Naziaufmarsch am Ostermontag 2001 in Hagen
Schwarze Katze Terminseite über die Nazidemo in Hagen am 16.04.01

Ein Hauch von Anarchie...
Rede von Ulrich Sander (VVN-BdA) beim Hagener Friedens- und Freundschaftsfest
Bundesverfassungsgericht unterstützt den mehrfach vorbestraften Hamburger Neonazi Christian Worch Gruppe "Gegen rechte Gewalt", 13.04.01
OVG NRW bestätigt Verbot einer für Ostermontag in Hagen angemeldeten Neonazi-Demonstration 12.04.01
Bundesverfassungsgericht hebt erneut Nazi-Demonstrationsverbot auf 12.04.01
Entscheidung des BVG: Nazis dürfen demonstrieren 12.04.01

Ein Hauch von Anarchie

herrschte am 16. Apr. 2001 in einer der langweiligsten Städte Deutschlands: unserer hässlichen Heimatstadt Hagen. Denn es war mal wieder eine NPD Demo angemeldet, wat zu einer lustigen Gegendemo geführt hat. Das konnten wir uns natürlich nicht entgehen lassen, und so begaben wir uns schon um 20 nach 10 inne Stadt, wo wie auch gleich unser erstes Bier auf nüchternen Magen tranken, wat tierisch gut für die Stimmung war.

Man merkte gleich wo die richtigen Gegendemonstranten erwartet wurden, und wo sich alte Omis und andere höchst gefährliche Personen treffen wollten. Während sich am Bahnhof und am Rathaus ganze Horden von jungen, aggressiv guckenden Bullen befanden, waren im Volkspark beim knorken Friedensfest, lustige Beamte mit großen Nasen auf Fahrrädern und viele Beamte deren Alter perfekt zu dem Alter der dortigen Demonstranten gepasst hat(so um die 120). Nach dem dritten Bier haben wir uns zum Bahnhof begeben, wo die Gegendemo irgendwann gestartet ist. Da es in Strömen geregnet hat, waren nur wenige „normale“ Demonstranten vor Ort. Das Bild wurde bestimmt von Punks und Autonomen. An einem alten Bus der auch eine Musikanlage hatte(die lief eigentlich auch während der ganzen Demo) haben dann die Redensführer der Gegendemo dann auch gleich das Wort ergriffen. Das Gelaber ging leider ein bisschen an uns vorbei, weil wir uns mehr auf unser Bier und auf den starken Regen konzentriert haben. Es gab jedenfalls 3 Redner die uns mehr oder weniger wichtige Sachen erzählt haben: eine Tussi, einen Kurden und meinen persönlichen Favoriten, einen coolen alten Sack, der ne Menge lässige Sprüche abgelassen hat und die Menge auch ganz gut mitreißen konnte, da er sehr überzeugend rüberkam im Gegensatz zur Tussi, bei der man den Eindruck hatte, das sie vorher Valium geschluckt hatte.

Der Zug selber verlief unglaublich friedlich, was ein bisschen langweilig war. Das könnte am unglaublich geringen Alkoholkonsum liegen(da schließen wir uns mal aus).Er startete wie erwähnt am Bahnhof und ging durch Wehringhausen und endete schließlich am Volkspark. Vom Zug selber gibt’s recht wenig zu erzählen, da er wie gesagt saufriedlich verlaufen ist. Die Redner haben gelegentlich irgendwas erzählt und einmal lief türkische(eventuell auch kurdische) Musik aus dem Bus. So ein komischer Fahnenträger hat mir dann noch einen vom Fert(richtig geschrieben!!!!) erzählt von wegen kannst auf der Demo doch nicht einfach Bier trinken, weil wir ja noch was zu tun haben und bla bla. Ich habe seinen Rat natürlich befolgt und mir Bierchen Nummer 4 gegönnt.

Nach der offiziellen Demo wurde es ein wenig lustiger, da nun alle versuchten zu den Faschoschweinen nach Oberhagen zu gelangen, aus Zwecke der freundlich Konversation. Ca. 200 rennende Punks, Autonome und ganze 3 Oi Skins(DTk nicht mitgerechnet) sieht man auch nicht jeden Tag in der Hagener Innenstadt. Aber die Bullen(die waren ausnahmsweise überhaupt nicht aggressiv) waren wirklich gut vorbereitet und sie haben den Weg am Cinestar absolut dicht gemacht. Also liefen wir weiter und suchten einen anderen Weg, doch immer wieder das selbe Spiel: Punks rennen los - Bullen schon da, Punks nehmen anderen Weg – Bullen schon da.

Als es den Bullen dann zu bunt wurde, und sie schon Handschuhe und Schlagstöcke auspackten, splitterten sich leider die Gruppen und so war das Projekt Oberhagen natürlich gestorben. Ein Großteil versuchte die Faschos dann am Bahnhof zu erwischen, was aufgrund von hunderten von Bullen scheiterte. Als unser letztes Bier alle war(Nr.6 oder 7) und uns die Bullen nicht mal auf den Boden sitzen ließen, starteten wir um viertel vor 3 ab nach Hause.

Fazit: Endlich was los in Hagen, aber es hätte noch viel mehr los sein müssen.

Viva la Revolution

Fickiltis


Rede von Ulrich Sander (VVN-BdA) beim Hagener Friedens- und Freundschaftsfest

"Bunt statt Braun" - Ostermarsch gegen Neonazis

Liebe Freundinnen und Freunde,

Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Friedens- und Freundschaftsfestes zu Ostern in Hagen.

Ich überbringe Euch die Grüße des Ostermarsches Rheinland und Ruhr, der seit Samstag von Duisburg und Düsseldorf, über Essen, Gelsenkirchen, Wattenscheid, und Bochum nach Dortmund unterwegs ist. Und ich überbringe Euch die Grüße der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, deren Bundessprecher ich bin.

Die Friedensbewegung war und ist eine Bewegung, die sich der Losung verpflichtet weiß: Nie wieder Krieg - nie wieder Faschismus. Der allererste deutsche Ostermarsch fand vor genau 41 Jahren statt und wir zogen damals mit einigen hundert Marschiererinnen und Marschierern vom ehemaligen KZ und späteren Raketenstützpunkt Bergen-Belsen nach Hamburg. In unserem Aufruf hieß es: "Schon einmal hat man dem deutschen Volk den Vorwurf gemacht, geschwiegen zu haben, wo mutige Worte und Taten notwendig waren. In den Konzentrationslagern - wie Bergen-Belsen - kamen Millionen Menschen ums Leben. Bei Fortsetzung der atomaren Aufrüstung aber drohen der gesamten Menschheit Vernichtung. Dieser Gefahr gilt es durch eine unüberhörbare, totale Absage an alle Atomkriegsvorbereitungen in Ost und West zu begegnen. ... Jeder weitblickende und verantwortungsbewußte Staatsbürger ist deshalb zu aktivem Protest gerufen."

Heute stehen wir gegen sich fälschlich Reform nennende Pläne auf, die Bundeswehr zu einer weltweit operierenden Interventionstruppe zu machen und dafür viele Milliarden Mark Steuergelder zu verschleudern, die wir für den Kampf gegen Armut, Hunger und Umweltzerstörung in der Welt und bei uns benötigen.

Und noch immer und verstärkt müssen wir gegen Atomkriegsvorbereitungen unsere Stimme erheben. Denn mittels neuem Weltraumraketenprogramm der USA und der klammheimlichen Zustimmung unserer Regierenden in der BRD und EU soll der Atomkrieg führbar gemacht werden. Massenvernichtungsmittel ungeheuren Ausmaßes sollen bereitgestellt und neu beschafft werden, für die der Ersteinsatz geplant ist. Wir sagen dazu Nein.

Mit Entsetzen haben wir die Argumentation einer Mehrheit von konservativen Richtern des Bundesverfassungsgerichts vernommen, die besagt: Wo es Ostermärsche für Frieden, Demokratie und Abrüstung gibt, soll es auch "Nationale" - sprich nazistische - Ostermärsche der Neonazis geben, die in der Tradition des Krieges, der Tyrannei und der Massenvernichtung von Millionen Menschen stehen. Von Menschen wie Anne Frank, an deren Todesstätte wir 1960 beim ersten Ostermarsch Mahnwache hielten.

Die Argumentation des CDU-Politikers Prof. Papier, der jetzt Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichtes ist, erinnert an jenen Bayernpartei-Chef Fritz Schäffer, der später CSU-Chef und Bundesfinanzminister wurde und sich 1933 als Minister bei Hitler andiente. Er sagte in den zwanziger Jahren den bayerischen Sozialdemokraten, als sie Schutz bei der Landesregierung vor dem Naziterror erbaten: Wir werden euch nicht vor Euren Gegnern schützen. Er hielt die Nazis nicht für seine Gegner. Heute versagen manche Konservative wieder, indem sie die Nazibewegung auf die Friedensbewegung loslassen.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht entgegen dem Grundgesetz keine Einwände hatte gegen die Teilnahme Deutschlands an einem Angriffskrieg, will es da nun endgültig Schluß machen mit dem Schwur "Nie wieder!" der Verfassungsväter und -mütter?

Das Grundgesetz verbietet nach Artikel 139 die Fortsetzung der NSDAP. Doch die Worch-Bande stellt nicht nur die Fortsetzung der NSDAP dar, sondern auch die Fortsetzung der Nachfolgeorganisationen wie FAP, NO, ANS usw. Diese Organisationen wurden in den neunziger Jahren von den Innenministern verboten, doch dieses Verbot wurde nie durchgesetzt. Die Fortsetzung dieser Nazi-Organisationen findet nun in den deutschen Städten - wie heute in Hagen - statt, und die Verfassungshüter geben ihr Einverständnis.

Dabei handelt es sich gar nicht - wie es so schön heißt - um die Meinungs- und Versammlungsfreiheit auch für "mißliebige" Meinungen, wenn Worch und seine Leute, die noch rechts von der NPD operieren, die Straßen unsicher machen. Es handelt sich um Aktionen verbrecherischer Organisationen. Wir demonstrieren bei den Ostermärschen auch unter Transparenten, die besagen: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Und wir bekräftigen das Motto der Ostermärsche seit über 40 Jahren:

Für Frieden, Abrüstung und für Demokratie. Dem Haß und der Gewalt keine Chance!


Bundesverfassungsgericht unterstützt den mehrfach vorbestraften Hamburger Neonazi Christian Worch
Quelle: Gruppe "Gegen rechte Gewalt", 13.04.01

Die Deutsche Presseagentur berichtet, daß das Bundesverfassungsgericht einen Aufmarsch von Rechtsextremisten am Ostermontag im nordrhein-westfälischen Hagen erlaubt hat - gegen die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts in Münster. Der Naziaufmarsch ("Nationaler Ostermarsch - Für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit") war von einem der bekanntesten deutschen Neonazis - Christian Worch - angemeldet worden. Worch hat schon mehrfach für politisch motivierte Stafttaten vor Gericht gestanden - für das Verfassungsgericht aber natürlich kein Grund eine "konkrete Gefahr" zu sehen, daß es wieder zu Hitlergruß und Propagierung von Rassenhass u.ä. kommen kannn. Das OVG in Münster hingegen hält das öffentliche Auftreten von Neonazis für "eine Vielzahl von Menschen" für "verletzend".

Man darf gespannt sein, wie das BVG den Verbotsantrag gegen die NPD behandeln wird. Schon jetzt wird deutlich "Verfassungsfragen sind Machtfragen" - der Kampf gegen die Faschisten wird nicht in Gerichtssälen, sondern auf der Straße gewonnen!


OVG NRW bestätigt Verbot einer für Ostermontag in Hagen angemeldeten Neonazi-Demonstration
Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12.04.01

Die für Ostermontag in Hagen geplante Demonstration von rechtsextremistischen Gruppierungen unter Leitung des mit ähnlichen Demonstrationen wiederholt in Erscheinung getretenen Christian Worch aus Hamburg darf nicht stattfinden. Dies hat der 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) durch Beschluss vom heutigen Tage entschieden und damit eine entsprechende Verbotsverfügung des Polizeipräsidiums Hagen bestätigt. Ein gegen diese Verfügung gerichteter Eilantrag des Herrn Worch war bereits vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg ohne Erfolg geblieben.

In seinem Beschluss setzt sich der 5. Senat des OVG NRW zunächst kritisch mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auseinander:

"Nach der Rechtsprechung des 5. Senats lässt sich eine rechtsextremistische Ideologie wie der Nationalsozialismus unter dem Grundgesetz nicht - auch nicht mit den Mitteln des Demonstrationsrechts - legitimieren; bei der Auslegung des Grundrechts der Demonstrationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1, 8 Abs. 1 GG) ist dieser verfassungsimmanenten Beschränkung auch unterhalb der Schwelle strafrechtlicher und verfassungsgerichtlicher Verbots- und Verwirkungsentscheidungen Rechnung zu tragen, so dass Versammlungen, die durch ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus geprägt sind, wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung gemäß § 15 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes (VersammlG) verboten werden können.

Diese Rechtsprechung hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch Beschluss vom 24. März 2001 - 1 BvQ 13/01 - mit der Begründung verworfen, die vom beschließenden Senat bejahte verfassungsimmanente Schranke gebe es nicht. Eine Grenze der Meinungsäußerung bildeten gemäß Art. 5 Abs. 2 GG die Strafgesetze, die zum Rechtsgüterschutz ausnahmsweise bestimmte geäußerte Inhalte untersagten. Daneben kämen zusätzliche verfassungsimmanente Grenzen der Inhalte von Meinungsäußerungen entgegen der Auffassung des beschließenden Senats nicht zum Tragen. Eine Äußerung aber, die nach Art. 5 Abs. 2 GG nicht unterbunden werden dürfe, könne auch nicht Anlass für versammlungsbeschränkende Maßnahmen nach Art. 8 Abs. 2 GG sein.

Nach dieser Bewertung des Bundesverfassungsgerichts fallen grundsätzlich auch das öffentliche Auftreten von Neonazis und die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankengutes in öffentlichen Versammlungen und Aufzügen, soweit sie die Strafbarkeitsschwelle nicht überschreiten, unter den Schutz des Grundgesetzes.

Der beschließende Senat teilt diese Auffassung nicht und hält die mit ihr verbundenen Konsequenzen für problematisch. Vor dem Hintergrund der jüngeren deutschen Geschichte werden durch das öffentliche Auftreten von Neonazis und das Verbreiten entsprechenden Gedankenguts grundlegende soziale und ethische Anschauungen einer Vielzahl von Menschen - zumal der in Deutschland lebenden ausländischen und jüdischen Mitbürger - in erheblicher Weise verletzt. Dieser Befund gilt nicht nur an Tagen mit gewichtiger Symbolkraft wie dem Holocaust-Gedenktag, sondern an jedem Tag des Jahres. Dies ist ein wesentlicher Aspekt der Verfassungswirklichkeit im wiedervereinten Deutschland, den es bei der Auslegung und Anwendung der hier in Rede stehenden Normen zu berücksichtigen gilt. Der Hinweis der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts auf die vom Grundgesetz getroffenen Vorkehrungen der Gefahrenabwehr als Ausdruck einer wehrhaften und streitbaren Demokratie trägt dem nicht hinreichend Rechnung. Die in Art. 9 Abs. 2, Art. 18, Art. 21 Abs. 2 GG enthaltenen Regelungen dienen zwar auch dem Ziel, ein Wiederaufleben des Nationalsozialismus zu verhindern. Angesichts der nahezu unüberwindbaren Hürden, die das Bundesverfassungsgericht insoweit aufgestellt hat, können jene Vorkehrungen in der Verfassungswirklichkeit jedoch nur in den seltensten Fällen ihre Schutzwirkung entfalten. Sie erweisen sich jedenfalls als ungeeignet, die mit dem Auftreten von Neonazis verbundenen - hier in Rede stehenden - Verletzungen grundlegender sozialer und ethischer Anschauungen einer Vielzahl von Menschen zu verhindern."

Zur Begründung hat der 5. Senat des OVG NRW im Übrigen ausgeführt, dass vorliegend auch nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ein Versammlungsverbot gerechtfertigt sei:

"Von der für den Ostermontag - ohne späteren Ausweichtermin - geplanten Versammlung in der Form eines "Nationalen Ostermarsches" geht nach aktueller Sachlage eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Ordnung aus, die die erlassene Verbotsverfügung auch nach den Maßstäben der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts rechtfertigt. Die öffentliche Ordnung kann nach diesen Maßstäben betroffen sein, wenn einem bestimmten Tag ein in der Gesellschaft eindeutiger Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukommt, der bei der Durchführung eines Aufzuges an diesem Tage in einer Weise angegriffen wird, dass dadurch zugleich grundlegende soziale oder ethische Anschauungen in erheblicher Weise verletzt werden.

So liegt der Fall hier. Das alljährlich von Millionen von Menschen begangene Osterfest gilt als höchstes Fest der Christenheit und wird als Fest der Hoffnung, des Lebens, des Friedens und der Versöhnung gefeiert. Mit diesem Charakter des Osterfestes ist in einer christlich geprägten Gesellschaft die Durchführung einer Versammlung mit erkennbar neonazistischem Gepräge unvereinbar; sie würde den religiösen Anschauungen einer Vielzahl von Menschen zuwiderlaufen und das sittliche Empfinden einer Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern in erheblicher Weise verletzen.

Dass der Antragsteller und seine Versammlungen dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sind, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 26. Januar 2001 - 1 BvQ 9/01 - ausdrücklich bestätigt. Diese Einschätzung folgt überdies aus zahlreichen Tatsachen: ... (wird ausgeführt). Der Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 1999, S. 81, 97, qualifiziert den Antragsteller als bundesweit agierenden Neonazi. Die nationalsozialistische Gesinnung des Antragstellers ist ferner in zahlreichen von ihm initiierten Veranstaltungen zum Ausdruck gekommen, worauf der Antragsgegner in seiner Verbotsverfügung zu Recht hinweist und wie dem Senat im Übrigen aus anderen Verfahren hinlänglich bekannt ist. Den Umfang dieser Aktivitäten bestätigt der Antragsteller selbst, indem er in seiner Antragsbegründung vom 3. April 2001 darauf hinweist, dass er seit dem Sommer 2000 in verstärktem Maße als Veranstalter, Anmelder und Leiter von Demonstrationen in Erscheinung getreten ist.

Bei der Bewertung der geplanten Versammlung hat der Antragsgegner überdies zu Recht berücksichtigt, dass Versammlungsteilnehmer bei den vom Antragsteller initiierten Veranstaltungen in der Vergangenheit wiederholt durch einschlägige Straftaten (Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) und Meinungsbekundungen mit eindeutig nationalsozialistischem Bezug (z.B. Skandieren der Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS") aufgefallen sind. Auch die Resonanz, die die Versammlungen des Antragstellers auf rechtsextremistischen Internet-Seiten finden, und der ausschließlich dem rechtsextremistischen Spektrum angehörende Kreis der Versammlungsteilnehmer bestätigen die Einschätzung, dass die geplante Versammlung ein neonazistisches Gepräge aufweist. Dass der Zweck der Versammlung in der Öffentlichkeit auch in diesem Sinne wahrgenommen wird, belegen schließlich die zahlreichen Presseveröffentlichungen im Vorfeld einer jeden vom Antragsteller geplanten Aktion.

Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass die geplante Versammlung den Frieden des Osterfestes nachhaltig stören und das sittliche Empfinden zahlloser Bürgerinnen und Bürger erheblich verletzen würde. Eine Verschiebung der Veranstaltung auf einen Termin nach dem Osterfest würde dem Sinn und Zweck des vom Antragsteller geplanten "Nationalen Ostermarsches" zuwiderlaufen. Dementsprechend hat denn auch der Antragsteller das Angebot des Antragsgegners zu einem Kooperationsgespräch über den konkreten Versammlungstermin abgelehnt. Damit ist hier auch nach den Maßstäben der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts das vom Antragsgegner verfügte Versammlungsverbot gerechtfertigt."

5 B 492/01


Erneut Demonstrationsverbot aufgehoben
Pressemitteilung Nr. 40/2001 vom 12. April 2001 des Bundesverfassungsgerichts

Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat erneut in einem Eilverfahren das Verbot einer rechtsextremen Demonstration suspendiert.

Das OVG Münster hatte die Verbotsverfügung der Versammlungsbehörde vorläufig bestätigt, weil von der am Ostermontag ab 12 Uhr unter dem Motto "Nationaler Ostermarsch - Für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit" geplanten Demonstration eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe. Das zu erwartende Bekenntnis zum Nationalsozialismus mißachte den Charakter des Osterfestes.

Die Kammer hat dem Veranstalter der Demonstration Eilrechtsschutz gewährt. Eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung wegen "Mißachtung des Osterfestes" ab 12 Uhr trägt ein Versammlungsverbot nicht. Durch das Gesetz über die Sonn- und Feiertage für das Land Nordrhein-Westfalen sind Umzüge an Feiertagen bis 11 Uhr untersagt. Damit hat das Gesetz eine Spezialregelung getroffen. Zeitlich später liegende Veranstaltungen können nicht allein wegen des Feiertages als gegen die öffentliche Ordnung verstoßend gewertet werden.

Die darüber hinaus vom OVG geäußerte Erwartung, die geplante Versammlung werde durch ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus geprägt sein, ist nicht hinreichend durch Tatsachen begründet. Allein der Hinweis auf zurückliegende Straftaten des Antragstellers (Ast) trägt nicht die Prognose, es werde erneut zu solchen kommen. Strafrechtlich nicht relevante Äußerungen hingegen sind durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) geschützt. Eine Versammlung kann nicht schon deshalb, weil politisch mißliebige Meinungen geäußert werden, wegen Verstosses gegen die öffentliche Ordnung verboten werden. Art.5 GG ist auch Maßstab für die Beurteilung von Meinungen, die grundlegenden sozialen und ethische Anschauungen einer Vielzahl von Menschen widerstreiten. Zu Unrecht beruft sich das OVG Münster für seine gegenteilige Auffassung auf den Beschluß der 1.Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26.1.2001 ( 1 BvQ 9/01 ). Zwar hat die Kammer dort die polizeilich angeordnete Verschiebung einer rechtsextremen Demonstration vom 26. Januar auf einen anderen Tag gebilligt. Dies ist jedoch auf die spezifische Provokationswirkung eines solchen Aufzugs am Holocaust-Gedenktag gestützt worden. Auf das Osterfest läßt sich dieser Gedanke nicht übertragen. Insbesondere die Ostermärsche der Friedensbewegung finden traditionell an diesen Feiertagen statt. Die Ausübung des Demonstrationsrechts an diesen Tagen ist nicht auf Gruppierungen, die in der Tradition der Ostermarschbewegung stehen, beschränkt.

Die Kammer hat der Versammlungsbehörde ausdrücklich die Erteilung von Auflagen für die Durchführung der Versammlung vorbehalten.

Beschluss vom 12. April 2001 - Az. 1 BvQ 19/01

Karlsruhe, den 12. April 2001


Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.04.01
Zitierung: BVerfG, 1 BvQ 19/01 vom 12.4.2001, Absatz-Nr. (1 - 13)

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvQ 19/01 -
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung,

unter Aufhebung der Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. April 2001 - 5 B 492/01 - und des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 9. April 2001 - 3 L 400/01 - die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Ablehnungsbescheid des Polizeipräsidiums Hagen vom 3. April 2001 - VL 12-231-12/01 - wieder herzustellen.

Antragsteller: Herr W...

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch

den Vizepräsidenten Papier,
die Richterin Hohmann-Dennhardt
und den Richter Hoffmann-Riem

gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93 d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 12. April 2001 einstimmig beschlossen:

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung des Polizeipräsidiums Hagen vom 3. April 2001 - VL 12-231-12/01 - wird wieder hergestellt.

2. Die Anordnung von Auflagen obliegt der zuständigen Versammlungsbehörde.

3. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Antragsteller die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betrifft den versammlungsbehördlich angeordneten Sofortvollzug einer Anordnung, mit der eine für Ostermontag, den 16. April 2001, beim Polizeipräsidium in Hagen für die Zeit von 12.00 Uhr bis etwa 17.00 Uhr angemeldete Demonstration untersagt worden ist. Laut Anmeldung soll die Demonstration unter dem Thema stehen: "Nationaler Ostermarsch - Für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit".

Das Verwaltungsgericht Arnsberg hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des vom Antragsteller eingelegten Widerspruchs im Beschluss vom 9. April 2001 - 3 L 400/01 - abgelehnt. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat im Beschluss vom 12. April 2001 - 5 B 492/01 - den Antrag auf Zulassung der Beschwerde gegen diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat Erfolg. Die vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Entscheidung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG vorzunehmende Folgenabwägung (vgl. BVerfGE 71, 158 <161>; 88, 185 <186>; 91, 252 <257 f.>; stRspr) führt zu dem Ergebnis, dass die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe überwiegen.

Einstweiliger Rechtsschutz ist insbesondere zu gewähren, wenn die Gefahrenprognose der Behörde oder des Gerichts auf Umstände gestützt wird, deren Berücksichtigung dem Schutzgehalt der Art. 5 und 8 GG offensichtlich widerspricht, oder wenn das für eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit herangezogene Schutzgut und die angewandten Normen in rechtlicher Hinsicht die Einschränkung offensichtlich nicht tragen (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 26. März 2001 - 1 BvQ 15/01 -). Die Argumentation des Antragsgegners und des Oberverwaltungsgerichts ist anhand der Maßstäbe zur Überprüfung im Eilrechtsschutzverfahren weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht tragfähig.

1. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, das Verbot könne sich auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung stützen, weil der angemeldete Aufzug wegen seiner Ausrichtung den Charakter des Osterfestes missachte, verkennt die Spezialität des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. April 1989 gegenüber § 15 VersG. Dieses Gesetz schützt in § 2 Abs. 1 Nr. 3 den Ostermontag als Feiertag und sieht hieran anschließend in § 5 Abs. 1 Buchstabe a vor, dass unter anderem öffentliche Aufzüge, die nicht mit dem Gottesdienst zusammenhängen, während der Hauptzeit des Gottesdienstes verboten sind. Als Hauptzeit des Gottesdienstes gilt gemäß § 5 Abs. 1 Satz 4 die Zeit von 6.00 bis 11.00 Uhr. Diese Spezialregelung schließt einen Rückgriff auf § 15 VersG insoweit aus, als es um den Schutz des Ostermontags vor öffentlichen Versammlungen geht. Der Schutz beschränkt sich auf die Freihaltung des üblicherweise für Gottesdienste vorgesehenen Zeitraums. Ein Schutz des Ostermontags vor Versammlungen bestimmten Typs ist nicht vorgesehen. Da der Antragsteller den Umzug für die Zeit ab 12.00 Uhr angemeldet hat, setzt er sich zu der gesetzlichen Regelung nicht in Widerspruch.

2. Soweit das Oberverwaltungsgericht ein Verbot der Versammlung allein deshalb für rechtmäßig hält, weil sie durch ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus geprägt sei und deshalb die öffentliche Ordnung störe, hat es keine hinreichenden tatsächlichen Ausführungen zum Charakter der geplanten Versammlung gemacht und zudem den rechtlichen Gehalt der maßgebenden Rechtsnormen offensichtlich verkannt.

In tatsächlicher Hinsicht ersetzt der Hinweis auf länger zurückliegende Straftaten des Antragstellers und auf seine Zugehörigkeit zum rechtsextremen Spektrum nicht die zur rechtlichen Subsumtion erforderlichen konkreten Anhaltspunkte über die Ausrichtung und die sonstigen Begleitumstände der geplanten Versammlung.

In rechtlicher Hinsicht verkennt das Oberverwaltungsgericht die Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit des Art. 5 GG. Diese Norm bildet den Maßstab zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen, die den Inhalt von Meinungsäußerungen beschränken. Die im Strafgesetzbuch auch zur Abwehr nationalsozialistischer Bestrebungen geschaffenen Strafnormen (insbesondere §§ 84 ff. StGB) sind abschließend in dem Sinne, dass daneben ein Verbot von Meinungsäußerungen allein wegen ihres Inhalts unter Rückgriff auf das Schutzgut der öffentlichen Ordnung ausgeschlossen ist (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 7. April 2001 - 1 BvQ 17/01 und 18/01 -). Der Antragsgegner und das Oberverwaltungsgericht haben keinerlei Anhaltspunkte für die bevorstehende Begehung dieser oder anderer Straftaten, wie etwa nach § 130 StGB, angeführt.

Darüber hinaus ist es offensichtlich fehlsam, wenn das Oberverwaltungsgericht meint, die Verbreitung von Gedankengut, das "grundlegende soziale und ethische Anschauungen einer Vielzahl von Menschen" verletze, rechtfertige "an jedem Tag des Jahres" ein staatliches Einschreiten zum Schutz der öffentlichen Ordnung. Das Oberverwaltungsgericht beruft sich zu Unrecht auf den Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Januar 2001 - 1 BvQ 9/01 -. Dieser Beschluss hat auf die spezifische Provokationswirkung des Aufzugs am Holocaust-Gedenktag abgestellt und wegen des mit diesem Tag verbundenen Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus die Auflage der zeitlichen Verschiebung eines Aufzugs, der von Personen aus dem Umfeld so genannter rechtsextremer Kameradschaften geplant war, für zulässig gehalten.

Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen ein über die im Gesetz über die Sonn- und Feiertage enthaltenen Vorkehrungen hinausgehender Schutz des Osterfestes gegenüber Versammlungen wegen ihres besonderen Charakters in Betracht kommt. Der Antragsgegner und das Oberverwaltungsgericht haben keinerlei Anhaltspunkte für die angenommene nachhaltige Störung des Friedens des Osterfestes benannt, die einer Überprüfung am Maßstab der Art. 5 und 8 GG standhalten könnten. Ungeachtet seiner christlichen Prägung ist das Osterfest traditionell Zeitpunkt auch für Aufzüge, insbesondere für die Ostermärsche der Friedensbewegung. Dieser Umstand bewirkt jedoch entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht, dass die vom Antragsteller geplante Versammlung sich dadurch legitimieren müsste, ebenfalls in der Tradition der Ostermarschbewegung zu stehen. Das ist zweifellos nicht der Fall.

3. Da bis zum 16. April 2001 hinreichend Zeit verbleibt, bedarf es keiner Entscheidung über die Auflagen, von denen die Versammlungsbehörde gegebenenfalls den Aufzug nach § 15 Abs. 1 VersG abhängig machen kann.

4. Der Ausspruch über die Erstattung der Auslagen beruht auf § 34 a Abs. 3 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Papier       Hohmann-Dennhardt       Hoffmann-Riem