
bot
unter dem Motto "Wählen lohnt sich wieder"! für eine Erststimme 6,49 Euro,
für die Zweitstimme 5,99 Euro, also deutlich mehr als die Kölner
AnarchistInnen, deren Ouzo-Offerte umgerechnet nur 1,50 Euro wert ist. In
einem
"Power-Paket" annoncierte "Cashvote" den Verkauf von 10.000 Stimmen für
59.000 Euro.
Laut Aussagen des Unternehmens haben sich bisher nur die Schill-Partei und
die
PDS für das Angebot interessiert, die den Stimmenkauf mit einer zu
erwartenden
Wahlkampfkosten-Rückerstattung finanzieren wollten und "Cashvote" daher
lediglich Hypotheken anbieten konnten. Cashvote lehnte dankend ab. Im
Gegensatz
zu den genannten Parteien erkannte der Bundeswahlleiter Johann Hahlen zwar,
dass es sich bei "Cashvote" offensichtlich um ein satirisches Unterfangen
handelte . Dennoch schaltete er die Staatsanwaltschaft ein, um gegen die
Urheber
der Seite vorzugehen.
Bis zu 5 Jahren Knast
Beim Kauf und Verkauf von Stimmen könnte es sich nach Expertenmeinung um
Wahlbestechung handeln. Das Strafmaß hierfür reicht laut Gesetz bis zu 5
Jahren
Gefängnis. Ob die Ouzo-Offensive der Kölner SyndikalistInnen jedoch
justiziabel ist, darf bezweifelt werden. Einen Anisschnaps erhält in Köln
bereits, wer
eine Wahlbenachrichtigung vorweisen kann. Theoretisch könnte man also mit
dem Personalausweis wählen gehen und per Wahlbenachrichtigung bei den
gutgläubigen AnarchistInnen einen Ouzo abkassieren. Dazu Stuhlfauth
gegenüber der
Presse: "Wissen se was? Das geht mir sowas von am Arsch vorbei."
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Deppendorf Lounge - Antiwahlparty
22. September 02 ab 17 Uhr - Ludolf-Camphausen-Str. 36, 50672 Köln (direkt
am Hans-Böckler-Platz und Bhf. West)
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