Restrisiko - Zeitung aus der Anti-Atom-Bewegung # 14, gegen Spende (Preis für grössere Mengen zum Verteilen auf Anfrage) Inhalt:
- Interview: Kritische Polizisten gegen Castor
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Tipps: Orientierung in Philippsburg inkl. Karte, Blockadevorbereitung
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Beladepannen: Die Schlamperei hört nicht auf!
- Profit contra Leben
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Kleines Blockade-ABC - Notgebremste Züge: Atomausstieg - alles
Lüge
Vorbemerkung Mitten im Sommerloch platzte in der BRD eine mediale Bombe: der Innenminister von Bayern, Günther Beckstein (CSU), forderte das Verbot der rechtsextremistischen NPD. Was mancheR zunächst für einen Teil der offen proklamierten Strategie der CSU, das rechte WählerInnenspektrum zurückzugewinnen, halten konnte, fand in der Medienlandschaft und schließlich auch quer durch alle Parteien seinen Widerhall. Vorbehalte waren dabei selten politischer oder strategischer Natur, sondern nährten sich eher aus der Angst vor Misserfolg und einer daraus folgenden Stärkung der NPD. Inzwischen steuert die Forderung nach einem Verbot der NPD ihrem zwischenzeitigen Höhepunkt entgegen: Bundesinnenminister Schily und mehrere seiner Kollegen aus den Ländern haben sich deutlich dafür ausgesprochen, und nach Lage der Dinge stehen einem entsprechenden Beschluss in Bundesrat, Bundestag und Kabinett weder die Grünen noch relevante Teile der CDU/CSU entgegen.
I. StiefelfaschistInnen und "ganz normale BürgerInnen" Die Debatte über das Verbot der NPD hat die mediale Aufmerksamkeit auch auf das "Phänomen" Rechtsextremismus (vorwiegend bei Jugendlichen) insgesamt gelenkt. Dies ist zunächst ein kleiner Erfolg, haben doch antifaschistische Initiativen und Gruppen jahrelang ungehört auf die steigende rechtsextremistische Gewalt hingewiesen. Dabei wird allerdings die Diskussion um die Gefahr von rechts auf einige gewaltbereite Schläger und (seit Jahren in der linken Szene einschlägig bekannte) rechte Musik-Label und Internetseiten verkürzt. Dem sich in offener Gewalt äußernden Rechtsextremismus wird dabei zwar -zumindest verbal - entgegengetreten, aber dass dabei auch manchmal die Formel der "Wahrung des staatlichen Gewaltmonopols" fällt, ist symptomatisch. Rechtsextremismus wird in dieser Perspektive nicht als gesellschaftliches, sondern als ordnungspolitisches Problem begriffen. Dass viele Jugendliche rechtsextreme Einstellungen vertreten, die oftmals den vorhandene gesellschaftlichen Konsens darstellen, wird dabei ausgeblendet und taucht höchstens am Rande mal auf. In der medialen Berichterstattung über den Kampf gegen Rechts wird die MEGA (Mobile Einsatzkräfte gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit o.s.ä.) zu einer Ordnungskraft in Brandenburg hochstilisiert. Dass das den von der rechten Szene bedrohten Personen gruppen (z.B. Obdachlose, MigrantInnen, linke Jugendliche, Menschen mit Behinderungen) auf dem Land so gut wie gar nichts hilft, taucht dabei gar nicht erst auf. Erst recht übersehen wird, dass rechtsextreme Jugendliche in manchen Regionen schon fast den Rang einer Ordnungsmacht haben. Verprügeln brauchen sie dazu (fast) niemanden mehr, und wo nicht geprügelt wird, ist auch keine Fernsehkamera. II. Die scheinheilige Debatte um die NPD In der Diskussion um das NPD-Verbot wird ein freiheitlich-demokratisches "Wir" dem bösen, rechtsextremen "die" entgegengestellt. Die Rechtsextremen erscheinen als gefährliche Randgruppe, gegen die die anständigen DemokratInnen sich mit autoritären Mitteln zur Wehr setzen müßten. Und alle, die die Verbotsforderung unterstützen, dürfen beim "Aufstand der Anständigen" (G. Schröder) mitmachen, egal wie rassistisch und autoritätsfixiert sie eigentlcih selbst sind. Forderungen nach Verbot der NPD oder Einschränkung der Versammlungsfreiheit sind an sich autoritär, ebenso, wie die meisten ihrer BefürworterInnen und der Staat selbst rassistische Politik machen oder einfordern. In der Debatte kann dabei auf ein gängiges Muster zurückgegriffen werden, die Konstruktion von "Wir" und "die". Alles Schlechte, wie die Anschläge auf jüdische Einrichtungen und AusländerInnen, kann dabei dem bösen Feind angelastet werden, mit der eigenen Rolle muß man sich nicht mehr auseinander setzen. Dass die Debatte diesmal die Richtigen trifft, kann mit klammheimlicher Freude zur Kenntnis genommen werden. Ein aufklärerischer Diskurs ist was anderes. Ein wichtiges Schlagwort in der Debatte um die NPD war: die NPD schüre Fremdenhass insbesondere unter sozial marginalisierten Jugendlichen, wogegen die "wehrhaften Demokraten", moderner gesprochen: die Zivilgesellschaft - etwas unternehmen müßte(n).Dass es zu Beginn der 90er die CDU/CSU war, die den Diskurs über die angebliche "Asylantenschwemme" in der BRD im Bundestag anstießen, (latente) RassistInnen in ihren Ressentiments im rassistisch gefärbten Diskurs über die "Organisierte Kriminalität"gestärkt wurden, schließlich Stoiber und Schily mit ihrem Gerede über "nützende" und "ausnützende" AusländerInnen den Rassismus aktuell anheizen, wird dabei verschwiegen. Ja, es kann sogar bei der Frage nach der Quelle für Rassismus und Rechtsextremismus auf NPD und ihr Umfeld verwiesen werden, ohne dabei die eigene Position in Frage stellen zu müssen. Die ökonomische Bedeutung der Debatte um ein NPD-Verbot verstärkt noch ihren scheinheiligen Charakter: Jüngst haben ausländische Reisefirmen bestimmte TouristInnen von dem Besuch einiger Gegenden in Ostdeutschland gewarnt, da ihre Sicherheit dort nicht gewährleistet sei. Und zu Beginn der Rechtsextremismusdebatte schon haben sich WirtschaftsexpertInnen zu Wort gemeldet, dass die ersten Firmen den Wirtschaftsstandort Deutschland meiden. Ein NPD-Verbot, das weiß auch Schröder, könnte die Bilder von Fahnen schwenkenden Neonazis in ausländischen Medien verdrängen und Deutschland wieder sicherer und attraktiver für entsprechende UnternehmerInnen machen. Das Interesse gilt dem Opfer Standort und nicht den wahren Opfern rassistischer Gewalt. Hauptsache, der Schein wird gewahrt, was hinter dem Vorhang passiert, ist egal.
III. Ein Verbot der NPD löst die Probleme nicht Sicherlich würde ein Verbot der NPD nur kurzfristig für eine Schwächung rechtextremistischer Strukturen in der BRD sorgen. Auch wenn es mit der NPD sicherlich nicht die falsche Partei träfe, ist die Frage, ob sich für eine kurzfristige Schwächung der ganze Aufwand lohnt, - angesichts der Tatsache, dass die NPD im Zuge der Verbotsdiskussion einen Zuwachs an Mitgliedern erlebt. Die extreme Rechte in der BRD ist inzwischen einigermaßen verbotserfahren. Schon mehrere rechtsextreme Organisationen sind in den 90ern verboten worden, zuletzt vor wenigen Wochen die deutsche Sektion des internationalen Nazinetzwerks "Blood & Honour". Immer gelang es der "Bewegung" jedoch, sich wieder relativ schnell zu stabilisieren und neu zu formieren. Es ist sicherlich richtig, dass die NPD unter ihren Fittichen auch ausgewiesenen Schlägerbanden wie "Freien Kameradschaften" ein Forum und eine Infrastruktur geboten hat. Wer da zu wem ein instrumentelles Verhältnis hat, muß hier nicht interessieren. Jedenfalls kommen diese "Freien Kameradschaften" u.ä. Gruppen inzwischen wohl auch ganz gut ohne die NPD aus. Ein Verbot der NPD wäre nicht in der Lage, die hier entstandenen oder stabilisierten Netzwerke zu zerschlagen und ihre Arbeit zum Erliegen zu bringen. Wogegen ein Verbot der NPD erst recht nichts nutzen würde, ist der faschistische Mob auf dem Land und immer mehr auch in den Städten. Dieser Mob ist entweder in gar keinen organisierten Zusammenhängen oder eher schon an eben jene "Freien Kameradschaften" angebunden. Hiergegen hilft allein die weitreichende Stärkung alternativer Kulturangebote und antirassistischer und antifaschistischer Initiativen. IV. Für einen politischen Kampf gegen Rechtsextremismus Genauso wie durch die Verbotsdiskussion das Problem Rechtsextremismus auf die NPD verkürzt wird, wird die Auseinandersetzung mit rechtsextremen Ansichten damit entpolitisiert. Wenn nur noch darüber debattiert wird, ob?s denn nun für ein Verbot reicht oder nicht, braucht mensch sich mit den Inhalten dieser Partei nicht mehr auseinander setzen. Aber nur eine Debatte, die dem Leitbild der unantastbaren Würde aller Menschen folgt, wäre in der Lage, ein anderes gesellschaftliches Bewusstsein zu schaffen. Die beste Waffe gegen Rassismus und Antisemitismus sind immer noch die besseren Argumente und die offene Ächtung diskriminierenden Denkens und Handelns. Der politische Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus muß sich also auch gegen den gesellschaftlichen Konsens und staatlichen Rassismus wenden. Eine Antifa-Demonstration am 07.10. in Berlin hat da eine Richtung gezeigt: ihre Stationen waren die NPD-Zentrale und der Abschiebeknast Grünau. Dem rassistischen Konsens entgegentreten! Für die Rücknahme aller rassistischen Politik und der Sondergesetzgebung für sog. AusländerInnen! Für die Stärkung antifaschistischer und antirassistischer Initiativen und Gruppen! Solidarität mit allen Opfern rechter Gewalt!