Afghanistan
"Krieg gegen Drogen" - Das Scheitern von USA und Nato

Friedensfestzeitung 09, Friedensplenum

Der im Januar bekannt gewordenen Befehl von Nato-Oberbefehlshaber Craddock, Drogenhändler gezielt zu töten und Labore zu bombardieren - selbst dann, wenn es keine klaren Beweise gibt, ob sie den Terror gegen afghanische oder westliche Sicherheitskräfte unterstützen - ist der Gipfel einer gescheiterten Strategie.Wer wie die Nato mit extralegalen Tötungen und Vernichtung von Ernten Krieg führt, macht sich die betroffene Bevölkerung zum Feind.

USA und Nato haben es bisher nicht fertig gebracht, wirtschaftliche Alternativen zum Opiumanbau zu entwickeln oder gar umzusetzen. Die Investitionen in den Aufbau der zivilen Infrastruktur sind Peanuts imVergleich zu den Militärausgaben. Straßenbau, Energieerzeugung, Wasserwirtschaft haben keine Priorität. Die Bezahlung der staatlichen Angestellten, ob Polizisten, Soldaten oder Lehrer, ist miserabel und wird vonWarlords undTaliban locker überboten. Dass schlechte Bezahlung von Staatsangestellten eine der Wurzeln von Korruption darstellt, ist eine Binsenweisheit. Auf dem Internationalen Korruptionsindex für das Jahr 2008 landet Afghanistan folgerichtig auf Platz 176 (von 180). Damit ist kein Staat zu machen. Sechs Jahre Nato-Stümperei haben den Nährboden für die Taliban ausgeweitet, anstatt ihn einzudämmen. Auch Deutschland hat im Rahmen der Polizeiausbildung dabei eine wenig hilfreiche Rolle gespielt.

Vernichtung der Lebensgrundlagen
Der Ansatz der neuen amerikanischen Regierung, mit frischen Truppen den Krieg zu verschärfen, ist der falsche Weg. Die geplante Entsendung von 4000 Ausbildern erscheint sinnvoller, als die Entsendung von Soldaten. Eine Strategie zur Befriedung des Landes kann aber nur erfolgreich sein, wenn die Bevölkerung in die Lage versetzt wird, Ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Stattdessen bekämpft die Nato die Landesbevölkerung, indem Sie deren Haupteinnahmequelle Mohn vernichtet, ohne eine Alternative zu bieten.Die Mohnwirtschaft ist die tragende Säule der afghanischen Ökonomie, sie bildet die Lebensgrundlage eines Großteils der Bevölkerung. Der größte Teil der Gewinne des zum Heroin weiterverarbeiteten Mohns machen aber Drogenbarone, auch die Taliban finanzieren sich zum Teil aus dem Drogenhandel. Afghanistan produziert mittlerweile über 90 Prozent des Heroins auf dem Weltmarkt. Dabei gibt es längst Ideen, um das Problem vernünftig anzugehen. Seit Jahren liegt das detaillierte Konzept ýMohn für Medizin„ des renommierten internationalen Forschungsinstituts The Senlis Council auf dem Tisch.

Ein Ausweg: Mohn für Medizin
Auf der Grundlage staatlicher Lizenzen und fester Abnahmepreise wird von den Bauern weiterhin Mohn angebaut und direkt vom Staat aufgekauft. Gleichzeitig werden den Drogenbaronen so Gewinne aus dem Zwischenhandel entzogen. Die Weiterverarbeitung - etwa zu Morphium, eines der wichtigsten Schmerzmedikamente - findet im nächsten Schritt im Land selbst statt, was neue, industrielle Arbeitsplätze schaffen kann. Der Markt für das Morphium sind die Entwicklungs- und Schwellenländer, in denen das imWesten produzierte Morphium oft unerschwinglich ist. Da die weltweite legale Mohnernte zu 95% von den Industrieländern aufgekauft wird, diktiert bisher der Westen die Preise. Doch warum soll in Tasmanien oder der Türkei Mohn legal wachsen, im Hauptanbaugebiet Afghanistan jedoch nicht? Noch nicht mal ein Pilotprojekt zur Morphiumproduktion haben USA und Nato-Staaten bisher zustande bekommen. Ein Grund für das Nichtstun: Der Weltmarkt für Morphium ist für viele Großkonzerne ein hochprofitables Geschäft. Ein Wettbewerber wie Afghanistan wäre eine Gefahr für Gewinne und Marktanteile.