1. Arbeitslos zu sein ist Deine neue Arbeit.
Die Zeiten, in denen es reichte, einmal im Jahr, höchstens alle 3 Monate, bei Deinem Sachbearbeiter vorbei zu schauen, könnten vorbei sein. Die Fallmanager und Arbeitsberater des JobCenters können Dich ganz nach Gutdünken vorladen. Einmal pro Woche, alle drei Wochen oder auch nur alle drei Monate, ganz wie es beliebt. Sie fordern Nachweise Deiner Eigenbemühungen, also Bewerbungen, Vorstellungsgespräche. Zusätzlich gibt es Profiling-Maßnahmen (meist eine Woche lang) oder Trainingsmaßnahmen, die von 3 Monaten bis zu einem halben Jahr dauern können. Alles ziemlicher Unsinn. Doch keine Bange, jedes Gift hat sein Gegengift. Es gibt bislang unerkannte Krankheiten, die nur darauf warten unter Stresseinwirkung auszubrechen, es gibt Bekannte, die Dich vielleicht für einen Monat beschäftigen mögen - im Rahmen eines Praktikums oder ähnliches. In jedem Fall musst Du damit rechnen, Dich eine Zeit lang ernsthaft für den Bezug Deiner Leistungen anzustrengen. Wenn der Laden erstmal läuft, kann es wieder weniger werden.
2. Das JobCenter ist Dein Feind.
Die Aufgabe des JobCenters, ist es die Arbeitslosenzahlen zu reduzieren. Und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Unter den Angestellten des JobCenters mag es nette, hilfsbereite, kulante Exemplare geben - darauf rechnen darfst Du nie. Daher gilt für Termine auf dem Amt:
- Überlege Dir genau, was Du sagst. Deine Aussage könnte gegen Dich verwendet werden.
- Lass den Sachbearbeiter/ die Sachbearbeiterin reden. Sei stoisch, überlege vor jeder Antwort genau, was klug wäre. Lass vor jeder Antwort drei Sekunden vergehen.
- Lass Dich weder von Freundlichkeit noch von Unverschämtheiten täuschen. Letztendlich geht es um Paragrafen und um Rechte, die uns zustehen, auch wenn die SachbearbeiterInnen davon keine Ahnung haben mögen.
- Versuch nicht, die SachbearbeiterInnen auf einer politischen Ebene zu überzeugen. Es hat erstens keinen Sinn, den falschen Leuten, das Richtige zu erklären. Zweitens ist es möglicherweise unklug, sich als GesinnungstäterIn zu offenbaren. Bleib vorerst lieber unberechenbar.
Viele SachbearbeiterInnen kennen die elementarsten Vorschriften und Gesetze nicht. Sie handeln nach Gutsherrenart. Mit ein wenig Mühe kannst Du ihnen leicht beikommen. Zur Not gehst Du zum Teamleiter oder dessen/deren Vorgesetzten und reichst Beschwerde ein, oder strengst Disziplinarverfahren an.
3. Spiel das Spiel und versuche, die Regeln zu bestimmen!
Interessanter Weise ist der Handlungsspielraum der FallmanagerInnen und SachbearbeiterInnen immens groß. Das meiste ist Verhandlungssache, auch die Anzahl und Qualität der Bewerbungsbemühungen und der Turnus, in dem Du erscheinen musst.
Am Anfang ist es wichtig, die gestellten Anforderungen zu erfüllen, um zu zeigen: Ich habe Reserven, ich breche nicht bei der kleinsten Belastung zusammen. Ich bin keine Wurst.
Wenn Du beispielsweise einen Neuantrag auf Arbeitslosengeld II stellst, dann wird der Fallmanager/ die Fallmanagerin versuchen, es Dir so schwer wie möglich machen, in den Leistungsbezug zu kommen. Sie schicken Dich von Pontius nach Pilatus, fordern z.B. eine Bescheinigung vom Sozialamt Innenstadt, das Sozialamt will eine Bescheinigung vom Wohnungsamt und das Wohnungsamt wieder die Bescheinigung vom JobCenter. Mach es eine Woche oder zwei mit. Dann kommt der Punkt, die Regeln aktiv zu bestimmen und notfalls derbe auf den Putz zu hauen. Mache offensichtliche Unsinnigkeiten nicht mehr mit, raste aus, drohe mit Beschwerden, suche Dir Hilfe etc.
Verlange bei jeden zukünftigen Schritt, eine schriftliche Begründung, warum Du die betreffende Bescheinigung, Bewilligung etc. nicht erhalten hast und was Du tun musst, um sie zu erhalten. Diese schriftliche Begründung steht Dir zu. Verlasse den Raum nicht, bis sie da ist.
4. Kenne Deine Rechte, handle taktisch und strategisch!
Viele reden sich durch eine an Naivität grenzende Gutgläubigkeit um Kopf und Kragen. Du solltest Dir vorher überlegen: Wie ist meine derzeitige Lage, wie könnte sie sich durch den neuen Termin auf dem Amt verschlechtern, wie würde eine Verbesserung aussehen? Überlege Dir eine Argumentationsstrategie, die in Richtung Verbesserung geht. Wir sagen nicht, dass Du unbedingt lügen musst, manchmal ist es jedoch ratsam, nicht alle Karten aufzudecken. Mitunter kommt es nur darauf an, wie man die Realität betrachtet. "Was heißt hier Bedarfsgemeinschaft? Na gut, wir waren gute Freunde, das ist lange her. Jetzt leben wir in längst in Trennung, wollen auseinander ziehen, aber versuchen Sie mal eine neue Wohnung zu finden."
5. Die lange Bank ist des Teufels liebstes Möbelstück.
Wir haben Leute kennen gelernt, die seit Monaten keine Leistungen mehr erhalten haben, weil sie es nicht geschafft haben, die notwendigen Anforderungen - darunter auch völlig unsinnige - zu erfüllen. Die perverse Argumentation des JobCenters: Sie haben die letzten zwei Monate ohne unsere Leistungen überlebt, d. h. sie verfügen anscheinend über stille Reserven (Verwandte, Vermögen, Schwarzarbeit etc.). Wozu brauchten Sie also unsere Hilfeleistungen? Du wirst dann gezwungen, nachzuweisen, wovon Du in den letzten Monaten gelebt hast. (Deine Antwort könnte lauten: Bekannte haben Dir Geld geliehen und fordern es jetzt zurück.)
Wenn Du kein Geld mehr in der Tasche hast, dann muss Dir sofort geholfen werden. Notfalls verlangst Du eine Abschlagszahlung oder einen Vorschuss. Jetzt. Notlage. Eher gehst Du nicht. Und wenn Du gehen musst, dann sofort zum Verwaltungsgericht, wo Du auf Dringlichkeit gegen das JobCenter klagst. Die Sozialhilfe ist - juristisch betrachtet - ein Recht und kein Almosen. Sie fußt auf dem Grundgesetz, Artikel 1("Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.").
6. Übe den aufrechten Gang!
Es gibt viele, die versuchen die Sachbearbeiter auf der emotional-menschlichen Ebene zu beeindrucken. "Mein Lebensgefährte ist unlängst verstorben. Ich bin im Methadon-Programm und habe Hepatitis B. Ich versuche ja alles, aber es klappt nicht." Diese Herangehensweise bringt überhaupt nichts. Die SachbearbeiterInnen sind nach kurzer Zeit völlig abgestumpft und können wahre, von halbwahren und erlogenen Geschichten nicht mehr unterscheiden. Außerdem transportiert das Fahren auf der Mitleids-Schiene eine verhängnisvolle Botschaft: Ich bin ein armes Würstchen und weiß mir nicht zu helfen. Das kann auch heißen: Mit mir kann man es machen. Oder schlimmer noch: Ich brauche jemanden, der mir Feuer unterm Arsch macht.
Unsere Haltung gegenüber dem Amt sollte sein: Wir brauchen weder euer Mitleid noch eure schlauen Tipps. Wir kennen unsere Rechte. Wir reden auf der Grundlage von Paragrafen und Gesetzen, denn nur die bringen uns dazu, überhaupt im Amt zu erscheinen. Unser Privatleben geht die SachbearbeiterInnen nichts an und deren privaten Meinungen interessieren uns nicht. Wenn man meint, mit uns den Larry machen zu können, dann werden wir auf der juristischen und auf anderen Eben kreative Antworten suchen und finden.
7. Never walk alone - Such Dir Beistand und Hilfe!
Das Sozialgesetzbuch 10 (SGB X) regelt die Beziehungen zwischen Bürgern und Behörden. Dort steht unter § 13, 4 folgendes: "Ein Beteiligter kann zu Verhandlungen und Besprechungen mit einem Beistand erscheinen. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit dieser nicht unverzüglich widerspricht."
Wir haben also ein verbrieftes Recht, zu zweit zu erscheinen. Egal ob vor Gericht, beim Staatsanwalt oder beim Arbeitsamt. Gegebenenfalls sogar mit mehreren Personen (der Paragraf ist normativ, nicht numerativ gemeint). Das ist wichtig. Denn damit hast Du Zeugen und BeraterInnen an Deiner Seite. Der Sachbearbeiter wird sich Unverschämtheiten nun eher verkneifen. Der Beistand sollte einen Block und Stift dabei haben und eifrig notieren. Ratsam ist es, eine Rollenverteilung nach dem Schema "Böser Prolet - guter Prolet" einzuhalten. Es macht wenig Sinn, wenn der/die Betroffene sich im Jammern ergeht, während der Beistand auf den Putz haut. Dann wird der Beistand schnell des Feldes verwiesen werden. Besser ist es, wenn der/die Betroffene seiner/ihrer Empörung freien Lauf lässt und Forderungen stellt. Dem Beistand kommt die Rolle zu, die Stimme der Vernunft zu erheben und den/die SachbearbeiterIn auf der sachlichen, juristischen Ebene anzusprechen. Oder einfach nur dabei zu sein, Notizen zu machen und Fragen zu stellen. Du wirst sehen, wie sich das Klima verändert, sobald Du jemanden an Deiner Seite hast.
8. Du bist für den Irrsinn nicht verantwortlich. Und Du bist nicht allein.
"Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist wie sie ist, es ist nur Deine Schuld, dass sie so bleibt" (*). Massen-Arbeitslosigkeit, JobCenter, Lohn-Dumping, Leiharbeit, Mietspiegel, Zwangsräumungen, Ein-Euro-Jobs - dahinter steckt nichts als der komplette Schwachsinn und eine völlige Ratlosigkeit der Herrschenden. Du bist eine/einer von Tausenden in Deiner Region und von Millionen auf der Welt, die darunter zu leiden haben. Wenn es gelänge, dass wir uns vor Ort auch nur zu 50 oder 100 Leuten dauerhaft zusammen schließen, dann könnten wir das Arbeitsamt rocken, dann würden wir beginnen, Suppenküchen zu organisieren, Genossenschaften und Kooperativen zu gründen, uns das Leben zurück zu erobern, dass es eine Freude wäre. Wichtig ist, im Kleinen anzufangen. Setz Dich in Bewegung und das Leben kommt auf Dich zu!
* Zitat: "Die Ärzte", seit Jahren beste deutsche Punk-Band.
Das Arbeitslosengeld II bringt für Arbeitslose etliche Nachteile mit sich:
- Aufbrauchen eigenen Vermögens, um leistungsberechtigt zu werden
- Ständige Verfügbarkeit für Ein-Euro-Jobs
- Kürzung anrechnungsfreier Nebeneinkommen
- Hilfsarbeit statt Ausbildungsrecht für Kinder aus ALG II – Familien
- Weitgehende Versorgungspflicht für MitbewohnerInnen und Familienmitglieder von ALG II–Betroffenen ("Bedarfsgemeinschaften")
- Viele Fallstricke um die Leistungen zu kürzen oder zu streichen
Das ALG II hat einen entscheidenden Vorteil:
Alle können ALG II beantragen. Die ALG-II-Berechtigung ist nicht mehr an vorhergehende versicherungspflichtige Arbeit gebunden. Sie ist außerdem von Eltern und Verwandten unabhängig - anders als früher die Sozialhilfe.(Für Leute ohne Ausbildung, die unter 25 sind, gelten allerdings Einschränkungen.) Deshalb: ALG II beantragen! Reih Dich ein in die Arbeitslosen-Einheitsfront!
Wenn Du von Arbeitslosengeld in ALG II rutschst
Der Arbeitslosengeldanspruch bietet bessere rechtliche Voraussetzungen für Fortbildungsmaßnahmen. Für Existenzgründungen gibt es einen Rechtsanspruch auf Förderung.
Um den Arbeitslosengeldanspruch nicht zu verlieren, ist penible Wahrnehmung der Mitwirkungspflichten Voraussetzung!
ALG II wird erst bezahlt, wenn das eigene Vermögen aufgebraucht ist, bis auf einen kleinen Rest:
- einen Grundfreibetrag von 200 € pro Lebensjahr jeweils für erwerbsfähige Hilfebedürftige und ihre/seine PartnerIn, mindestens je 4.100 €, maximal 13.000 € pro Person
- "Riester”-Rente und weiteres Alterssicherungsvermögen von 200 € pro Lebensjahr, wenn dessen Verbrauch vor dem Eintritt in den Ruhestand vertraglich ausgeschlossen ist
- einen Freibetrag von 750 € für jede Person im Haushalt
- ein angemessenes KFZ für jede/n Erwerbsfähige/n im Haushalt
- kleines Wohneigentum
Vorsicht! Auch Steuererstattungen zählen zum Einkommen.
Ist Verwertung von Vermögen oberhalb der Freibeträge unwirtschaftlich, wird ALG II nur als Darlehen gezahlt (Krankenversicherungsschutz entfällt). Das gilt z. B., wenn die Eltern die Eigentumswohnung bereits dem ALG II erhaltenden Kind überschrieben haben, aber selbst noch darin wohnen (Nießbrauch). So verarmen Familien.
Tipps zur Vermögenssicherung:
- Vor dem Ausfüllen der Anträge gründlich informieren!
- Bei Beantragung werden Nachweise zu Vermögen (Gutachten, Leihscheine, Privatschuldenverträge, Quittungen) und Unterhaltsleistungen gefordert!
- Rentenverträge prüfen, ggf. einen Nachvertrag zur Auszahlung ab 65. Lebensjahr abschließen!
- Rechtzeitig die "Angemessenheit" von KfZ, Hausgrundstück, Eigentumswohnung prüfen! Altes KfZ und Fahrrad gründlich überholen!
- Urlaub machen!
In den ersten 6 Monaten werden noch "unangemessen" hohe Wohnkosten anerkannt, danach nur, wenn nachweislich keine Senkung möglich ist. Bis zu zwei Jahre nach Arbeitslosengeldbezug kann ein befristeter Zuschlag bezahlt werden, um den Stoß in die Armut zu erleichtern.
Allgemeine Hinweise zum ALG II
- Der Eingliederungsvertrag ist Verhandlungssache. Es ist sehr wichtig, sich vor dem Besuch des Amtes zu überlegen, welche Eingliederungsleistungen darin stehen sollen. Hier ist gute Vorbereitung und Freundlichkeit angesagt, denn die Erteilung der Leistungen liegen im Ermessen der "FallmanagerInnen". Die Eingliederungsvereinbarung muss unterschrieben werden, sonst droht eine Kürzung. Allerdings muss das nicht sofort vor Ort geschehen, Bedenkzeit und externe Beratung sind möglich. Es gibt unabhängige Beratungsstellen. Die örtliche FAU–Gewerkschaft kann Auskunft geben,wo diese zu finden sind.
- Es ist eine gute Idee, jemand als Beistand zu Beratungsgesprächen mitzunehmen (nach § 13, SGB X).
- Beratungsstellen können den Dir zustehenden "Bedarf" unabhängig vom Amt ausrechnen. Zudem erfährt man dort, wie niedrig "angemessene" Unterkunftskosten in der Region höchstens sein dürfen.
- Lass Dich nicht dazu drängen, unterhaltspflichtige Verwandte anzugeben.
Junge Arbeitslose und SchulabgängerInnen ab 15 ohne Lehrstelle
Menschen unter 25 Jahren sind in besonderem Maße im Fadenkreuz der Bundesagentur. Das Motto lautet "kein Nachwuchs für Nürnberg". Bei denen, welche die kapitalistische Arbeitswelt neu kennen lernen, soll der Eindruck vermieden werden, man könne auch ohne geregelte Lohnarbeit irgendwie passabel überleben.
Wer Leistungen beziehen will, muss sofort jede von der Agentur angebotene Arbeit, Ausbildung und ausbildungsähnliche Maßnahme annehmen – auch chancenlose Drecksjobs. Wer das ohne wichtigen Grund verweigert wird für drei Monate völlig gesperrt! (außer Lebensmittelgutscheinen u. ä. und Unterkunfts- und Heizkosten).
Das wichtigste ist gute Vorbereitung. Ist eine Berufsausbildung gewünscht? Wenn ja, welche? Fördert die Arbeitsagentur eine Berufsausbildung? Eine unakzeptable Beschäftigung darf nicht verweigert werden, aber Widerspruch ist möglich. Um das richtig zu machen, empfiehlt sich der Besuch einer unabhängigen Beratungsstelle. Wenn die Eltern ALG II beziehen, kann der Verdienst aus eigener Arbeit für den Unterhalt der Eltern verwendet werden. Wenn jedoch das eigene Einkommen für den eigenen Unterhalt einschließlich Unterkunft bei den Eltern ausreicht,dann ist man kein Teil der Bedarfsgemeinschaft mehr und darf einen höheren Anteil des Einkommens behalten. Beim Ausziehen vom Elternhaus ist es wichtig, in eine eigene Bude zu ziehen oder in ein WG-Zimmer mit eigenem Untermietvertrag. Sonst sind die Mitbewohner gegeneinander unterhaltspflichtig! Aus dem gleichen Grund ist getrenntes Wirtschaften auch beim Zusammenleben mit dem / der PartnerIn oder anderen Verwandten angesagt. SchülerInnen, die nicht bei den Eltern wohnen, können Schüler-BaFöG beantragen.Der wichtigste Hinweis lautet – aus anarcho-syndikalistischer Sicht – jedoch: Macht eure eigene Lage zum Ausgangspunkt eurer politischen Aktivitäten: statt EZLN, Tierbefreiung oder Antifa vielleicht mal das JobCenter und DEINEN EIGENEN SACHBEARBEITER. Die Schikanen gegen junge Arbeitslose sind soweit gediehen, dass auf Dauer nur kollektive und kämpferische Aktionen wirklich helfen.
Alleinerziehende
Alleinerziehende, die bisher Sozialhilfe bekamen, fallen ab 2005 unter ALG II.
Ist ein Kind jünger als 3 Jahre, ist Erwerbstätigkeit nicht zumutbar, solange das Kind nicht in der Kinderkrippe oder anderweitig betreut wird.Ist ein Kind älter als 3 Jahre und ein Kindergarten- oder Hortplatz verfügbar oder die Betreuung auf sonstige Weise (z. B. durch Großeltern) sichergestellt, ist während der Betreuungszeit eine Erwerbstätigkeit (in jedweder Form) zumutbar. Aber:
Ist die Betreuung eines Kindes wegen Krankheit, Behinderung oder Verhaltensauffälligkeiten nicht durch Kindergarten, Hort oder auf sonstige Weise unabhängig von den Eltern sichergestellt, so ist Erwerbstätigkeit nicht zumutbar! Im Zweifel hilft ein ärztliches Attest.Nebenjobs und ergänzende Sozialhilfe
Ab 1. Januar 2005 gibt es vom Sozialamt keine (zum Job) ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt und keine Beihilfen (z. B. für Bekleidung) mehr. Dazu muss dann ein ALG II-Antrag gestellt werden.
Bisher blieben 165 € Nebeneinkommen anrechnungsfrei. Mit dem ALG II werden die im Haushalt erzielten Einkommen stärker auf die Leistung angerechnet. Z. B. bei Minijob-Einkommen von 400 € verbleiben als Erwerbstätigenfreibetrag höchstens 60 €. Der Rest wird mit ALG II verrechnet. Der Aufwand für die Arbeit lohnt sich also häufig nicht.
Gilt nur für 2004: Ab 2005 wird die Aufgabe eines solchen Jobs mit Kürzungen bestraft. Deshalb ggf. noch dieses Jahr kündigen.Bisher konnte man zeitweilig aus dem Arbeitslosengeldbezug ausscheiden, um Honorarjobs durchzuführen, die keinen Einfluss auf Arbeitslosengeld/-hilfe hatten. ALG II erschwert das, denn das Einkommen eines Monats wird auf den ganzen Monat umgerechnet. Nur die Einkünfte der letzten fünf Tage werden dem nächsten Monat zugeordnet.
Um innerhalb der geschützten Vermögensfreigrenze Geld anzusparen ist es nötig, Job und Geldzufluss auf einen bestimmten Monat zu konzentrieren. In diesem Monat ohne ALG II-Bezug muss selbst Kranken- und Rentenversicherung gezahlt werden. Allerspätestens 6 Tage vor Monatsende müssen die Einkünfte auf dem Konto sein! Dann kann zum 1. des Folgemonats wieder ALG II beantragt werden. Dem Amt muss auch keine Verdienstbescheinigung für Zeiten ohne Leistungsbezug vorgelegt werden. Ob sich das lohnt, lässt sich in einer unabhängigen Beratungsstelle berechnen.Ab dem ersten Januar 2005 müssen die Kommunen für ALG-II-EmpfängerInnen die Kosten einer "angemessenen Unterkunft" übernehmen. Alleinstehende haben danach ein Anrecht auf 45 qm Wohnraum. Wieviel dieser kosten darf, wird von Ort zu Ort unterschiedlich geregelt. Dieser Artikel behandelt die Thematik am Beispiel Köln. Die genauen Verhältnisse dürften sich bundesweit ähneln, müssen in jeder Stadt aber aufs neue erfragt werden.
In Köln hat eine Arbeitsgemeinschaft von Stadt (Sozialamt) und Agentur für Arbeit festgelegt, dass eine Wohnung max. 297,- Euro plus Nebenkosten betragen darf. Das sind 6,60 Euro pro Quadratmeter. Für jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft kommen 15 qm hinzu, die 99,- Euro kosten dürfen. Natürlich weiß jeder, dass in Köln für dieses Geld kaum eine Wohnung zu finden ist. Die Stadt erhöht diesen Satz nicht, um - nach eigener Aussage - Vermieter nicht zu Mietsteigerungen zu ermuntern. Etwa 50% der Sozialhilfeempfänger leben heute schon in teureren Wohnungen.
Räumung nur im Einzelfall?
Laut Auskunft der Kölner Sozialdezernentin Marlies Bredehorst soll in Zukunft bei ALG II- und Sozialgeld-EmpfängerInnen genauso verfahren werden, wie jetzt schon bei den Sozi-EmpfängerInnen. Danach würden die Einzelfälle geprüft und in einigen Fällen die Leute aufgefordert, sich eine billigere Wohnung zu suchen. Das sollten angeblich nur etwa 5% aller Fälle sein. Ein anderes Bild vermittelt eine Zeitungsmeldung (Kölner Stadt-Anzeiger vom 8. Sept. 2004), nach der die Zahl der Räumungsklagen in Köln im Jahr 2003 mit 2677 einen neuen Höchststand erreicht hat. Die Räumungsklagen würden Ende 2004 um zusätzliche 15 Prozent steigen und, so der stellvertretende Wohnungsamtsleiter Jürgen Kube, in den kommenden Jahren durch Hartz IV weiter nach oben gehen. Was ja auch logisch ist, denn die Kommune ist vollkommen pleite und ihre korrupten Provinz-Strategen investieren lieber in Infrastruktur für Unternehmen als in arme Schlucker, die keine Steuern zahlen.
Das Sozialdezernat sagt aus: Wenn die Betroffenen nachweisen würden (z.B durch Ablehnungsschreiben von Wohnungsgesellschaften), dass sie sich erfolglos um Wohnungen bemüht hätten, bekämen sie ihre bisherige Wohnung weiter bezahlt. In der Praxis ist es jedoch so, dass Du maximal ein halbes Jahr geduldet wirst und dann der Ärger von vorne los geht. Du lebst in der ständigen Angst um Deine Wohnung, die nach langen Jahren möglicherweise auch Heimat bedeutet. Schonende Sonderregeln gelten laut Sozialdezernat für Alte, psychisch Kranke und andere.
Was tun, wenn die Miete ausbleibt?
Wenn Dein Sachbearbeiter eines Tages den Daumen senkt, wird Dir wahrscheinlich einfach nur noch der Regelsatz bezahlt und Du kannst gucken, wie Du klar kommst. Es wäre dann eine Überlegung wert, deinerseits nur noch diesen Regelsatz an Miete zu bezahlen und die verantwortlichen SachbearbeiterInnen für entstehende Mietrückstände und eine drohende Zwangsräumung zur Verantwortung zu ziehen. Die Alternative wäre, dass sie Dir nach einer Räumung ein Hotel bezahlen, oder Dir sofort eine andere Wohnung anbieten müssten.
Verbarrikadieren oder zelten gehen
Wir kennen bereits Arbeitslose, die im Falle einer Zwangsräumung bei der Sozialdezernentin Bredehorst im Vorgarten zelten würden. Ein solches Vorgehen verlangt natürlich starke Nerven und ist z.B. für Menschen mit Familie kaum möglich. Dennoch wären solche spektakulären Einzelfälle für das Entstehen einer Arbeitslosen-Selbsthilfe wichtig, weil sie Lust zur Nachahmung verbreiten und die Armutsverwaltung Respekt lehren könnten. Ebenso das zeitweilige Verhindern von Zwangsräumungen durch Telefonketten und Verbarrkadierungen. So könnte sich innerhalb kürzester Zeit eine fruchtbare Überschneidung von Arbeitslosen- und Hausbesetzer-Bewegung ergeben, was richtig Dampf in den sozialen Kessel bringen dürfte.