Luxemburg wird ab 1/1 2005 den EU Vorsitz innehaben. Luxemburg ist neben Brüssel und Strasburg die dritte europäische Hauptstadt und Sitz zahlreicher EU-Institutionen, darunter auch solch wenig bekannte wie das EURODAC, zentrales Computerregister aller AsylbewerberInnen.
In der Tradition der EU-Gipfelproteste von Nizza, Göteborg, Brüssel, Thessaloniki etc, wollen wir 2005 diesen Gipfel als Kristallisationspunkt und Möglichkeit nutzen, um unsere Proteste gegen die herrschende Politik nachdrücklich an die Öffentlichkeit zu vermitteln und wirksam vorzutragen.
Wir, das ist ein Zusammenschluss undogmatischer Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen aus Luxemburg, Grossregion und darüberhinaus. Wir wollen in unserer Praxis und unseren Inhalten über die üblichen Protestrituale hinausgehen, neue Diskussionen anstoßen und selbstbestimmte Aktionsformen entfalten. Dabei wollen wir insbesondere drei inhaltliche Grundsätze betonen
1) Antikapitalismus : Die aktuelle kapitalistische Wirtschaft, die auch das herrschende Paradigma der EU darstellt, erzeugt Ungleichheit, Armut und Umweltzerstörung, in einem stetig wachsenden Ausmaß. Wir glauben nicht an einen Kapitalismus mit "menschlichem Gesicht", sondern wir wollen für eine andere alternative Wirtschaftsordnung kämpfen, die statt Lohnarbeit, Leistungsterror und Warenform die Solidarität und freie Entfaltung von jedermensch setzt.
2) Selbstbestimmung und Emanzipation : Wir wollen als Alternative zum bestehenden repressiven Staat eine Gesellschaft die auf einem solidarischen und selbstbestimmten Miteinander basiert. Wir wollen Schluss machen mit allen Formen patriarchaler, rassistischer , antisemitischer und sonstiger Diskriminierung, und unser Leben zurückerkämpfen!
3) Antinationalismus: Wir stellen die EU nicht in Frage, weil sie eine supranationale Organisation ist und unsere vermeintliche "nationale Souveränität" aushölt oder irgendwelchen imaginierten "nationalen Identitäten" schadet. Der Nationalstaat ist für uns keine Alternative zur kapitalistischen Globalisierung. Neurechte Inhalte und konservative Identitätspolitik lehnen wir genauso ab wie die Abschottung der EU nach aussen. Die Kämpfe um die Freiheit der Menschen müssen darauf abzielen, Grenzen niederzureissen, und nicht, neue zu errichten!
Die EU als politische Herrschaftsstruktur ist eine Konsequenz der modernen Entwicklung des Kapitalismus. Sie bildet einen Block, der in wirtschaftlicher, militärischer und politischer Hinsicht den gestiegenen Erfordernissen kapitalistischer Verwertungs- und Herrschaftsmechanismen genügen soll. Die Logik der EU ist die neoliberaler Verwertungsprozesse. Ökonomisch nicht verwendbare Menschen werden abgeschoben, soziale Rechte massiv angegriffen und Freiheitsrechte abgeschafft. Auch aussenpolitisch verfolgt die EU eine Linie der Militarisierung und Hegemonialpolitik.
Wir gehen nicht auf die Straße, weil wir die EU als alleinige Wurzel allen Übels identifiziert hätten. Die EU ist nur eine von vielen Institutionen im komplexen Geflecht moderner Herrschaftsverhältnisse, aber auch eine mit hohem Symbol und Prestige-Gehalt. Wir wollen diese erhöhte Aufmerksamkeit und Mobilisierungsmöglichkeit rund um den EU-Gipfel als Bühne nutzen, um unsere Überzeugungen auf der Straße auszudrücken.
Welche Form für welchen Protest ?
Wir wollen mit unseren Akionen festgefahrene Protestrituale aufbrechen zugunsten kreativer Aktionen und Möglichkeiten. Wir wollen dabei eine bunte Vielfalt von Ansätze und Strömungen auf einer gemeinsamen Basis zusammenführen. Eine solche Basis für uns ist :
- Die Weigerung, unser Selbstbestimmungsrecht an Parteien und staatliche Institutionen zu delegieren
- Die Selbstorganisierung und Eigenständigkeit der Bewegung nach antiautoritären Grundsätzen
- Die direkte Aktion und der zivile und soziale Ungehorsam.
Einige Beispiele für mögliche Aktionsformen in diesem Rahmen sind zB. Street-Parties, Street-Art, Blockaden und Besetzungen, Spaß- und Kommunikationsguerilla, u.v.m. Es geht uns dabei keineswegs um eine militärischer Eskalationslogik oder die vielfach von Medien und Polizei beschworenen und inszenierten Gewaltorgien. Wir wollen kein Klima der Gewalt, aber eins der Befreiung, und wir werden unmissverständlich deutlich machen, dass sowohl unsere Köpfe wie die Straßen niemals zu kontrollieren sein werden!
Wir finden es insbesondere wichtig, dass es auch über den reinen Straßenprotest hinaus einen Raum für Begegnungen, Diskussion, Reflexion und selbstbestimmte Planungen gibt. Angesichts der immer stärkerern Repressionsmaschine des Staates anlässlich von klassischen Demos etc. sehen wir es als notwendig an, uns auch eine eigene Alternative zum bestehenden System zu erkämpfen und aufzubauen. Ein erster Schritt in diese Richtung ist der Plan eines selbstorganisiertem alternativen und antikapitalistischen Camps im Rahmen unserer Kampagne. In unserer Vorstellung wäre ein solches Projekt:
(1) Ein selbstbestimmter Raum für Reflexion und Aktion, der es ermöglicht sich politisch auszudrücken und dabei insbesondere unsere Alternativen aufzeigt. Paralell zu den Aktionen sollte die Einrichtung konkreter Gegenentwürfe passieren, d.h. : Basisdemokratie, Selbstorganisierung, ziviler Ungehorsam etc. Wir wollen dass ein solcher Raum zumindest ansatzweise die Möglichkeit bietet, soziale und politische Experimente jenseit der kapitalistischen Gesellschaft zu versuchen.
(2) Ein Raum der Begegnung und Zusammenkunft für die Vielfalt der verschiedensten sozialen und politischen Kämpfe, mit der Möglichkeit des Austauschs und der Vernetzung der verschiedensten Widerstandsstrategien, Netze und Perspektiven.
(3) Ein Raum der Diskussion und Weiterentwicklung in dem auch "strittige" Themen zur Sprache kommen, die sonst oft genug nur am Rande behandelt werden. Dazu gehören insbesondere Antisemitismus und Antizionismus, aber auch Genderdiskussionen, "Tierrechte" u.v.m.
Als Gruppen und Personen, die sich in dieser Plattform wiederfinden und vernetzen, wollen wir Kräfte bündeln und Widerstandsperspektiven zusammenführen, um zum EU Gipfel 2005 gemeinsam und nachhaltig Proteste und Alternativen zu formulieren und vielfältige Gegenaktionen ins Leben zu rufen - im Rahmen und nach den Grundsätzen dieses Plattformtextes.