SPD hetzt gegen Antifas

Die SPD Anti-Antifa (direkte aktion # 124, Nov./Dez. 97)
Polizeiwillkür statt Grundrecht (direkte aktion # 124, Nov./Dez. 97)

Die SPD Anti-Antifa (aus: direkte aktion # 124, Nov./Dez. 97)

JUGENDZENTREN FÜR DIE NAZIS ­
STASILAGER FÜR DIE ANTIFASCHISTiNNEN

Am Samstag, dem 11.Oktober sollte in Saalfeld/Thürigen eine Demonstration gegen rechte Gewalt stattfinden. Schon im Vorfeld wurde klar, daß eine solche antifaschistische Demonstration für die örtlichen Behörden ein größeres Problem darstellt als die gewalttätige Naziszene. Dementsprechend wurde die Demonstration verboten. Da aber anzunehmen war, daß viele AntifaschistInnen sich trotzdem die Freiheit zu nehmen würden, ihre antifaschistische Haltung öffentlich zu demonstrieren, nahmen das die Behörden zum Anlaß, in Saalfeld und Umgebung Bullenstaat zu spielen.

Die willkürlichen Verhaftungen begannen am Abend des Vortages. Der Tag der Demo selbst begann für die BewohnerInnen eines ?linken“ Hauses in Saalfeld früh morgens mit der Erstürmung ihres Hauses durch das Erfurter SEK. Während deren Vorgänger früher ihre Opfer mit dem Gebrüll ?Aufmachen, Geheime Staatspolizei“ weckten, versuchten sie diesmal, die Haustür aufzusprengen, was ihnen aber nicht gelang. Deshalb schnitten sie die Scharniere mit einem Schweißbrenner ab. Anscheinend waren sie sich nicht über die Funktionsweise der Klingel klar. Nachdem sie also die Eingangstür aufgebrochen hatten, stießen sie weiter ins Haus vor, wobei sie allerhand Sachschäden an Türen, Wänden usw. anrichteten. Es wurden alle, die sich im Haus befanden, festgenommen, wobei Leute getreten und persönliche Unterlagen mitgenommen wurden.

Die Begründung für diese Aktion war das Übliche: Im Haus befänden sich gewaltbereite Linksextremisten, die gefährliche Sachen vorhätten, bla, fasel, schwätz. Die für diese Gefährlichkeit gefundenen Beweise waren allerdings recht mager: ein Küchenmesser, ein Reizgasspray, 1,5 g Haschisch und drei Handys von ebenfalls im Haus festgenommenen Journalisten.
Wesentlich ergiebiger war eine Hausdurchsuchung in einer Kneipe in dem in der Nähe liegenden Heilsberg. Dort wurden nicht nur 56 Nazis festgenommen, sondern auch das größte Waffenlager seit langem in dieser Gegend gefunden, hauptsächlich Hieb- und Stichwaffen. Dabei meinte der Bullenchef Kick vorher, daß ihm die ?sog. Rechten weniger Sorgen“ bereiteten.

Den ganzen Tag über herrschte in Saalfeld Ausnahmezustand. Es war unmöglich, sich in der Stadt frei zu bewegen. Die regionale Presse berichtete, daß ein Autohändler, der ein neues Modell mit Bier und Würstchen präsentieren wollte, entnervt aufgab, weil niemand kam. Am Bahnhof wurden alle auch nur entfernt ?links“ aussehenden Menschen verhaftet. In der Presse wurde von einer ahnungslosen Frau berichtet, die den Fehler machte, in Saalfeld aus dem Zug zu steigen, um Freunde zu besuchen. Alle Beteuerungen, nichts mit der geplanten Demo zu tun zu haben, halfen ihr nichts: Sie wurde verhaftet, halb entkleidet vor einer gaffenden Menge durchsucht und schließlich wie alle anderen Festgenommenen auch in den eigentlich stillgelegten Ex-Stasi-Knast nach Unterwellenborn gebracht.

Dort herrschten haarsträubende Zustände. Es gab keine Heizung, kaum sanitäre Anlagen, die Zellen waren überfällt, wegen zu wenigen Sitzgelegenheiten mußten viele stehen und die Verpflegung war miserabel und kam viel zu spät. Das schlimmste aber war, zumindest für die antifaschistischen Gefangenen, das ?freiheitlich-demokratische“ Verhalten der Bullen: wenn die Gefangenen auf die Klos geführt wurden, mußten sie unter Fenstern von Zellen entlang, in denen die festgenommenen Nazis saßen. Diese pöbelten nicht nur übelst rum, sondern schütteten auch Suppe auf die gefangenen AntifaschistInnen. Die Bullen stoppten das nicht, sondern stachelten die Nazis noch weiter dazu auf. Einer Mutter eines Gefangenen, die sich vor dem Knast bei den Bullen über Nazis beschwerte, die den Hitlergruß zeigten, wurde entgegnet, das sei normal, die Nazis grüßten sich nur. Dann hoben die Beamten selbst den rechten Arm. Es wurde auch berichtet, daß sich Nazis und Bullen im Knast mit Hitlergruß grüßten. Daneben gab es das Übliche: rüde Behandlung, alle möglichen Schikanen (z.B. wurden Frauen ihre Tampons weggenommen) und ein beleidigender Ton.

Thüringens Innenminister Dewes (SPD) hatte zuvor angekündigt, daß keiner der ?amtsbekannten Autonomen“ auch nur in den Freistaat Thüringen hinein käme. Wir wissen nicht, wer mit diesem großmäuligen Spruch gemeint war, gute Demos gab es trotzdem, z.B. in Erfurt, wo sich mehrere kleine Demos schließlich zu einer mit etwa 500 TeilnehmerInnen vereinigten. Die Stimmung auf dieser Demo war sehr gut und kämpferisch und die Bevölkerung zeigte sich teilweise sehr interessiert. Die Bullen hatten einigen Respekt (wohl, weil sie total in der Unterzahl waren; die meisten Bullen waren ja gerade in Saalfeld) und ließen die Demo in Ruhe. Außerdem gab es noch Demos in Gera, Jena und Leipzig, dort sollen es auch 500 Leute gewesen sein.

Die aufsehenerregendste Demo dieses Tages fand aber auf der Autobahn A9 bei Droyaig/Eisenberg statt, wo ein Konvoi aus (hauptsächlich) Berliner Bussen an einer Bullenkontrolle halten mußte. Die über 300 Leute sprangen aus den Bussen und demonstrierten spontan gegen das Demoverbot. Die A9 wurde für mehrere Stunden voll gesperrt. Die Bullen nutzten die stattfindenden Verhandlungen, um Zeit zu gewinnen und Verstärkung herbeizuholen. Die Demo wurde am Abend komplett verhaftet und ebenfalls in den Knast nach Unterwellenborn gebracht, der mit den bis dahin 80 Gefangenen schon überbelegt war. Wie die Zustände danach waren läßt sich nur erahnen. Während die anderen Gefangenen zumeist im Verlauf des Samstagabend wieder freigelassen wurden, wurden die meisten Gefangenen von der Autobahn am Sonntagabend vom BGS per Zug nach Berlin gebracht und dem dortigen BGS übergeben. Auf dem Berliner Bahnhof hatten sich viele FreundInnen und UnterstützerInnen der Gefangenen versammelt, sodaß diese nach kurzen Verhandlungen freigelassen wurden.

Insgesamt war es sicherlich ein Erfolg der AntifaschistInnen, an diesem Tag trotz der Verbote in Thüringen einige Demos durchgeführt zu haben. Sehr bedenklich stimmt aber der an diesem Tag wieder einmal deutlich gewordene rechte Konsens in dieser Gesellschaft, der von der Sympathie der Bullen für Nazis (es gibt übrigens keine Berichte über Bullen, die sich über rechtes Verhalten ihrer Kollegen beklagt hätten) über Teile der lokalen Presse bis zur SPD-Landesregierung reicht. Sie alle haben versucht, die rechte Gewalt herunterzuspielen, indem sie nur von ?linken Randalierern“, ?geplanten Chaostagen“ u.“. faselten. Tatsächlich haben aber die Faschos seit der Vereinigung über 200 Menschen ermordet, was diese sauberen ?freiheitlich-demokratischen“ Herrschaften aber nicht weiter zu stören scheint, weil es ja fast nur Menschen traf, die nicht schweinedeutsch aussahen.

Die thüringische SPD sollte vielleicht mal darüber nachdenken, wer die KZs errichtet hat, in denen von 1933 bis 1945 auch ihre Mitglieder ermordet wurden. Aber spätestens seit Noske verbünden sich die Sozis lieber mit ihren späteren Mördern, um die linke Opposition zu unterdrücken. [ j,bn ]


Saalfeld: Das Ende des Demonstrationsrechts in Thüringen?
direkte aktion # 124, Nov./Dez. 97

Polizeiwillkür statt Grundrecht

Ähnlich wie vorher im sächsischen Wurzen haben sich in den benachbarten thüringischen Städten Saalfeld und Rudolstadt feste rechtsextreme Strukturen herausgebildet, wobei auch hier NPD und JN am Wirken sind.

Während es in Wurzen 1996 möglich war, eine große antifaschistische Demonstration durchzuführen, wurde dies in Saalfeld vereitelt. Der CDU-Landrat ließ die Demo verbieten und bekam auch vor dem Verwaltungsgericht in Gera sogenanntes Recht. Im Vorfeld sorgten sich KommunalpolitikerInnen um das Ansehen Saalfelds, Polizeichef Kick sah die Gefahr vornehmlich von links und richtete seine Vorkehrungen entsprechend aus. In der OTZ (Ostthüringer Zeitung) erschienen diffamierende Artikel über den Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Antifaschismus/Antirassismus, Angelo Lucifero. Lucifero ist stellvertretender Vorsitzender der DGB-Gewerkschaft HBV in Thüringen. Daher sind im Aufruf neben den "konventionellen“ Antifas viele DGB-Strukturen und auch welche von anderen gemäßigten Organisationen, wie PDS und B’90/Grüne zu finden. Das vom SPD-Minister Dewes geführte Innenministerium entschied sich in dieser Situation, dem Hamburger Law-and-Order-Kamikaze hinterher zu starten. Im Fernsehen wurde angekündigt, daß man in Thüringen keine "Chaostage“ zulassen werde. 7000 PolizistInnen aus mehreren Bundesländern wurden zusammengezogen. Vier Schulen und eine Turnhalle wurden für Notgefängnisse requiriert.

In den mitkriminalisierten Gewerkschaften regte sich Empörung und die mitgliederschwache SPD verlor wichtige Leute. Die CDU hatte mit ihrer mehr als zehn Jahre alten Methode, den Sack zu prügeln, um den Esel zu treffen, triumphiert.

Knast und Polizeiwillkür

Der Umfang der Polizeimaßnahmen läßt sich an der Odysee einer Altenburger Gruppe beschreiben, die vorhatte, nach Erfurt zu einer Ersatzdemo zu fahren.
Diese Gruppe stieg in Gößnitz in einen Zug nach Gera ein. In Gera Süd stiegen viele Polizisten zu und im Hauptbahnhof von Gera wurden die Fahrgäste mit Kabelbindern gefesselt und unter Vorwurf einer Sachbeschädigung abgeführt. Im Gebäude der Polizei wurde dann ein realer Polizeiwitz gezeigt: Die Gefangenen sollten in einem großen, quadratischen Vorraum von den Fesseln befreit werden. Dazu wurde Licht benötigt. An zwei Seiten des Raumes befand sich je eine Reihe Lichtschalter. Wahrscheinlich waren es Wechselschalter, denn an beiden Seiten schalteten Polizisten, und die Lampe, die der eine einschaltete, schaltete der andere wieder aus. Es wurde wild geschaltet und irgendwann einigte man sich, mit einer Leuchte, die in einer Ecke leuchtete, zufrieden zu sein.

Eine ganz besondere Behandlung

Nach dem Entfesseln ging es in die Aufnahme. Den Gefangenen wurden Uhren, Schnürsenkel, Fahnen, Schlüssel und andere Gegenstände abgenommen. Nach etwa einer Stunde wurde den Leuten mitgeteilt, daß man sie nach Saalfeld bringen würde. Diese neuartige Taktik löste Verwunderung aus. Dann wurden echte Stahl-Achten, made in USA, angelegt und in Wannen mit fensterlosen Kabinen ging es ab, wobei die schon vorher nach Geschlechtern getrennte Gruppe weiter zerstreut wurde.

Die DDR lebt im Knast weiter

Ein Rest kam in einer Industriewildnis an einem vergitterten Gebäude an. Dieses konnte keine Schule und auch keine Turnhalle sein. Drin war es kalt. Die Heizung arbeitete nicht. Informationen über die Uhrzeit flossen nur spärlich. Nach einigen Stunden, als es längst dunkel war, mußten sich die Gefangenen im Gang aufstellen, bis die Aufnahme durchgeführt war.

Bei dieser Gelegenheit ließ sich feststellen, daß man sich in Unterwellenborn befand, einem stillgelegten DDR-Knast. Nach der Aufnahme ging es in einen Zuführungsraum, eine große Zelle, die mit ca. 50 Personen besetzt war. Matratzen und Decken gab es nur für einen Teil der Leute. Im Zuführungsraum gab es nach etwa zehn Stunden Gefangenschaft ein erstes Essen. Dieses reichte nicht für alle und war zudem ungenießbar. Jemand übergab sich. Kurz nach 0 Uhr gab es Kuchen, Brot und Äpfel. Dann wurden Leute aufgerufen. Die wegblieben, waren freigelassen worden, die wiederkamen, waren verhört und ED-behandelt worden. Bei den Freilassungen kamen typischerweise zuerst die Nazis dran. Bei der erkennungsdienstlichen Behandlung wurde die alte DDR-Technik verwendet. Überhaupt wirkte das Gefängnis wie ein Museum.

Ab 4 Uhr kamen dann auch die Altenburger frei. Sie wurden einfach in die Einöde entlassen. Hätte nicht die Antifa Saalfeld ein Shuttle organisiert, wäre eine schwierige Situation entstanden. Länger festgehalten wurden Gefangene, bei denen man kleine Mengen Haschisch gefunden hatte. Dazu muß man wissen, daß sich die Thüringer Polizei gern in der Presse für Schläge gegen die Drogenkriminalität in der Presse feiern läßt und dabei eine beschlagnahmte Blubber mit Teerrand vorweist.

Am Morgen des 11.10. hatte bereits eine USK-Einheit das alternative Jugendwohnprojekt in Saalfeld gestürmt. Legitimiert wurde das mit vermutetem Drogen- und Sprengstoffbesitz, wobei aber nichts dergleichen gefunden wurde.

Aus Protest gegen das Vorgehen des Staates kam es in Leipzig, Erfurt, Jena und auf der A9 zu Protestaktionen, die teilweise zu erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen führten.

[karneades]