Kurt Tucholsky hat einmal in einem seiner witzig-melancholischen Vorträge behauptet, er sei als Angehöriger der "Weltbühne" geboren. An seinem 23. Geburtstag, am 9. Januar 1913, erschien sein erster Artikel in der von seinem Herausgeber, Siegfried Jacobson, sogenannten Schaubühne. Das wöchentlich erscheinende Blatt, befasste sich vom ersten Heft an - und das erblickte am 7. September 1905 das Licht der Welt - mit Theaterkritiken. Im April 1918 änderte der Herausgeber - ohne einen Kommentar abzugeben - den Titel der Zeitschrift in die "Weltbühne". Mit dem Titel änderte sich auch der Inhalt, er wurde politisch...
Im März 1919 verfasst Tucholsky einen kritischen Artikel "Wir Negativen". Er ist eine Reaktion auf den Vorwurf gegen die "Weltbühne", sie würde zu allem "nein" sagen. Dieser Vorwurf gegen die "Weltbühne" hielt sich über Jahrzehnte. Doch keiner der Kritiker stellte die Frage: Wozu wurde denn nein gesagt? Wozu sagte Tucholsky nein ? Zu einem Deutschland "voll .unerhörter Korruption, voll Schiebern, voll dreihunderttausend Teufeln, von denen jeder das Recht in Anspruch nimmt, für seine schwarze Person von der Revolution unangetastet zu bleiben. Wir meinen aber ihn, gerade ihn und nur ihn..."
Er führt einen "schwarzen" Typus vor, den er meint: den Bürger ("das ist eine geistige Klassifizierung: man ist Bürger durch Anlage, nicht durch Geburt und am allerwenigsten durch Beruf), den Offizier, den Beamten, den Politiker: lauter Untertanen, denen der Kaiser abhanden gekommen ist und die nur auf ihre Pfründe bedacht sind. Dazu sagt Tucholsky nein. Nicht resignierend. Noch nicht. "Wir wollen kämpfen mit Hass aus Liebe. Mit Hass gegen jeden Burschen, der sich erkühnt hat, das Blut seiner Landsleute zu trinken, wie man Wein trinkt... Mit Hass gegen einen Klüngel, dem übermäßig erraffter Besitz und das Elend der Heimarbeiter gottgewollt erscheint, der von erkauften Professoren beweisen tat, dass dem so sein muss, und der auf gebeugten Rücken vegetierenden Menschen freundliche Idylle feiert. Wir kämpfen allerdings mit Hass. Aber wir kämpfen aus Liebe für die Unterdrückten, die nicht notwendigerweise Proletarier sein müssen, und wir lieben in den Menschen den Gedanken an die Menschheit. Negativ?
Kurt Tucholsky arbeitete mit vielen prominenten Zeitgenossen bei der "Schaubühne" und "Weltbühne" zusammen. Darunter waren: Eise Lasker-Schüier von (1905 -1931). Roda Roda (1905 -1933). Hermann Bahr (1905 -1916). Alfred Polgar (1905 -1933). Christian Morgenstern (1906 -1914). Egon Friede!! (1906 -1932). George Bernhard Shaw (1906 -1928). Herbert Eulenberg (1906 -1949). Balder Olden (1906 -1937). Harry Kahn (1907 -1930). Robert Waiser (1907 -1921).Lion Feuchtwanger (1908 -1958). Erich Mühsam (1908 -1932). Peter Altenberg (1908 -1918). Arthur Holitscher (1908-1931). Herbert Ihering (1909-1948). Egon Erwin Kirsch (1911-1948). Bertold Viertel (1910-1939). Arnold Zweig (1913 -1966). Otto Falckenberg (1906 -1914). Walter Hasenclever (1916 -1932). Annette Kolb (1914 -1932). Klaus Pringsheim (1914 -1931). Klabund (1914 -1928). Rudolf Leonhard (1916 -.1953). Hans Natonek (1914 -1939). Alfred Wolfenstein (1916 -1939). Willi Wolfradt (1917 -1933). Berta Lask (1917 -1927). Alfons Goldschmidt (1917 -1938). Paul von Schoenaich (1926-1928). Adolf Behne (1922-1932). Kurt Hiller 1918-1936). Hans Siemsen (1919-1928). Walter Mehring (1920 -1938). Walther Victor (1921 -1963). Alfred Döblin (1921 -1927). Hans von Zwehl (1921 -1933). Joachim Ringelnatz (1921-1932). Erich Weinert (19221953).KIaus Mann (1924 -1939). Ernst Toller (1924 -1938). Arthur Erloesser (1924 -1928). Rudolf Olden (1925 -1937). Karl Schnog (1925 -1963). Rudolf Arnheim (1915 -1933). Franz Leschnitzer (1925 1965). Berthold Jacob (1925 -1933). Erich Kästner (1926 -1933). Nicht zu vergessen: Carl von Ossietzky (1927 -1933).
"Die Urmelodie wird hörbar: das Leid", schreibt Kurt Tucholsky. Er geisselte Deutschland aus Liebe. Es erschreckte ihn die menschliche Dummheit des Kleinbürgers. Er, der den Witz so gut zu formulieren mochte, empfand ihn als Schmerz. Das höchste Gut war für ihn die Freiheit. Als sie bedroht war, kämpfte er. Als man sie demütigte, verstummte er im Gram... Kurt Tucholsky beendete sein Leben drei Tage vor Weihnachten, am 21. Dezember 1935, in Hindas Schweden.
Brigitte Rothert
Die letzte der Familie Tucholsky liest Texte von Kurt Tucholsky
Sie speist in der "Restauration Tucholsky" in der Torstrasse, die liegt gegenüber der Ecke Tucholskystrasse im Berliner Bezirk Mitte. Für den Berlin-Besucher lohnt sich ein Besuch dorthin. Nicht nur die Speisen munden dort sehr gut, sondern der Gast kann auch die mit Fotografien von Kurt Tucholsky voll gestalteten Wände bewundem. Für den Gast ein wahrer Magen-und Augenschmaus.
Im Prenzlauer Berg findet der neugierige Besucher die Tucholsky Bibliothek. Und wenn dann der Gast noch Zeit und Muse hat, macht er einen Abstecher ins Zimmertheater Karlshorst im Stadtteil Lichtenberg. Dort kann er den Freund der Frau Rothert, den Regisseur und Hauptdarsteller Dr. Wolfgang Hellfritsch, mit einem Tucholsky-Abend erleben. Beide sind aktive Mitglieder der Tucholsky-Gesellschaft.
Wobei Dr. Hellfritsch auch noch dem Vorstand der Gesellschaft angehört. Die vergibt seit 1995 alle zwei Jahre den Tucholsky-Preis, mit Ausnahme der ersten beiden Jahre. Erster Preisträger wurde der Liedermacher Konstantin Wecker. Zweiter Preisträger 1996, wurde Heribert Prantl , Redakteur der Süddeutschen Zeitung. Der Schweizer Schriftsteller Kurt Marti, wurde dann 1997 als dritter Preisträger ausgezeichnet. 1999 zeichnete man dann die ehemalige ostdeutsche Fernsehjournalistin und heutige Schriftstellerin, Daniela Dahn, mit dem Preis aus. Im vergangenen Jahr schließlich, wurde der Sozialwissenschaftler Professor Dr. Harry Pross mit dem Tucholsky-Preis ausgezeichnet. Frau Rothert, die Groscousine von Kurt Tucholsky, hat ihren Cousin nie kennengelernt, weil er schon vor ihrer Geburt 1928 Deutschland in Richtung Schweden verlassen hatte.
"Was die letzte Überlebende der Familie über den berühmten Autor zu erzählen hat, ist zum Teil angelesen, aber sie vermittelt es so schnoddrig, dass es eine Freude ist, ihr zuzuhören; und sie kennt sich in dem Thema wirklich gut aus," schreibt der Journalist Eckard Spoo. Einmal erinnert sie sich an einen Besuch bei Kurt's Mutter 1939 in Berlin, ihrer Grosstante Doris. Vier Jahre später ermordeten die Nazis die Grostante im KZ Theresienstadt.
Wir möchten Sie hiermit einladen zur öffentlichen Veranstaltung am Donnerstag, den 11. April 2002 um 19.30 Uhr in der Burg Holzbrink in Altena.
Der Eintritt ist frei
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