Wie jedes Jahr findet vom 1. bis 3. Februar in München die "Konferenz für Sicherheitspolitik" statt. Angekündigt haben sich dazu 30 Außen- und Kriegsminister der NATO- und EU-Staaten, deren Generalsekretäre von NATO und EU, eine Delegation von Kongressabgeordneten und Senatoren aus den USA, sowie eine Reihe von hochkarätigen Militärstrategen, Generälen und Rüstungsexperten. Außerdem werden Delegationen aus Russland und China erwartet, was jedoch nichts daran ändert, dass diese Konferenz inhaltlich und politisch von EU und NATO bestimmt wird. Offizielle Organisatorin der Sicherheitskonferenz ist die BMW - eigene "Herbert Quandt-Stiftung". |
Seit über zehn Jahren feilen die Militärs an neuen strategischen Konzepten, in denen der Bundeswehreinsatz für wirtschaftliche Zwecke vorgesehen ist und die Notwendigkeit stetig wachsender Militäreinsätze, weit entfernt von Europa, begründet wird. Die Absicht, die Bundeswehr in die Lage zu versetzen, pro Jahr zwei größere "Kriegseinsätze" wie im Kosovo durchzuführen bedeutet nichts anderes, als den Kriegsfall zum Normalzustand zu machen. Die Umstrukturierung der Bundeswehr ist ein Element der militärischen Umgestaltung Europas und zielt darauf ab, die Handlungsfähigkeit Europas als globalen Akteur zu verwirklichen. Deutschland ist federführend in diesem Umgestaltungsprozess. Das Streben nach wirtschaftlicher, politischer und demnächst auch militärischer Macht ist eindeutig eingebettet in einen europäischen Prozess, sowohl des Zusammenwachsens als auch einer Ausdehnung gen Osten. |
Die äußeren und inneren Kriege der sogenannten "zivilsierten Welt" werden ideologisch flankiert von einem Sicherheitsdiskurs, der jedes Verbrechen der Herrschenden als Abwehrmaßnahme gegen monströse Feinde erscheinen läßt, die von außen die Sicherheit der MetropolenbewohnerInnen bedrohen. Betrachten wir den Begriff "Sicherheit" einmal anders als aus der Perspektive der Militär- und Polizeistrategen, so stellen wir uns die Frage, welche Sicherheit der herrschende Normalzustand den Menschen wirklich bietet: Welche Sicherheit bietet dieses System einer bolivianischen Kleinbäuerin, die aufgrund der neuesten IWF-Strukturanpassungsmaßnahme die überteuerten Brot- und Brennstoffpreise nicht mehr bezahlen kann? Was heißt Sicherheit für eine Arbeiterin, die ihr Überleben nur durch einen 16-Stundentag in einer philippinischen Textil-Weltmarktfabrik sichern kann? |
"Nach Angaben eines US-Special Forces Soldaten sind letzten Sonntag in einem Kriegsgefangenenlager der Nordallianz unweit der nordafghanischen Stadt Mazar-i-Sharif "Hunderte" von Taliban-Kämpfern einem weiteren Massaker zum Opfer gefallen. Diesmal wurden die Gefangenen mehrheitlich jedoch nicht von den Kämpfern der Nordallianz massakriert, sondern durch US-Luftangriffe auf das Lager in einem alten afghanischen Fort." (Rainer Rupp, www.bundeswehrabschaffen.de) |
Die USA führen derzeit einen Angriffskrieg gegen Afghanistan, möglicherweise bereiten sie auch einen Angriffskrieg gegen weitere Länder vor. Sie tun dies mit Zustimmung der NATO und der G8-Staaten im Rahmen der üblichen imperialistischen Arbeitsteilung; dass die europäischen Regierungen einen Stil des "nachdenklich Bombardieren" bevorzugen, heißt nicht, dass es hier irgendwelche Differenzen gäbe. Dieser Angriffskrieg ist ein verbrecherischer Akt, und er liegt mitnichten im Interesse der westlichen Bevölkerungen. Das Entsetzen über die Anschläge des 11.September kann nichts daran ändern, dass Terror weder mit Gegenterror noch mit Krieg zu beantworten ist. Die Rhetorik, die Anschläge seien eine Kriegserklärung gewesen, soll gezielt von der Fragwürdigkeit von Vergeltungsschlägen ablenken. Es gibt bislang kein Verfahren, keine der Öffentlichkeit vorgelegten Beweise, keinen darauf gestützten Auslieferungsantrag; dass die Taliban-Regierung Osama bin Laden nicht in vorauseilendem Gehorsam "einfach so"; ausgeliefert hat, gilt als ausreichender Grund für einen Krieg gegen Afghanistan. Dass die militärischen Aktionen der Ergreifung Bin Ladens gelten sollten, ist seit den immer massiveren Bombardements als Lüge offensichtlich: Kriegsziel ist das Auswechseln der afghanischen Regierung. Die Opferzahlen des westlichen Angriffskrieges werden die Zahl der Toten in New York und Washington um ein Vielfaches überschreiten. |
Die Anschläge des 11. September wurden als Angriff auf die "Zivilisation" bezeichnet; George Bush forderte sofort den Kreuzzug gegen das ‚Böse'. Parallel dazu: überall in der westlichen Welt Gedenkminuten, Mahnwachen und Trauer, nicht zuletzt organisiert durch die mediale Aufbereitung der Anschläge. Durch die Konstruktion der westlichen Welt als "Zivilisation" wird eine Zweiteilung von Menschen aufgebaut: Menschen aus dem arabischen Raum werden so per se als "barbarisch", böse definiert. Hinter diesem "Gedenkterror" steckt eine im Kern rassistische Logik: Menschen aus westlichen Industrienationen sind wertvoll; Menschen in Afghanistan, Menschen in der "Dritten Welt" sind wertlos. Eine Zweiteilung, die funktioniert: Tag für Tag sterben weit mehr als 30.000 Menschen in der "Dritten Welt" aus Folge der Politik der Industrienationen - sei es aus Armut oder staatlichem Terror. Ihr Leid und die dortige Gewalt werden in Nebensätzen abgehandelt, während alle Welt trauert, wenn US-AmerikanerInnen sterben. Über terroristische Anschläge empört mensch sich, während es ganz normal ist, wenn Staaten in den Krieg ziehen und dabei ganze Landstriche zerbombt werden. |
Seit dem 7. Oktober Krieg. Die Zahl der Opfer liegt nach Angaben der Initiative "Bundeswehr abschaffen" bei über 4.000 Toten. Eigentlich hätte schon unmittelbar nach Beginn der Luftangriffe klar sein müssen, wer von der militärischen Intervention betroffen sein würde: die Zivilbevölkerung Afghanistans - die Opfer der Taliban. Am 9. Oktober werden bei den Angriffen vier zivile UN-Mitarbeiter in Kabul, die mit Aufgaben der Minenräumung befasst waren, getötet. Am 16. und 26. Oktober werden Warenlager des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) von US-Flugzeugen mit 1000-Pfund-Bomben bombradiert. Bei schwersten Flächenbombardements auf Kabul, Kandahar und Herat werden immer wieder Wohnhäuser, Schulen und Krankenhäuser getroffen, die teilweise meilenweit von Taliban-Stützpunkten entfernt liegen. Unter den Toten sind auch zahlreiche JournalistInnen. Durch die ständigen Bombardierungen ist es Hilfsorganisationen nicht möglich, den Hunger der Menschen wirklich zu bekämpfen; die abgeworfenen Hilfspakete werden daher von ihnen als zynische Propaganda eingestuft. Und immer wieder Randnotizen über Plünderungen, Massenhinrichtungen - welches Verständnis von ‚Zivilisation' hier vorherrscht, sollte zu denken geben. Krieg gegen Terror ist Terror. |