Demokratie? Und wie!
Schwarze Katze Stellungnahme zum Krieg in Afghanistan
März 02

"Nur durch eine Demokratisierung Afghanistans lässt sich ein andauernder Frieden erreichen. Die unterschiedlichen Gruppierungen in Afghanistan lassen sich nur durch die Etablierung einer stabilen Demokratie zu einer Einigung auf friedlichem Wege bewegen. Um dem Vorschub zu leisten, wird angedacht, UNO-Friedenstruppen nach dem Krieg zu stationieren, die die Entwicklung beobachten sollen", schallte es letztlich aus den Boxen des Radios. Und damit war alles gesagt........?

Es ist schon erstaunlich, mit welchen neuartigen, progressiven Konzepten die "zivilisierte Welt" den "Barbaren", in diesem Fall Afghanistan und Verbündete, Frieden bringen will. Mal von der Unsinnigkeit abgesehen, ein ganzes Land in Schutt und Asche zu legen, um es nachher unter Berücksichtigung "humanitärer Grundsätze" wieder aufzubauen, wundert es nicht, dass noch während die Gewehre auf beiden Seiten rauchen, an eine mögliche "demokratische Zukunft" Afghanistans gedacht wird. Unglaublich scheint auch der Versuch, verfeindete Parteien durch Demokratie zu versöhnen. Frage ist nur, was besser ist: eine "westlich-zivilisierte, parlamentarische Demokratie" oder, wie bisher, eine religiös-fundamentalistische Militärdiktatur seitens der Taliban???

Fakt ist aber, dass Vereinte Nationen und NATO nicht darum bemüht sind, den dortigen Menschen alle erdenkliche Hilfe zu offerieren, sondern eher alles daran setzen, Afghanistan so schnell wie möglich auf den "rechten Weg" zu führen. "Bedauernswert" scheint dabei nur der "leider notwendige" Militäreinsatz zu sein. Und so nimmt die bürgerliche Doppelmoral erneut ihren Lauf.

Klar ist, dass ein Regime, wie das von den Taliban etablierte, bekämpft werden muss; doch sind Bomben für die Bösen und Fresspakete (ein kleines Trostpflaster für die zerbombten Häuser) für die Zivilbevölkerung wirklich der richtige Weg?? Weltweit legitimiert wird dieser Einsatz durch Worthülsen wie "Terror gegen die zivilisierte Welt" oder "Uneingeschränkte Solidarität" und alle versammeln sich unter "ihren" Flaggen, um sich "solidarisch zu zeigen". Interessant ist, dass nun auch Argumente für den Militäreinsatz angeführt werden, die Menschenrechtsgruppen schon seit Jahren öffentlich machen wollen, wie z.B. die Lage der aghanischen Frauen oder das Schicksal der Oppositionellen (öffentliche Hinrichtungen, ...). Und die Welt, gerade von ihrem unbegrenztem Mitgefühl erholt, atmet wieder auf beim Anblick der US-Spezialeinheiten, die mal so richtig mit den Barbaren aufräumt. Und n-tv ist live dabei. Vielen Dank!

Es ist nicht alles Gold, was glänzt
Wagen wir einen Blick hinter die Kulissen: es sieht so aus, dass die "Nationen der zivilisierten Welt" mehr und mehr in nationalen Größenwahn verfallen. Es wird sogar explizit davon gesprochen sich "unter der Flagge" zu versammeln, um Zusammenhalt und Grösse in Zeiten der Krise zu demonstrieren. Beispiel: Freiwillige Hilfsgruppen ziehen in New York mit der amerikanischen Flagge voran zur Einsturzstelle des World Trade Centers, als ob es sich um eine Parade des Vaterlandstolzes wäre (was es auch ist). Da verkommen wichtige Eigenschaften wie gegenseitige Hilfe, Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft zur bloßen Farce des nationalistischen Wahnsinns. Die Leute helfen, nicht weil es Menschen sind, die da unter den Trümmern ersticken, sondern weil es AmerikanerInnen sind. Das Thema "Innere Sicherheit" kommt wieder frisch auf den Tisch und Herr Schily bastelt am "Sicherheitspaket Nr.XY". Hier wird massiv im Namen der Demokratie und der "zivilisierten Welt" der Abbau von Grundrechten proklamiert und praktiziert. Hier werden Grenzen dichter gemacht als sie ohnehin schon sind. Genetische Fingerabdrücke, holographische, fälschungssichere Passfotos, Rasterfahndung für "ausländische" StudentInnen, Einschränkung der Religionsfreiheit sind in den letzten Tagen keine Fremdworte mehr.

Die Angst vor innerem Sicherheitswahn und äusserem Ultranationalismus findet ihre Bestätigung in der bitteren Realität. Doch das Tolle ist: alle finden es spitze. Kein Wunder, denn durch die ständige Eintrichterung, dass "unser" Land überfremdet wird, dass jedeR AusländerIn einE potenzielleR GewalttäterIn ist und "fremd" an sich gefährlich ist, lässt sich so eine massive Repressionswelle auf vermeintlichem Konsens bauen. Was den/die kleinbürgerlicheN DeutscheN nicht direkt angeht, interessiert einen Scheissdreck. Was hat das jetzt alles mit der anstehenden Demokratisierung Afghanistans zu tun? Was anscheinend so fern ist, ist doch so nah. Der Krieg bzw. die Anschläge des 11. Septembers 2001 werden als Legitimationsbasis für die hierzulande stattfindende "Innere Sicherheitswelle" instrumentalisiert, damit der/die freundliche NachbarIn von nebenan schon morgen der von allen Geheimdiensten gesuchteste Attentäter ist.

Der NATO ist nicht an Frieden gelegen, nein, ganz im Gegenteil: hier stehen deutlich neoliberale, westliche Profitinteressen im Vordergrund, die es unter Beihilfe des Krieges durchzusetzen gilt. Ein Wunder, dass die US-Spezialeinheiten nicht formeleinsfahrermässig über und über mit Konzernsymbolen beklebt sind. Konzerne, die nur darauf warten, sich dort niederzulassen, wo noch vor kurzem ein ganzes ZivilistInnendorf ausgeräuchert wurde. Ja, das schafft nun wirklich nur unser lange bewährtes System. Ich möchte behaupten, dass sich hinter der Fassade des Krieges gegen den "international agierenden Terrorismus", ganz klar der Gedanke verbirgt, ein bisher an westlichen Maßstäben gemessen unterentwickeltes Land "weltwirtschaftsfähig" zu machen. Hinzu kommt der Fakt, dass, nachdem sich der Staub gelegt haben wird, Afghanistan aus der Medienlandschaft verschwinden wird, genauso schnell, wie es aufgetaucht ist. Und alles wird seinen gewohnten Gang nehmen...

Das bittere Ende
Und wieder ist ein Krieg unter deutscher Beteiligung (Fuchs-Panzer zum Aufspüren von ABC-Waffen) ins Land gezogen und kaum eineN störtīs. Die Menschen werden systematisch für dumm verkauft, indem ihnen gezielt Informationen vorenthalten bzw. gegeben werden, die sie in die Irre führen. Wir sehen böse, vermummte Taliban-Krieger, Bilder von Bin Laden, wie er den "Heiligen Krieg" gegen die westliche, christliche Welt verkündet, kontrastiert mit den Bildern internationaler Streitkräfte, denen von der afghanischen Bevölkerung zugejubelt wird, die als "Erlöser" gefeiert werden. So entsteht ein Bild des Krieges, das darauf ausgerichtet ist, eine Legitimationsbasis in den Köpfen der Menschen zu schaffen und wieder wird Unrecht zu Recht konstruiert. Mal ganz davon abgesehen, dass neben Kapitalinteressen auch die Reproduktion des eigenen standardisierten Status Quo im Vordergrund steht. Krieg ist eben doch die Weiterführung der "freien Marktwirtschaft" auf einer anderen Ebene.

Gegen diesen Krieg lassen sich libertäre Gegenpositionen entwickeln, die es zu formulieren und zu veröffentlichen gilt. Dieser Krieg wird niemals Frieden für die Menschen in Afghanistan schaffen. Die einzigen Menschen, die jeweils in der Lage sind etwas zu verändern, sind die in den Konflikt involvierten Menschen, die von unten selbstorganisiert ohne Bonzen und Militärs ein friedliches Miteinander anstreben sollten. Gerade deswegen ist es wichtiger denn je antimilitaristische Positionen zu beziehen und zu vertreten, damit dieser kriegerische Wahnsinn endlich ein Ende nimmt.

Schwarze Katze, Postfach 41 20, 58664 Hemer, http://schwarze.katze.dk