Schwarze Katze Rundbrief 17.02.15
Ich weiss nicht, ob es
besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es
besser werden soll.
Georg Christoph Lichtenberg
1.) Porno in Kirche gedreht
2.) 28. März 2015 - kein x-beliebiger Samstag
3.) Schwarze Katze spendet für Schulbücherei
4.) Irgendwie anders
5.) Mirabellenmarmelade
6.) Wir nehmen den I. Weltkrieg als Anlass unsere antimilitaristische Position darzulegen
1.) Porno in Kirche gedreht
Schwarze Katze, 14.07.14
In
einer katholischen Kirche in der Nähe vom österreichischen Linz ist
heimlich ein Porno gedreht worden. Ein gläubiger Christ aus Deutschland
hat diesen Porno Film im Internet angeschaut und ist empört über den
Kirchen Porno-Skandal. Der Christ beklagt sich über "eingeölte nackte
Brüste", "abscheulichste Sexpraktiken" und "wildeste Perversionen", "die
eine Blasphemie darstellen, wie sie Österreich noch nie gesehen hat".
Der Jesusanhänger bot den Medien weitere Infos über den Porno an, "die
jedem anständigen Christen die Zornesröte ins Gesicht treiben". Dabei
zeigt das Video nur eine Frau, die an sich rumspielt.
Die Pfarrei
stellte Anzeige wegen "Unfug" und die Polizei ermittelt. Die Pfarrei
überlegt, wie die Würde des Raumes wieder gereinigt werden kann und
stellt fest, dass alle kirchlichen Handlungen dennoch weiter gültig
sind. Wenn die Kirche bei Kindesmissbrauch durch ihre Pfarrer doch auch
so aktiv wäre, dann wäre den zukünftigen Kirchenopfern geholfen. Ob der
Klerus sich diese Videos auch angesehen hat, um mitreden zu können und
davor zu warnen, ist nicht auszuschliessen.
Schauen sich verklemmte Christen nur Sexseiten und Pornos an, um ihre
Mitchristen davor zu warnen? Oder vielleicht auch aus einem
naheliegenden Grund, nämlich um sich daran zu erfreuen und sündigen Gedanken nachzuhängen? Im Neuen Testament steht eine klare
Handlungsanweisung für gläubige Christen Pornos und sündige Gedanken
betreffend, woran sich längst nicht alle halten: “Wer eine Frau auch nur
lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.”
(Jesus in Matthäus Kapitel 5, Vers 28). Also liebe Christen: Keine
Sexfilmchen mehr ansehen und auch keinen Porno in der Kirche drehen!
Kündigt am besten euren Internetanschluss, da sind die Gefahren
besonders hoch. Dann könnt ihr die Weltmenschen auch nicht mehr mit
scheinheiligen Aufforderungen zu Moral und einem
sündenfreien Leben nerven, was ihr selbst sowieso nicht einhaltet. Erstmal an
sich selbst arbeiten und den eigenen Drecksladen saubermachen. Dann
bleibt keine Zeit mehr für moralische Vorhaltungen.
2.) 28. März 2015 - kein x-beliebiger Samstag
BlockaDo - Gemeinsam gegen Nazis, 12.02.15
Kein Nazi-Aufmarsch am 10. Todestag von Thomas “Schmuddel” Schulz
Am 28. März 2005 erstach der Dormunder Neonazi Sven Kahlin den Punker
Thomas “Schmuddel” Schulz. Zehn Jahre später wollen Neonazis am
Jahrestag in Dortmund aufmarschieren und den Mord mit einem Konzert
feiern. BlockaDO ruft dazu auf, die Nazis zu stoppen.
Kahlin wurde als Jugendlicher zu 7 Jahren
Haft verurteilt; nach seiner vorzeitigen Entlassung 2010 “wegen guter
Sozialprognose” war er sofort wieder in der Nazi-Szene aktiv und verübte
weitere Gewalttaten, für die er erneut verurteilt wurde.
Nicht nur Kahlin, auch andere Dortmunder Neonazis fielen immer wieder
mit Gewalttaten auf: Überfälle auf Politische Gegner*innen, die Kneipe
Hirsch-Q oder Anschläge auf Büros von Parteien, die sich gegen Neonazis
einsetzen: Dortmund blickt auf viele solcher Vorfälle zurück. Nach dem
Verbot des “Nationalen Widerstandes” 2012 und der Gründung der Partei
“Die Rechte” als Ersatzorganisation versuchten die Nazis sich als
rechtspopulistische Partei zu geben. Die Angriffe und Überfälle gingen
zurück, stattdessen versuchten sich die Schläger jetzt im
Lokalwahlkampf.
Nazis lassen Maske fallen
Die Maske der Wahlpartei haben sie 2014 gründlich fallen lassen.
Beginnend mit dem Überfall auf das Rathaus am Abend der Kommunalwahl
steigerten die Nazis ihre Aktivitäten: Sie beteiligten sich an den
Hooligan-Ausschreitungen im Oktober in Köln. Im Dezember verunglimpften
sie Holocaust-Opfer, NSU-Opfer und drohten offen mit Mord. Sie zeigten
Banner mit unverhohlenen Anspielungen auf die NS-Zeit und zündeten einen
Kranz am Mahnmal für die jüdische Gemeinde in Dorstfeld an. Sie
schickten Antifaschist*innen Todesanzeigen und beschmierten Hauswände.
Am 7. Januar zeigten sie offen ihr gewalttätiges Gesicht: Bei einer
Informationsveranstaltung zur Eröffnung einer Notunterkunft für
Geflüchtete griffen sie Antifaschist*innen und Polizeibeamte an. Wenige
Wochen später zogen sie mit Fackeln vor eben dieses Flüchtlingsheim.
Keinen Platz für rechte Gewalt
Die Dortmunder Nazi-Szene plant für den 28.3. eine Demonstration. Die
Nazis wollen von Huckarde nach Dorstfeld marschieren, wo ein
Abschlusskonzert stattfinden soll. Eine Demonstration an diesem Tag hat
selbstverständlich Kalkül. Die Neonazis haben den Mord an Thomas Schulz
schon direkt nach der Tat gefeiert, daran hat sich nichts geändert. Auch
wenn sie sich nicht trauen, dass so offen auszusprechen: Was die
Neonazis am 28. März organisieren ist eine Jubelfeier für einen Mord.
Sie erhoffen sich zusätzlich an diesem Tag Ruhe vor antifaschistischen
Gegenaktionen, die ihnen zuletzt häufiger zugesetzt haben. Wie jedes
Jahr wird eine Demonstration gegen Rechte Gewalt stattfinden, an der
viele Antifaschist*innen teilnehmen werden. Wir werden uns den Nazis
entgegenstellen, andere Antifaschist*innen werden gegen Rechte Gewalt
demonstrieren – gut so! Wir rufen dazu auf, sich an den vielfältigen
Aktionen gegen Neonazis zu beteiligen und erklären uns solidarisch mit
allen Menschen, die sich der rechten Gewalt in Dortmund entgegenstellen.
Wir lassen die Provokation der Neonazis nicht unbeantwortet. Das
BlockaDO-Bündnis plant bunte Aktionen, um den Nazi-Aufmarsch und das
Rechtsrock-Konzert unmöglich zu machen.
3.) Schwarze Katze spendet für
Schulbücherei
Schwarze Katze, 13.11.11
Die Schwarze Katze hat einer Schulbücherei zwei Bananenkisten voll
Kinder- und Jugendbücher gespendet. Die Bibliothek hat ausserdem
Lexika, Literatur- und Sachbücher erhalten. Wenn Schule und Elternhaus
versäumen Bildung von Kindern zu fördern, springt eben die Schwarze
Katze ein.
War recht schwer, eine Schule zu finden, die das annimmt. Schön, dass
wir nach langem Suchen eine Lehrerin gefunden haben, der die Bildung
der Kinder am Herzen liegt und die sich bereit erklärt hat, eine
Schulbücherei zu eröffnen. Die meisten Lehrer sind dagegen zu faul die
Bücher einzuordnen oder wollen nicht, dass die Kinder was anderes lesen
als die bürgerlichen Propagandaschriften Schulbücher.
Obwohl Lehrer ein gutes Gehalt bekommen, weigern sich die meisten
beharrlich eine Schulbücherei zu betreuen. Das läuft nur, wenn dabei
die Hand aufgehalten werden kann. Daher gibt es nur wenige
Schulbüchereien. Viele Lehrer sind damit ausgelastet sich in
Kommunalparlamenten und bürgerlichen Vereinen in Szene zu setzen um in
die Zeitung zu kommen, da bleibt keine Zeit für die Unterstüztung der
selbstbestimmten Bildung von Kindern. Es gibt auch Lehrer, die
Fachidioten sind und ausserhalb ihres eng begrenzten Unterrichtsthemas
über keine Allgemeinbildung verfügen und immer wieder dieselben dummen
Sprüche rausposaunen. Da ist es ganz hilfreich, wenn Schüler über eine
Schulbücherei mal was anderes mitkriegen als staatlich verordnete
Unterrichtsinhalte.
Entgegen bürgerlichen Vorurteilen ist es nicht primäre Aufgabe der
Schule Bildung zu vermitteln. Das Vollstopfen mit grösstenteils
sinnlosem Bla-Bla dient vor allem dazu die Kinder darauf zu
konditionieren im späteren Leben zu machen, was von oben vorgegeben
wird und was keinen Spass macht. Durch das viel zu zeitintensive
Eingebundensein ins Schulsystem inklusive Hausaufgaben und Lernen für
Klassenarbeiten sind die meisten Schüler nur eingeschränkt in der Lage
selbstbestimmt mit ihrer Zeit umzugehen. Daher lesen viele ausserhalb
der Schule auch nichts mehr. So bekommen sie neben dem Leistungsdruck
oft nur bürgerliche Propaganda mit, die durch Schule und Fernsehen
ständig auf sie einrieselt. Da ist es kein Wunder, dass psychische
Krankheiten immer mehr zunehmen. Viele Lehrer sind durch das ständige
Weitertragen und die Verinnerlichung von bürgerlichen Inhalten und
aufgrund Mobbing durch Kollegen und Schulleitungen psychisch
angeknackst. Die oft tablettensüchtigen und lebensuntüchtigen Pädagogen
stellen ihr merkwürdiges Verhalten den Kindern auch noch als
vorbildhaft hin.
Selbstgewählte Bücher eröffnen dagegen neue Welten und schaffen
Interesse sich eigenständig mit verschiedenen Themen zu beschäftigen
und so geistig fitter zu werden. Es ist eine Schande, dass die Etats
von Büchereien zusammengestrichen werden, während Banken
milliardenstarke Rettungspakete aufgedrängt bekommen.
Es gibt kaum Schulbüchereien und Lehrer nehmen den Kindern durch Zwang
und Notengebung den Spass am Lesen und Lernen. Aber auch mit
beschränkten materiellen Mitteln ist es wie beispielsweise mit einer
Bücherspende möglich dem entgegenzusteuern. Die Schwarze Katze wünscht
den Kindern viel Freude mit den Büchern. Es gibt auch ein Leben
ausserhalb von Computerspielen, Schulstress, Hausaufgaben und
Drogenkonsum. Die Welt der Buchstaben hilft dabei, sich neue
Fähigkeiten anzueignen und mehr Allgemeinbildung zu erlangen.
4.) Irgendwie anders
Schwarze Katze Buchbesprechung
Das
blaue Wesen "Irgendwie anders" lebt allein auf einem hohen Berg und
versucht Freunde zu finden. Das klappt nicht, da die anderen ihn und
seine Verhaltensweisen irgendwie anders finden, daher kommt auch der
Name. Irgendwie anders versucht so zu sein wie sie, was auch nicht
funktioniert. Er zieht sich traurig in seine Behausung zurück. Plötzlich
taucht ein anderer Außenseiter in seinem Leben auf. Diesem teilt er mit
barschen Worten mit, nicht genauso irgendwie anders zu sein und schickt
ihn weg. Traurig zieht das orangene Etwas von dannen. Da merkt
Irgendwie anders, dass er genau das getan hat, was die anderen ihm
angetan haben und ruft ihm hinterher "Warte! Geht nicht weg!", läuft
hinterher und greift nach seiner Pfote. So werden die beiden doch noch
Freunde.
Das Bilderbuch handelt davon, dass andere nicht deswegen
ausgegrenzt werden sollten, weil sie irgendwie anders sind. Es ist
wichtig, sich selbst und die anderen zu akzeptieren.
Das liebevoll gestaltete Buch "Irgendwie anders" von Kathryn Cave und
Chris Ridell ist im Verlag Oettinger erschienen. Es hat den UNESCO-Preis
für Kinder- und Jugendliteratur im Dienst der Toleranz erhalten. Das Buch ist für
Kinder, Jugendliche und Erwachsene die sich manchmal alleine fühlen.
Irgendwie sind wir alle irgendwie anders.
5.) Mirabellenmarmelade
Schwarze Katze, 18.08.13
Do it yourself! Die Brotaufstrichkooperative
Schwarze Katze macht Fortschritte. Am 16.08.13 dreht sich alles um
Marmelade. Auf selbstgebackene Kräuter-Brötchen schmeckt
Mirabellenmarmelade mit Stückchen gleich doppelt so gut. Heute ist
nicht alle Tage, es gibt weitere Marmelade, keine Frage. Dann werden
andere Früchte verarbeitet. Statt vieler Worte einige Fotos:
Wenig zusammen gefuttert, der allergrösste Teil ist für Marmelade
reserviert.
5,4 Kilo unverarbeitete Mirabellen.
Nach Entkernen mit Gelierzucker und Zitronensaft 4 Stunden ziehen
lassen.
Vier Minuten unter ständigem Umrühren sprudeln lassen.
In Gläser einfüllen, Deckel drauf und abkühlen lassen. Lecker!
6.) Wir nehmen den I.
Weltkrieg als Anlass unsere antimilitaristische Position darzulegen
Schwarze Katze Interview mit
Organisatoren der Antimilitarismus Kampagne, 03.08.14
Fotos und Interview: Schwarze Katze
Schwarze Katze: – Vom 1.-3. August 2014 findet die Kampagne „Heute wie
vor 100 Jahren – Krieg dem Krieg – Für die soziale Revolution!“ der
Anarchistischen Föderation Rhein-Ruhr, kurz AFRR, statt. Ich spreche
jetzt mit
Martin: Martin.
Tim: Und Tim.
Schwarze Katze: – In Bochum wurden am 1. August 2014 Pappen mit
antimilitaristischen Symbolen in Form von Särgen auf dem Husemannplatz
aufgestellt um für die Kampagne zu werben. Tim, du warst bei der Aktion
dabei.
Tim: Da haben wir uns mit einigen Anarchistinnen und Anarchisten
aus Bochum
zusammengetan, um dem ganzen Shopping-Alltag in der Innenstadt etwas
entgegenzusetzen und daran zu erinnern, was für ein Grauen 100 Jahre
vorher da seinen Lauf genommen hat. Dabei haben wir Flyer verteilt und
sind mit Leuten ins Gespräch gekommen und wollten für die Kampagne
werben.
Schwarze Katze: Und was gab es da für Reaktionen von den Passantinnen
und Passanten?
Tim: Wir waren in dem Shopping-Trott. Das haben wir sicherlich alle
schon erlebt. Allerdings haben wir bemerkt, dass einige Leute sich
schon für das Thema interessieren - auch weil es immer in den Medien
vorkommt. Und da ist eine radikalere Kritik an Krieg und Kriegsgründen
reinzubringen ein wichtiger Schritt, weil es auf einen fruchtbaren
Boden stößt.
Schwarze Katze: Ist es den Menschen aufgefallen, dass die einige dieser
Sprüche auf selbstgebastelten Grabsteinen standen?
Tim: Ja, das war natürlich nicht zu übersehen. Wir wollten zum
Ausdruck bringen, dass in Kriegen immer die Wahrheit, die
Menschlichkeit und auch die Freiheit mit sterben. Das ist aufgefallen.
Schwarze Katze: Ihr habt wegen dieser Aktion Grabsteine in Bochum
aufgestellt. Welche äußere Form hatten diese Grabsteine? Waren das die
üblichen Grabsteine von deutschen Friedhöfen oder waren das Grabsteine
von Soldatenfriedhöfen?
Tim: Es gab die ursprüngliche Idee das Ganze mit Kreuzen zu machen.
Allerdings müssen wir auch darauf achten, wie das Ganze rüberkommt. Ein
Meer von Kreuzen auszulegen ist eine Aktionsform, die von
radikal-christlichen AbtreibungsgegnerInnen benutzt wird. Die
1000 Kreuze Märsche sind glaub ich bekannt. Von daher haben wir, um
deutlich zu machen, dass die Menschlichkeit, die Freiheit und die
Wahrheit immer im Krieg sterben, Grabsteine genommen. Das ist für viele
Leute der erste Anknüpfungsbild oder ein bekanntes Bild, mit dem
sie verknüpfen können, dass das ein Grabstein ist.
Schwarze Katze: Martin war bei der unangemeldeten Kundgebung auf den
Katharinentreppen gegenüber dem Hauptbahnhof Dortmund dabei. Wie lief
das ab?
Martin: Wir wollten am Jahrestag zum Eintritt Deutschlands in den I.
Weltkriegs am 1. August 2014
eine Kundgebung machen, die an einem der zentralsten Orte von Dortmund
darauf hinweist, was vor 100 Jahren passiert ist. Sowas hat sonst
relativ wenig in der Öffentlichkeit stattgefunden. Die Kundgebung war
aus unserer Sicht erfolgreich. Wir haben zwei Redebeiträge gehabt, die
gehalten wurden bevor die Polizei kam und wir die Versammlung aufgelöst
haben.
Schwarze Katze: Worum ging es in den beiden Redebeiträgen?
Martin: In den Redebeiträgen ging es um Antimilitarismus im
Allgemeinen, darüber den geschichtlichen Bezug herzustellen und auf
heutige Kriegsschauplätze hinzuweisen.
Plakat für die "Krieg dem Krieg"-Kampagne auf dem Friedensfest 2014,
Foto: Schwarze Katze, 05.06.14
Schwarze Katze: Dortmund ist landesweit dafür bekannt, dass Nazis den
Antikriegstag für ihre Propaganda missbrauchen. Ist das auch ein Grund
mit für diese Kampagne?
Martin: Definitiv. Es ist in Dortmund umso wichtiger, dass wir die
antimilitaristischen Positionen für uns beziehen und dass wir
nicht einen so wichtigen Tag wie den Antikriegstag an die Nazis
hergeben.
Schwarze Katze: Der Antikriegstag bezieht sich auf den II. Weltkrieg
und nicht auf den I. Das heißt eigentlich nimmt die Kampagne nicht
primär darauf Bezug, sondern auf den I. Weltkrieg und die 100 Jahre
Wiederkehr, oder?
Martin: Ja. Wir nehmen den I. Weltkrieg als Anlass unsere
antimilitaristische Position darzulegen und beider Sachen zu gedenken.
Schwarze Katze: Wie ist es eigentlich zum I. Weltkrieg gekommen?
Tim: Heutzutage ist die These populär, dass der I. Weltkrieg einfach
ausgebrochen ist. Christopher Clark hat in seinem berühmten Buch "Der
Schlafwandler" geschrieben, dass die Mächtigen Europas einfach so in
den Krieg getaumelt sind. Wir sehen das anders. Weil es für uns wichtig
ist, deutlich zu machen, dass Kriege immer Vorbereitung bedürfen und
dass der I. Weltkrieg von vielen politischen Kräften gewollt war und
dass er vorbereitet wurde. Mit Herrschaftsverhältnissen wie
Kapitalismus gibt es immer Gründe dafür, dass Kriege entstehen. Kriege
brechen nicht aus wie ein Vulkan, wie eine Naturgewalt, sondern sind
immer von Menschen und politischen Kräften gewollt.
Schwarze Katze: Die Kirche hat im I. Weltkrieg Waffen gesegnet und
hat für den Sieg beten lassen. Dieses taucht in der Broschüre der AFRR
überhaupt nicht auf.
Tim: Das Thema I. Weltkrieg ist ein unheimlich komplexes Thema.
Theoretisch wär das jetzt ein richtiges Buchprojekt, was wir aufziehen
könnten. Wir wollten uns jetzt darauf konzentrieren, dass wir die
wichtigsten Kriegsgründe und daraus eine eigene antimilitaristische
Position erarbeiten. Natürlich ist die Rolle insbesondere der
Evangelischen Kirche auch mit ein Kriegsgrund gewesen, da
Protestantismus mit Nationalismus und Patriotismus zusammenhängen.
Allerdings haben wir auch gar nicht den Anspruch alle Bereiche des
Themas abzudecken. Für uns war es wichtig, uns die Funktion von Kriegen
anzugucken, wie sie entstehen, wie sie in die Gesellschaft hineinwirken
und deutlich zu machen, warum wir dagegen sind. Es hängt nicht nur mit
Kriegen zusammen, sondern auch mit Staat und Kapitalismus. Diese
Position herauszuarbeiten war für uns wichtiger. Das Thema ist total
umfangreich, deswegen ist das nicht darin vorgekommen.
Schwarze Katze: Hat Staatsgläubigkeit und Unterordnung unter autoritäre
Hierarchien, die Sozialdemokraten
und Kommunisten verbindet, zum Massenmord des 1. Weltkriegs beigetragen?
Tim: Es ist jetzt sicherlich falsch zu sagen, dass jetzt alle
Sozialdemokraten und Kommunisten immer für den Krieg waren. Aber ich
denke, dass gerade das Umfallen der SPD einen sehr wichtigen Beitrag
zum I. Weltkrieg geleistet hat. Staat und Sozialdemokratie sind gute
Freunde geworden und die ganzen Auswirkungen davon können wir heute
noch sehr gut sehen. Ja, natürlich bedingt jedes Mitmachen jedes
Kriegsmaschinerie, jedes Unterordnen unter den Staat eine
Mitschuldigkeit an den Verbrechen dieses Staates und ein Mitwirken
daran, das ist vollkommen klar.
Schwarze Katze: Die Sozialdemokraten hatten sich früher grundsätzlich
gegen imperialistische Kriege ausgesprochen. Wie sah das denn da im I.
Weltkrieg damit aus?
Tim: Dass die Sozialdemokraten, zumindest in großer Mehrheit, den
Kriegskrediten zugestimmt hat, ist bekannt. Das Umschwenken der SPD ist
eine sehr wichtige Sache, wenn man den I. Weltkrieg betrachten will.
Früher galten sie als Hoffnungsträger der Arbeiterbewegung - auch
international gesehen. Weil sie sich im heimischen Klassenkampf bessere
Positionen erwartet hat, hat sie dieser Sache zugestimmt und ist mit
auf Kriegskurs gegangen. Was die herrschenden Eliten und der Kaiser
wollten, nämlich dieses berühmte "Ich kenne keine Parteien mehr,
sondern nur
noch Deutsche", das hat da ziemlich gut geklappt. Und wenn das nicht
auf alle Schichten zutraf, ist die Kriegsbegeisterung im I. Weltkrieg
eine sehr wichtige Warnung. Auch dass die Arbeiterbewegung nicht
vor gefeit war, ist eine Entwicklung, die wir definitiv im Auge
behalten müssen. auch für die Zukunft.
Schwarze Katze: Wie kann denn dafür gesorgt werden, dass künftig
Arbeiter nicht mehr Militarismus, Nationalismus und Kriegstreiberei
gutheißen?
Tim: Es ist wichtig den herrschenden Kräften nicht zu glauben, wenn
es um Krieg geht. Es wird, wenn ein Krieg vorbereitet wird oder wenn
er im Entstehen begriffen ist, unglaublich viel gelogen. Es findet
sich immer ein Kriegsgrund, der nicht Krieg heißt. Sei es, um die
Menschenrechte zu verteidigen, sei es, um sich selbst zu verteidigen.
Erster Schritt ist es, dass wir ganz kritisch sein müssen und erstmal
nichts geglaubt werden darf. Dann muss der Gedanke vorherrschen, dass
wir alle nur Menschen sind und dass wir mit unseren Genossinnen und
Genossen in anderen Ländern viel mehr gemeinsam haben, als mit
Politikerinnen und Politikern in unserem Land und dass da eine
Gemeinsamkeit entstehen muss. Das muss über internationale Kontakte und
über ein Bewusstsein entstehen.
Schwarze Katze: Die von der Sozialdemokratie beeinflussten Arbeiter
haben im 1. Weltkrieg größtenteils
Militarismus, Nationalismus und Kriegstreiberei gutgeheißen. Ebenso
wie die SPD, die den Kriegskrediten zugestimmt hat und später die
Kommunisten,
als diese den Staat übernommen haben. Sind linke Arbeiterparteien ein
Instrument der Befreiung oder der Unterdrückung?
Tim: Wir als Anarchistinnen und Anarchisten haben natürlich eine
deutliche Kritik an Parlamentarismus und Parteien. Für uns ist
Herrschaft und Autorität ein wichtiger Kriegsgrund. Für uns gehört das
miteinander zusammen. Und von daher können wir niemals linke Parteien
als unseren Weg zur Befreiung anerkennen. Natürlich mag es dann gewisse
progressive Effekte geben. Aber um nachhaltig Frieden schaffen
und Kriege verhindern zu können, ist es für uns ganz wichtig jede Form
von Parlamentarismus, jede Form von Herrschaft und jede Form von
Staatsgläubigkeit abzuschaffen.
Schwarze Katze: Jetzt komme ich wieder zu Martin. Du hast dich intensiv
mit anarchistischem Antimilitarismus beschäftigt. Warum gibt es Krieg?
Martin: Es gibt viele Gründe. Wenn man einen Menschen auf der Straße
fragt oder einen Politiker oder einen Geschäftsmann: Jeder wird einem
sagen, dass er einen Krieg erstmal grundsätzlich ablehnt. Aber wenn man
Krieg wirklich ablehnt oder verhindern möchte, muss man sich wohl oder
übel mit
den Gründen, die Kriege immer wieder hervorbringen, auseinandersetzen.
Ein klassisches Prinzip ist natürlich der Kapitalismus, der uns dazu
bringt in einem ewigen Konkurrenzkampf um Vorherrschaft, um
Rohstoffversorgung und weitere Sachen zu kämpfen und der viele
wirtschaftliche Gründe hervorbringt, warum wir Kriege gegeneinander
führen. Auf der anderen Seite sind auch Gründe wie Nationalismus, der
Glaube an eine rassische Überlegenheit - wenn man an das Rassenkonzept
glaubt - Gründe für Kriege. Oder sehr verfahrene Situationen, in denen
Kriege wie bei einem Streit - nur in viel größerem Stil eine Revanche
für eine früher geglaubte Niederlage sind - für ein Trauma oder eine
Demütigung aus einem alten Krieg.
Schwarze Katze: Und was hat Herrschaft
damit zu tun?
Martin: Herrschaft hat immer etwas mit Unterdrückung zu tun. Und immer
wenn Herrschaft ausgeübt wird, gibt es auch jemand, der ohnmächtig ist.
Zum einen lässt sich Herrschaft nur sichern, wenn man Kriege
ausübt, wenn man militaristisch vorgeht. Herrschaft bedeutet auch immer
die Sicherung von Privilegien, die auf irgendeinem vagen Konzept
begründet, einer Person mehr zugesteht als einer anderen. Und wenn
diejenige Person, die weniger Privilegien abkriegt, sich darüber
beschweren möchte, dann ist das Militär da oder der Krieg um die Leute,
die die Herrschaft nach unserer Sicht unrechtens sich angeeignet haben,
die Institution, die diese Privilegien schützt. Und es gibt immer
Leute,
die ohnmächtig sind gegenüber diesem Herrschaftssystem und die deswegen
auch zu Gewalt greifen werden.
Schwarze Katze: Wenn es Personen gibt,
die sich Herrschaft unrechtmäßig aneignen, gibt es dann auch
rechtmäßige Herrschaft?
Martin: Nein. Aus unserer Sicht ist Herrschaft immer unrechtmäßig.
Aber es gibt immer irgendwelche Konzepte, die von Menschen erdacht
wurden, z.B. der Kapitalismus. Das vergessen wir ja heutzutage. Viele
Menschen sehen den Kapitalismus heutzutage als etwas naturgegebenes an
und in gewisser Weise wird uns das auch in den Schulen vermittelt. Aber
auch der Kapitalismus ist eine Sache, die von Menschen erfunden wurde
und die damals dazu diente Privilegien in den modernen Republiken
rüberzubringen und neu zu legitimieren.
Schwarze Katze: Ist Herrschaft ein
Kriegsgrund?
Martin: Herrschaft macht auf jeden Fall Kriege möglich. Herrschaft,
welche aus unserer Sicht immer illegitim ist, lässt sich nur vor andern
Menschen verteidigen, indem man mit Militär oder anderen gewalttätigen
Institutionen die Menschen davon abhält die Herrschaftsmodelle zu
beseitigen. Insofern werden Kriege geführt, um Herrschaft auszubreiten
und um Herrschaft zu sichern.
Schwarze Katze: Was ist
anarchistischer Antimilitarismus?
Martin: Anarchismus und Antimilitarismus gehören natürlich sehr stark
zusammen weil das Militär oder Militarismus eine der denkbar
hierarchischsten Strukturen
ist, die man sich vorstellen kann. Und der Anarchismus dem natürlich
total zuwider läuft. Emma Goldman hat mal den Anarchismus als einzige
wirkliche Philosophie des Friedens bezeichnet. Man kann sagen wir als
Anarchistinnen und Anarchisten lehnen Militarismus grundsätzlich ab.
Trotzdem beantwortet dies nicht die Gewaltfrage. Auf dem Weg zu einer
besseren Welt und zu einem selbstorganisierten Leben, welches nach den
Regeln der freien Vereinbarung auf Augenhöhe stattfindet, wird es
natürlich auch reaktionäre Kräfte geben. Der Umgang damit ist seit
jeher umstritten. Es gab gerade Ende der 20er, Anfang der 30er auch
eine große Diskussion darüber, wo es auf der einen Seite die Position
gab, dass nach einer Revolution oder im Fall einer Revolution
Anarchistinnen und Anarchisten sich der Kriegsgeräte bemächtigen
sollten, um diese gegen die Konterrevolution zu nutzen. Auf der anderen
Seite gibt es auch Leute, die generell pazifistisch da rangehen. Diese
beiden Strömungen gibt es zu bedenken und da muss letzten Endes jeder
seinen eigenen Weg finden oder feststellen wie weit er diese Wege gehen
möchte. Man kann grundsätzlich sagen, dass wir der
Meinung sind, dass das Ziel der befreiten Gesellschaft und der
gesellschaftlichen Vorstellungen, die wir haben, dass das immer schon
in den Mitteln enthalten sein muss. Das heißt, auch wenn es zu
irgendwelchen Vorgehensweisen kommt, dürften diese nicht militärisch
strukturiert sein und nicht auf Befehlsgehorsam basieren.
Schwarze Katze: Innerhalb der Sozialen
Revolution in Spanien gab es Arbeitermilizen.
Martin: Die Zeit in Spanien in den 30ern ist natürlich ein gutes
Beispiel dafür, dass Gewalt als Widerstand in manchen geschichtlichen
Situationen
leider manchmal unausweichlich ist. Diese Arbeitermilizen waren aber
nicht strukturiert wie ein Militär. Das muss man dabei auf jeden Fall
bedenken. Das waren Milizen, die in kleinen Gruppen sich ihre Kompetenz
bemächtigten, Leute ausgewählt haben und diese nicht einem Gehorsam
unterstellt waren. Also es gab nicht den Gehorsam, wie man ihn aus
militärischen Strukturen kennt.
Schwarze Katze: Was ist wenn heute
autonome Gruppen direkte Aktionen oder militante Aktionen machen?
Martin: Das liegt an den autonomen Gruppen. Das kann man nicht pauschal
beantworten.
Plakat und Broschüre der "Krieg dem Krieg"-Kampagne auf dem Schwarze
Katze Stand auf dem Friedensfest 2014. Foto: Schwarze Katze, 06.06.14
Schwarze Katze: In der
Kampagnen-Broschüre "Heute wie vor 100 Jahren: Krieg dem Krieg! Für
die soziale Revolution!" heißt es: "Die Frage inwieweit Gewalt
gegen Menschen auf dem Weg in eine gewaltfreie herrschaftslose
Gesellschaft legitim sein kann, bleibt bis heute eine zentrale Frage
der anarchistischen Auseinandersetzung." Wie sieht das denn die
Anarchistische Föderation Rhein/Ruhr?
Martin: Also ich muss sagen, dass es dazu in der Anarchistischen
Föderation Rhein/Ruhr keine einheitliche Meinung gibt. Es gibt sehr
unterschiedliche Grenzen der Menschen. Grundsätzlich sind wir alle
nicht überzeugt vom Eigentumsbegriff. Aber wenn es um Gewalt gegen
Menschen geht, haben wir da sehr unterschiedliche Grenzen. Es gibt da
genauso wie in der restlichen anarchistischen Bewegung auf der einen
Seite Menschen, die sich eher der Graswurzelrevolution verbunden fühlen
und andererseits auch Menschen, die offensiv Gewalt auch als ein Mittel
zum Weg sehen.
Schwarze Katze: In der Broschüre kommt
das tendenziell eher so rüber, dass die Graswurzelrevolutions-Sache
tendenziell positiver behandelt wird.
Martin: Ja, diese Kritik haben wir schon mal gehört. Es ist so nicht
beabsichtigt gewesen. Es finden sich tatsächlich beide Positionen
wieder. Man kann definitiv nicht sagen, dass der
Graswurzelrevolutions-Gedanke der verbreitetere ist.
Schwarze Katze: Reden wir mal über
Kriegsgründe oder die Gründe, die Kriege verhindern.
Tim: Wir können niemals der Demokratie in letzter Konsequenz vertrauen.
Weil durch Parlamentarismus immer noch eine sehr entfernte
StellvertreterInnenpolitik durchgeführt wird. Gerade auch der Fakt,
dass Demokratien auch schon Kriege angeführt haben, lässt mich da
zweifeln,
dass wir in einer Demokratie vor Kriegen letzten Endes sicher sind. Es
ist natürlich richtig, dass im I. Weltkrieg keine Demokratie im
Deutschen Reich herrschte, aber der I. Weltkrieg ist das beste Beispiel
dafür, dass Teile einer Bevölkerung kriegsbegeistert sein können. Noch
heute haben wir in diesem Staat Menschen, die Krieg gut finden und
unterstützen und daher kann für uns eine Demokratie keine Versicherung
sein, dass kein Krieg stattfindet.
Schwarze Katze: Kommen Kriege nur vom
Kapitalismus?
Tim. Nein. Wir haben schon gesagt, dass Kriege nicht nur vom
Kapitalismus kommen, sondern auch vom Staat. von
Herrschaftsverhältnissen, aus Nationalismusgründen und aus sonstigen
Herrschafts-, Abhängigkeits-, oder Konkurrenzverhältnissen. Der
Kapitalismus ist sicherlich ein Teil davon, aber letztendlich können in
allen Konkurrenz- und Herrschaftsverhältnissen Kriege entstehen und
sind sie teilweise auch. Gerade die "realsozialistischen" Staaten haben
auch gezeigt, dass das auf keinen Fall Friedensbringer sind. Von daher
muss für uns der Weg zu einer Gesellschaft ohne Krieg nicht nur ohne
Kapitalismus, sondern auch ohne Staat und ohne Herrschaft gegangen
werden.
Schwarze Katze: Die Bundeswehr
versucht im öffentlichen Leben präsenter zu sein und geht in Schulen,
um dort Nachwuchs anzuwerben. Wie beurteilst du das?
Tim: Wir finden, dass das eine sehr problematische Entwicklung ist. Zum
einen, weil es den Gedanken, dass Krieg normal ist, immer weiter in die
Gesellschaft hineinträgt. Wir kriegen durch Medien und
Bundeswehr-Werbung sowieso schon immer das Bild und gerade bei Kindern
und Jugendlichen damit anzufangen halten wir für unglaublich perfide
und für eine sehr bedrohliche Entwicklung. Gerade junge Menschen
indoktrinieren zu wollen, ist sehr manipulativ und für uns muss
Bundeswehr aus den Schulen raus. Allerdings nicht nur aus den Schulen,
auch an den Universitäten, Arbeitsämtern, in Form von Plakaten,
Straßenwerbung, Radiowerbung. Die Bundeswehr versucht im ganzen
öffentlichen Leben mithilfe einer Werbeoffensive vorzugehen, die wir
sehr kritisch
und problematisch sehen, weil es den Gedanken von Krieg und
Militarismus weiter in die Gesellschaft trägt, aber gleichzeitig der
Bundeswehr ein sehr harmloses Image geben soll. Sie können selbst über
das Bild entscheiden, was sie an die Öffentlichkeit vermitteln und von
daher ist es für uns ganz wichtig, dem ein anderes Bild
entgegenzusetzen.
Schwarze Katze: Wenn es Proteste gegen
öffentliche Gelöbnisse Werbeaktionen der Bundeswehr, z.B. einen
sicheren Job zu versprechen gibt, sind diese Aktionen zu unterstützen?
Tim: Natürlich sind jegliche Aktionen gegen die Bundeswehr im
öffentlichen Raum erstmal zu unterstützen. Es gilt da zu
differenzieren, wer da aus welchen Gründen dagegen protestiert. Z.B.
fahren Nazis auch Kampagnen gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr.
Allerdings sehen wir uns mit den meisten Protesten, die heute
auftreten, in
einem gewissen Konsens, den wir mitgehen können. Für uns ist wichtig,
unsere Kritik deutlich zu machen. die sich beispielsweise von
kommunistischen Gruppen deutlich abgrenzt. Allerdings sind diese
Proteste in den meisten Fällen eine gute Sache.
Schwarze Katze: Was gibt es denn an
konkreter Kritik an der Bundeswehr?
Tim: Die Bundeswehr ist halt ein Militär. Sie ist damit ein zentrales
Organ des Staates. Sie könnte im Zweifelsfall eine wichtige Stütze des
Staates sein. Militär ist immer streng hierarchisch. Militär ist immer
nationalistisch orientiert, hat immer eine sehr klare patriarchale und
sexistische Struktur. Und eigentlich ist eine Armee immer, auch wenn
sie sich
so harmlos gibt, wie die Bundeswehr heutzutage im öffentlichen
Bewusstsein tut, eine Institution, die unseren Vorstellungen einer
freien Gesellschaft am meisten widerspricht.
Schwarze Katze: Die Bundeswehr hat in
der Jugendzeitschrift Bravo versucht Jugendliche mit coolen Sprüchen
für sie anzuwerben.
Tim: Das ist eine sehr problematische Entwicklung in zweierlei
Hinsicht. Zum einen, dass Kinder und Jugendliche angesprochen werden.
Zum anderen, dass ein harmloses, cooles Image der Bundeswehr
rüberkommt. Darauf sind sie angewiesen, weil es keine Wehrpflicht mehr
gibt. Aber das sind Sachen, die eigentlich nicht passieren dürfen und
wo es eine ganz starke Stimme gegen braucht. Es zeigen die Vorfälle in
Afghanistan, wo Soldaten mit Totenschädeln rumgespielt haben, dann
Foltervorwürfe unter Rekruten in Kasernen, die es gab, immer wieder
rechtsradikale Einzelfälle, Werbung unter Jugendlichen, dass sie
gezielt angesprochen werden und teilweise schon mit 17 unterschreiben
sollen - das sind Gründe dafür, warum die Bundeswehr abzulehnen ist,
warum sie Sachen machen, die unserem Verständnis deutlich
entgegenstehen und warum sie nur ein Militär sind, wie jedes andere
auch.
Schwarze Katze: Der Umbau einer
Wehrpflichtigen-Armee zu einer Berufsarmee führt zu einer
Umstrukturierung der Bundeswehr. In Zukunft soll es kleinere mobile
Einheiten der Bundeswehr geben, die weltweit für die Rohstoffinteressen
kämpfen und sterben.
Tim: Diese Veränderungen in der Bundeswehr kommen daher, dass es eine
Veränderung von Kriegen weltweit gibt und eine veränderte Art von
Kriegsführung. Gerade der I. Weltkrieg ist ein klassisches Beispiel
dafür, dass große Armeen von Nachbarländern übereinander herfallen.
Heute sieht der Krieg ganz anders aus. Er wird mobiler, er findet weit
entfernt vom eigenen Land statt. Für uns ist das kein Grund nicht mehr
gegen den Krieg zu sein. Es hilft sehr, diese Bedrohungskulisse sehr
nach innen aufzubauen, die mit einem Krieg immer einhergeht. Mit Krieg
geht immer einher, dass es eine Militarisierung nach innen gibt.
Schwarze Katze: Was haben die
Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte, kurz RSU-Kräfte, für
eine Aufgabe?
Tim: Die erste Aufgabe, die auf dem Papier steht und die immer
vorangetrieben wird, ist der sogenannte Heimatschutz. Es geht darum,
dass im Kriegs-, oder Verteidigungsfall im eigenen Land Einheiten
bereitstehen, die Kasernen oder sogenannte kritische Infrastruktur
bewachen können. Allerdings ist es ganz wichtig da einen zweiten Blick
drauf zu werfen. Weil diese Kräfte für den Einsatz im Inneren
konzipiert sind, muss uns deutlich Sorge bereiten. weil es schwammige
Begriffe gibt, z.B. was kritische Infrastruktur sein soll und wann es
sie zu bewachen gilt. Zum Teil haben wir da noch recht strenge
gesetzliche Vorgaben, aber bei den Auslandseinsätzen sieht man ganz
deutlich, wie diese Vorgaben immer weiter aufgeweicht werden. Eine
weitere sehr problematische Aufgabe von den RSU-Kräften ist die
zivil-militärische Zusammenarbeit zu stärken. Die RSU-Kräfte sind
bewusst regionale Sicherungs- und Unterstützungskräfte, sind in den
Bundesländern aufgestellt und sollen da die Verbindung zum örtlichen
Katastrophenschutz stärken und die Bundeswehr weiter in der
Gesellschaft verankern. Das ist wegen der Militarisierung, die damit
einhergeht, eine sehr problematische Entwicklung. Auch wenn die
RSU-Kräfte auf den ersten Blick ganz harmlos wirken, sind sie eine sehr
bedrohliche Aufstellung. Gerade weil auch Regelungen für den Einsatz im
Inland immer weiter gelockert werden und weil dadurch, dass Kräfte im
Inland aufgestellt werden, wir uns auch immer fragen müssen, wann diese
gegen Soziale Bewegungen eingesetzt werden. Ein Testfall war sicherlich
der Einsatz in Heiligendamm, wo dann Flugzeuge der Bundeswehr über die
Camps geflogen sind. Das ist eine bedrohliche Entwicklung, die wir ganz
genau im Auge behalten müssen.
Schwarze Katze: Wie sieht der Einsatz
der Bundeswehr im Inneren aus?
Tim: Theoretisch haben wir noch recht strenge Vorgaben, was den Einsatz
im Inneren angeht. Zumindest, wenn es um den militärischen Einsatz
geht. Die "heldenhaften" Fluthelfer, die sogenannten, sind schon Alltag
geworden und bestimmen in diesem Land das Image der Bundeswehr. Im
Rahmen von Amtshilfe kann es durchaus vorkommen, dass die Bundeswehr
die Polizei unterstützt, eben genanntes Beispiel von Heiligendamm, war
sicherlich ein Testlauf. Die zunehmende Ausrichtung der Bundeswehr,
dass sie solche Aufgaben im Inland z.B. mit diesen RSU-Kräften
übernehmen kann, bereitet uns ganz eindeutig Sorge.
Schwarze Katze: Die
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen kündigt eine
familienfreundliche Bundeswehr an. Was ist davon zu halten?
Tim: Es passt sehr gut in das Bild der Bundeswehr hinein, dass die
Bundeswehr von sich vermittelt, um harmlos zu wirken. Und dass Frau von
der Leyen Verteidigungsministerin ist, ist sicherlich kein
ungeschickter Schachzug auf diesem Weg. Wir stehen natürlich der
Bundeswehr in jeder Form entgegen und daher ist für uns Töten und
Familie nicht vereinbar. Es ist schon fast etwas lächerliches, wenn es
nicht so traurig wär.
Schwarze Katze: Ursula von der Leyen
kümmert sich auch noch um Drohnen.
Tim. Ja, das ist sicherlich eine interessante Sache, wie das
weitergeht. Gerade weil auch Drohnen nur sehr schwer unter die
Parlamentskontrolle fallen können. Natürlich ist für uns die
Parlamentsarmee nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber es ist noch
eine kleine Einschränkung, die die Bundeswehr so hat. Gerade bei
Drohnen fällt das weg, weil angeblich schnelle Entscheidungen getroffen
werden müssen, ähnlich wie bei den Spezialkräften. Frau von der Leyen
gilt heutzutage als das harmlose Gesicht der deutschen
Kriegsmaschinerie oder des Verteidigungsministeriums. Das ist eine
Entwicklung, die mit von Guttenberg ihren Anfang genommen hat, dafür
dass der aus unerfindlichen Gründen so populär war und das geht nun mit
Frau von der Leyen deutlich weiter. Sie war vorher Familienministerin
und gilt dadurch nicht als Kriegstreiberin, obwohl das sachlich nicht
richtig ist.
Büchertisch bei der Krieg dem Krieg Kampagne in Dortmund. Foto:
Schwarze Katze, 03.08.14
Schwarze Katze: Ich komm jetzt wieder zu Martin. Welche Folgen hat die
Antimilitarismus-Kampagne für die Struktur gehabt?
Martin: Für die Struktur hat die Kampagne eine sehr wertvolle Funktion
eingenommen weil wir ein spezifisches Thema hatten, an dem wir uns
inhaltlich sehr stark auseinandergesetzt und uns auch über gemeinsame
und ungleiche Positionen ausgetauscht haben. Das Produkt davon
ist diese Broschüre, die wir veröffentlicht haben. Des weiteren sind
dadurch viele Menschen in Kontakt gekommen und haben über die Arbeit
und die Planung an der Kampagne Verbindung aufgebaut und sind näher
miteinander bekannt geworden und das festigt die Struktur natürlich.
Schwarze Katze: Zurück zur Kampagne.
Neben der Kundgebung und den Vorbereitungen zur Broschüre gab es einige
Vorträge. Welche denn?
Martin: Also es gab vier Vorträge. Der erste war am Samstag Abend. Da
gab es einen Vortrag vom Institut für Syndikalismusforschung aus Bremen
zur unbekannten Internationalen. Da ging es um das Gedenken der
Arbeiterbewegung, die im I. Weltkrieg gekämpft und einen aussichtslosen
Kampf gegen den Krieg und gegen ihre Rolle beim Krieg geführt haben. Am
Sonntag gab es dann weitere Vorträge. Zum Beispiel über den
Kriegsausbruch und die Situation 1914 in Dortmund. Und
es gab einen Vortrag darüber, wie Kriegskritik heutzutage aussehen
muss. Es gab auch eine Lesung, in der Texte bezüglich des I. Weltkriegs
gelesen wurden mit anderen Perspektiven auf den Krieg.
Schwarze Katze: Was gab es denn zu
essen?
Martin: Es gab veganes Essen, es gab vegane Steaks, vegane Würstchen
aus Tofu und Seitan. Es gab Krautsalat, Kuskussalat und Brote. Es gab
für alle was.
Schwarze Katze: Was gibt es für
Handlungsperspektiven für anarchistischen Antimilitarismus?
Martin: Der Handlungsraum ist da sehr weit. Einmal kann man auf
ideologischer Ebene die Legitimität von Staat, Nation
und Kapitalismus angreifen, das ist sicherlich eine Sache, die immer
dabei sein muss.
Auf der anderen Seite können wir aber auch durch direkte Aktionen die
Bundeswehr stören oder die Rüstungsindustrie angreifen. Da kann man
spezielle Konzerne benennen, die natürlich Adressen haben. Unser Ziel
mit der Kampagne ist es auch an der öffentlichen Debatte teilzunehmen,
die rund um die Debatte zum I. Weltkrieg gesellschaftlich geführt wird.
Unser Beitrag dazu ist unsere eigene Stellungnahme in Form einer
Broschüre.
Auf lange Sicht ist es unser Ziel ein gesellschaftliches System
auszuhandeln, bei dem wir auf Augenhöhe und nach den Prinzipien der
Freien Vereinbarung das System von Macht und Ohnmacht überwinden und in
einer gleichberechtigten Gesellschaft leben können.
Schwarze Katze: Da ist ja noch einiges
zu tun.
Martin: Ja, leider.