Der im Januar bekannt gewordenen Befehl von Nato-Oberbefehlshaber Craddock, Drogenhändler gezielt zu töten und Labore zu bombardieren - selbst dann, wenn es keine klaren Beweise gibt, ob sie den Terror gegen afghanische oder westliche Sicherheitskräfte unterstützen - ist der Gipfel einer gescheiterten Strategie.Wer wie die Nato mit extralegalen Tötungen und Vernichtung von Ernten Krieg führt, macht sich die betroffene Bevölkerung zum Feind.
USA und Nato haben es bisher nicht fertig gebracht, wirtschaftliche Alternativen zum Opiumanbau zu entwickeln oder gar umzusetzen. Die Investitionen in den Aufbau der zivilen Infrastruktur sind Peanuts imVergleich zu den Militärausgaben. Straßenbau, Energieerzeugung, Wasserwirtschaft haben keine Priorität. Die Bezahlung der staatlichen Angestellten, ob Polizisten, Soldaten oder Lehrer, ist miserabel und wird vonWarlords undTaliban locker überboten. Dass schlechte Bezahlung von Staatsangestellten eine der Wurzeln von Korruption darstellt, ist eine Binsenweisheit. Auf dem Internationalen Korruptionsindex für das Jahr 2008 landet Afghanistan folgerichtig auf Platz 176 (von 180). Damit ist kein Staat zu machen. Sechs Jahre Nato-Stümperei haben den Nährboden für die Taliban ausgeweitet, anstatt ihn einzudämmen. Auch Deutschland hat im Rahmen der Polizeiausbildung dabei eine wenig hilfreiche Rolle gespielt.
Vernichtung der Lebensgrundlagen
Der Ansatz der neuen amerikanischen
Regierung, mit frischen Truppen den
Krieg zu verschärfen, ist der falsche
Weg. Die geplante Entsendung von
4000 Ausbildern erscheint sinnvoller,
als die Entsendung von Soldaten. Eine
Strategie zur Befriedung des Landes
kann aber nur erfolgreich sein, wenn
die Bevölkerung in die Lage versetzt
wird, Ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Stattdessen bekämpft die
Nato die Landesbevölkerung, indem
Sie deren Haupteinnahmequelle Mohn
vernichtet, ohne eine Alternative zu
bieten.Die Mohnwirtschaft ist die tragende
Säule der afghanischen Ökonomie,
sie bildet die Lebensgrundlage
eines Großteils der Bevölkerung. Der
größte Teil der Gewinne des zum Heroin
weiterverarbeiteten Mohns machen
aber Drogenbarone, auch die
Taliban finanzieren sich zum Teil aus
dem Drogenhandel. Afghanistan produziert
mittlerweile über 90 Prozent
des Heroins auf dem Weltmarkt. Dabei gibt es längst Ideen, um das Problem
vernünftig anzugehen. Seit Jahren
liegt das detaillierte Konzept ýMohn
für Medizin„ des renommierten internationalen
Forschungsinstituts The
Senlis Council auf dem Tisch.
Ein Ausweg: Mohn für Medizin
Auf der Grundlage staatlicher Lizenzen
und fester Abnahmepreise wird
von den Bauern weiterhin Mohn angebaut
und direkt vom Staat aufgekauft.
Gleichzeitig werden den Drogenbaronen
so Gewinne aus dem Zwischenhandel
entzogen. Die Weiterverarbeitung
- etwa zu Morphium, eines
der wichtigsten Schmerzmedikamente
- findet im nächsten Schritt im Land
selbst statt, was neue, industrielle Arbeitsplätze
schaffen kann. Der Markt
für das Morphium sind die Entwicklungs-
und Schwellenländer, in denen
das imWesten produzierte Morphium
oft unerschwinglich ist. Da die weltweite
legale Mohnernte zu 95% von
den Industrieländern aufgekauft wird,
diktiert bisher der Westen die Preise.
Doch warum soll in Tasmanien oder
der Türkei Mohn legal wachsen, im
Hauptanbaugebiet Afghanistan jedoch
nicht? Noch nicht mal ein Pilotprojekt
zur Morphiumproduktion haben USA
und Nato-Staaten bisher zustande bekommen.
Ein Grund für das Nichtstun:
Der Weltmarkt für Morphium ist für
viele Großkonzerne ein hochprofitables
Geschäft. Ein Wettbewerber wie
Afghanistan wäre eine Gefahr für Gewinne
und Marktanteile.