Anarchie - Der Traum einer herrschaftsfreien Gesellschaft am Beispiel Michail Bakunins im 19. Jahrhundert

 

Inhaltsverzeichnis


1. Intro

Im Folgenden möchte ich mich mit der Thematik des Anarchismus befassen. Um diese an einem Beispiel zu veranschaulichen, wählte ich einen seiner berühmten Vertreter aus, nämlich Michail Alexandrowitsch Bakunin. Sein Leben sollte jedoch nicht als das eines "anarchistischen Prototypen" gesehen werden, denn so etwas gibt es nicht. Es kann aber dabei behilflich sein, den Weg eines Menschen besser zu verstehen, der versuchte, sich von all dem ihm Umgebenen zu lösen, um etwas Neues zu schaffen, eine Alternative zum Bestehenden. Um jedoch sein Wirken und Handeln im Ganzen zu verstehen, ist es notwendig zuerst einen kleinen historischen Exkurs in das 19. Jahrhundert nach Russland zu unternehmen, wo Bakunin geboren wurde. Es wird mir sowohl um die Darstellung Bakunins als auch um die der Idee einer herrschaftsfreien Gesellschaft gehen, die sich schon vor Jahrhunderten in den Köpfen der Menschen manifestierte, im Anarchismus aber ihren deutlichsten Ausdruck bis heute fand. Eines meiner Anliegen wird es sein der/dem Leserin/Leser diese Idee am Beispiel des Lebens Bakunins zumindest schwerpunktmäßig näher zu bringen, denn um die gesamte Vielfalt, die der Anarchismus umfasst, darzustellen, würde es Bände von Büchern brauchen. Kein Wunder, denn es geht letztendlich um das Leben, besser gesagt um ein freies Leben, und das ist nun mal vielfältig und facettenreich.

Der Anarchismus selbst ist keine starre Ideologie, kein dogmatisches Gedankengerüst oder gar Politik mit Anzug und Parteibuch. Gerade deswegen haben sich über die Jahre verschiedenste Richtungen ausgebildet, die zwar in der Form und Schwerpunktsetzung differieren, aber deren Inhalt ein und dasselbe ist: eine herrschaftsfreie Gesellschaft, in der freie, selbstbestimmte Individuen leben. Die Form dieses sozialen Zusammenlebens ist total wandelbar, denn es sind letztendlich die handelnden, verantwortungsbewussten Menschen, die diese neue Gesellschaft ausmachen und aktiv an ihrem Wandel beteiligt sind. Bakunins Werk, seine Schriften und Taten werden im Vordergrund stehen, nichtsdestotrotz werde ich gegen Ende versuchen, noch einmal einen persönlichen Ansatz nachzuzeichnen und eine Wertung vornehmen, inwiefern diese Idee nur ein illusorisches Hirngespinst oder doch gelebte Utopie ist. Hierzu werde ich auch kurz auf ein politisches Ereignis des 20. Jahrhunderts eingehen, zumindest dort, wo der Anarchismus praktische Anwendung fand und immer noch findet. Vielleicht wird es mir möglich sein durch diese Facharbeit einen kleinen Eindruck davon zu vermitteln, warum die Idee einer herrschaftsfreien Gesellschaft so faszinierend ist, so dass es immer noch Menschen gibt, die dieser Vorstellung ihr Leben widmen.
  Im Zuge dessen werde ich mich in dieser Arbeit einer emanzipatorischen Rechtschreibung befleißigen, da die heutige viel zu patriarchal durchtränkt ist und ich sie deswegen nicht für wertfrei und angemessen erachte. So bitte ich um Verständnis, wenn ich in meinen Ausführungen statt des üblichen "man", ein emanzipatorisches "mensch" verwende oder aber, wo sowohl weibliche als auch männliche Menschen gemeint sind, eine Form wie z. B. "FreundInnen" mit großem "I" benutze, um nicht nur Männer anzusprechen, selbst wenn es sonst im "normalen" Sprachgebrauch üblich scheint. Mit diesen Hinweisen schließe ich diese Einleitung, um mich dem Leben Bakunins hinzuwenden.


2. Anarchie? Eine Sache der Definition? Eine kurze Gegenüberstellung

2.1 Ein kleiner Auszug an Lexikondefinitionen Anarchie (grch.) die, Gesetzlosigkeit

Anarchismus, eine politische Ideologie, die die Beseitigung des Staates sowie jeder Zwangsordnung und die unbeschränkte Freiheit des Einzelnen und freigebildeter Gruppen erstrebt. Der individualistische Anarchismus fordert unbeschränktes Privateigentum und ist meist Gegner der Gewaltanwendung (Godwin, Proudhon); für Gewalt war Stirner. Der kollektivistisch-kommunistische Anarchismus tritt für Kollektiveigentum (Bakunin, Kropotkin) und für Attentate und Sabotage ein. Im 20. Jahrhundert entstand, besonders in Frankreich, Italien, Spanien, der Anarchosyndikalismus.

Anarchie
  [zu griechisch ánarchos »führerlos«] die, Herrschaftslosigkeit, Gesetzlosigkeit.

Anarchie. Zustand der Herrschaftslosigkeit, der Aufhebung aller rechtlichen, politischen, staatlichen Ordnung. Als Folge eines Krieges oder einer Revolution tritt die Anarchie ein, wenn die Macht der Obrigkeit zusammengebrochen ist. Meist erfolgt sehr schnell die Überwindung durch Aufbau eines neuen Herrschaftssystems. Ein historisches Beispiel für einen lang anhaltenden anarchischen Zustand ist das Deutschland des Dreißigjährigen Krieges, 1618-1648.

2.2 Der Begriff Anarchie aus anarchistischer Sicht

Der Begriff "Anarchie"

"Das Wort Anarchie ist so alt wie die abendländische Zivilisation. Seit es Herrschaft gibt, gibt es auch Ideen herrschaftsfreien Lebens, und seit den alten Griechen ist uns das Wort anarchia überliefert. Es bedeutet "keine Herrschaft", also die Abwesenheit von Macht und Hierarchie. Ein provokantes Wort, das in den Köpfen der Menschen augenblicklich schlimme Visionen erzeugt: Chaos, Unordnung, Verwilderung, Zerstörung. So ist die Bedeutung des Wortes heute weitgehend auf die Ängste reduziert, die den Normalbürger bei dieser Vorstellung befallen; sein eigentlicher Wortsinn ging dabei komplett verloren. Was blieb, waren griffige "Übersetzungen" wie "Gesetzlosigkeit", "Zügellosigkeit", "Chaos". [...].

Es geht jedoch um mehr als nur um Unwissenheit oder Ungenauigkeit. Seit Jahrhunderten wird im offiziösen Sprachgebrauch dieser negative Begriff von Anarchie verwendet; seit dem 19. Jahrhundert in der offensichtlichen Absicht, den Anarchismus als Philosophie oder politische Bewegung zu diskreditieren. Aus diesem Grunde haben ganze Generationen von Politikern und Literaten, Kommunisten und Adligen, Pfarrern und Hausdamen diesen Begriff von Anarchie verbreitet. [...].

Selbst in seriösen Nachschlagewerken wie dem Duden wird Anarchie vorzugsweise und durchaus falsch mit "Gesetzlosigkeit" oder "Chaos im politischen Sinn" übersetzt. In der Duden-Redaktion aber sitzen gebildete Leute, die auch Liebe nicht mit Sünde übersetzen. Es handelt sich also nicht um irgendwelche unterschwelligen Ängste, sondern darum, wie subtil Sprache zur Meinungsmache benutzt werden kann. Die Formel Anarchie = Gesetzlosigkeit ist ja nicht bloß sprachlich falsch und inhaltlich schief, sie soll beim Leser etwas bewirken. Die Vorstellung nämlich, dass bei einer Verwirklichung anarchistischer Ideen die Gesellschaft zwangsweise ins Chaos stürzen müsste, und das umgekehrt Herrschaft die einzig denkbare Form der Ordnung sei. Das aber ist Meinung, Spekulation, vielleicht Manipulation - mit einer korrekten Worterklärung hat es jedenfalls nichts zu tun."


3. Michail Alexandrowitsch Bakunin - das bewegte Leben eines russischen Revolutionärs

3.1 Die ersten Jahre

Michail Bakunins Vater Aleksandr Michajlowitsch Bakunin war mit neun Jahren ins Ausland geschickt worden, hatte in Padua promoviert und in Paris 1789 dem Ausbruch der Französischen Revolution beigewohnt. Er war ein aufgeklärter Adliger und Patriarch des Familiengutes Premuchino mit ca. 500 Leibeigenen. Durch den regen Austausch mit anderen gebildeten und intellektuellen Menschen dieser Zeit, die von Zeit zu Zeit das Landgut, welches im Gouvernement Twer nordwestlich von Moskau gelegen war, besuchten, erlangte die Familie ein hohes kulturelles als auch geistiges Niveau, was sich positiv auf die Atmosphäre, in der die 11 Kinder aus der Ehe mit Varvara Aleksandrovna Murav´eva aufwuchsen, auswirkte.

Bakunins Vater war bereits Teil einer oppositionellen Geheimgesellschaft und schaffte früh die Leibeigenschaft auf seinem Gut ab. Als drittes Kind nach zwei Töchtern kommt Michail Alexandrowitsch am 30. Mai 1814 zur Welt, wo er, privilegiert und behütet, in der ländlichen Idylle Premuchinos eine glückliche Kindheit verlebt. Abgeschottet von der russischen Realität, die maßgeblich vom Despotismus und der Sklaverei der Leibeigenen geprägt war, entwickelt er recht schnell Interesse für Musik, Mathematik und Philosophie. Auch Abenteuer- und Reiselust waren ihm eigen. Bakunins Vater, in den Dekabristenaufstand des Jahres 1825 verwickelt, setzt plötzlich auf unbedingte Loyalität gegenüber dem Zaren Nikolai und schickt im Dezember 1828 seinen Sohn als Kadett zum Offizierskorps der Petersburger Artillerieschule. Aufgrund der Diskrepanz zwischen seinem bisherigen Lebenswandel und dem Leben auf der Artillerieschule beginnt Bakunin den stumpfen Drill des Militärs zu verabscheuen.

1833 wird er zum Offizier ernannt und aufgrund der Vernachlässigung seiner militärischen Pflichten 1834 nach Litauen strafversetzt. Dort widmet er sich, vom trostlosen Provinzdienst angeödet, fremdsprachiger wissenschaftlicher Literatur und knüpft erste Kontakte zur Philosophie. Das Jahr 1835 kennzeichnet das Ende der Bakuninschen Militärlaufbahn, doch über dessen Gründe scheiden sich die Geister. Horst Stowasser beruft sich auf Quellen, die besagen, dass Bakunin selbst 1835 den Militärdienst quittiert habe, um bei seiner Rückkehr auf das Landgut seines Vaters festzustellen, dass die Familie in finanziellen Nöten stecke, woraufhin er beschlossen haben soll, nach Moskau zu gehen, um dort Mathematiklehrer zu werden. Wolfgang Eckhardt hingegen, der bereits eine detaillierte Arbeit "Michail Bakunin (1814 - 1876), Bibliographie der Primär- und Sekundärliteratur in deutscher Sprache" geschrieben hat, ist der Meinung, dass Bakunin, durch einen Auftrag in die Nähe Premuchinos geführt, nicht wieder zu seinem Regiment zurückkehrte und nur knapp, durch die Fürsprache einflussreicher Verwandter, einer Festnahme wegen Desertion entgangen sei.

Auf eigenen Wunsch sei er dann im Dezember 1835 "wegen Krankheit" aus der Armee entlassen worden. Er sei dann der Forderung seines Vaters, wenigstens einen Posten im Staatsdienst einzunehmen, nicht nachgekommen, um 1836 plötzlich das Elternhaus Richtung Moskau zu verlassen, wo er sich notfalls als Mathematiklehrer durchschlagen gewollt habe. Während seines fünfjährigen Moskauaufenthaltes interessiert Bakunin sich zunehmendst für Philosophie. Er verkehrt in den intellektuellen studentischen Kreisen und Salons Moskaus, wodurch er Niokolai V. Stankewitsch trifft und näher kennenlernt, der ihn bereits zuvor in die richtungsweisende , deutsche Philosophie eingeführt hat. Nach dem Studium der Schriften Kants wendet sich Bakunin unter der Führung Stankewitsch nun Fichte zu, und, begeistert von Fichtes romantischem Idealismus, entschließt er sich vier seiner fünf Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten zu übersetzen, die dann im März 1836 in der Zeitschrift Teleskop erschienen. Als nächstes eignet sich Bakunin die Philosophie Hegels an, den er erfolgreich ins Russische übersetzt. 1837, nach der Abreise Stankewitsch ins Ausland, "gilt [Bakunin]bereits als bester Hegelkenner Russlands und als Wortführer des Moskauer Zirkels".

Durch die Bekanntschaft Alexander Herzens lernt er über die Schriften Saint-Simons sozialistisches Gedankengut kennen. Herzen ist es, der ihm klar macht, dass er nirgends wo anders als in Deutschland die vieldiskutierten Philosophen der Zeit studieren könne. So verlässt er im Juli 1840 mit finanzieller Unterstützung Herzens Moskau, um seine Studien in Berlin fortzusetzen und sich auf eine Professur in Moskau vorzubereiten. Bakunins Abreise stellt den endgültigen Bruch mit seiner adligen Herkunft, seiner Familie und seiner Vergangenheit dar.

3.2 Studienjahre und Auseinandersetzungen

Zu Beginn genießt Bakunin die Atmosphäre der preußischen Hauptstadt, die als Zentrum geistiger und kultureller Entwicklung galt: er besucht die dortigen Theateraufführungen, lernt fließend Deutsch, verkehrt in Cafés und politischen Zirkeln, besonders in denen der LinkshegelianerInnen. Zudem beschäftigt er sich mit den Schriften Feuerbachs, die ihn letztendlich zum Atheisten machen. Im Oktober 1840 beginnt er sein Studium an der Berliner Universität und, unter dem Einfluss des Linkshegelianismus, wendet sich Bakunin mehr und mehr politischen Themen zu. Als er des Lebens in Berlin überdrüssig wird, zieht er 1842 nach Dresden. Dort angekommen, gibt er zunächst seine Universitätskarriere in Moskau auf. "Am 9. Oktober 1842 teilt er seinem Bruder Nikolaj mit, er werde nicht mehr nach Russland zurückkehren." Später lernt er den radikalen Linkshegelianer Arnold Ruge , den Herausgeber der Deutschen Jahrbücher, und den revolutionären Dichter Georg Herwegh kennen. Bei Ersterem veröffentlicht er unter dem Pseudonym Jules Elysard seine erste größere Arbeit mit dem Titel "Über die Reaktion in Deutschland", in der er schon einen Vorgriff auf seine gesamte spätere Philosophie liefert. Noch stark vom Sprachduktus und Idealismus des Heglianismus geprägt, schreibt Bakunin voller Enthusiasmus über die "Realisierung der Freiheit", die "auf der Tagesordnung der Geschichte stehe, und zwar als Revolution, die alles umwälzen und erneuern müsse. [...]. Das Traktat schließt mit jenen Sätzen des jungen Radikalen, die wohl am meisten von allen zitiert worden sind: "Laßt uns also dem ewigen Geiste vertrauen, der nur deshalb zerstört und vernichtet, weil er der unergründliche und ewig schaffende Quell alles Lebens ist. - Die Lust der Zerstörung ist zugleich eine schaffende Lust." Bakunin hatte sich endgültig der Revolution verschrieben."

Er teilt sich in Dresden ein Zimmer mit dem Dichter Herwegh, mit dem er gleiche Interessen teilt: Solidarität und Sympathie für die revoltierenden PolInnen, Abneigung gegenüber den deutschen Zuständen. Unterdessen sind die Deutschen Jahrbücher aufgrund Bakunins Aufsatz verboten worden und auch die zaristische Geheimpolizei ist auf ihr "verlorenes Kind" aufmerksam geworden, weswegen er sich mit Herwegh dazu entscheidet in die Schweiz nach Zürich zu reisen. Dort lernt er 1843 den Frühkommunisten und Schneidergesellen Wilhelm Weitling kennen, der Wortführer des kommunistischen "Bund der Gerechten" ist. Er setzt sich mit ihm in einer politischen Artikelserie auseinander, "in der er anerkennt, dass Weitlings Kommunismus "die menschlichsten Forderungen "zugrunde liegen." Diese erscheint anonym in der Zeitung "Schweizer Republikaner". Bakunin schriebt hierin über das frühkommunistische Staatsideal: "Es wäre keine freie Gesellschaft, es wäre keine echte, lebendige Gemeinschaft freier Menschen, sondern durchaus ein Regime von unerträglicher Unterdrückung, eine Herde durch Zwang zusammengehaltener Tiere, die nur die materielle Befriedigung im Auge hätte." Nach der Verhaftung Weitlings wird Bakunin als sein Komplize denunziert, was wiederum die russische Geheimpolizei auf den Plan ruft, die seine Auslieferung nach Russland verlangt. Er verweigert im Juni 1844 seine Rückkehr und wird daraufhin in Abwesenheit verurteilt: zum Verlust seines Adelstitels und aller russischen Bürgerrechte, zudem noch zur Deportation nach Sibirien. Doch Bakunin ist dies egal, er flieht über Brüssel nach Paris. Dort protestiert er als erster russischer Revolutionär im Januar 1845 in der Zeitschrift "La Réforme" gegen den Zarismus und macht in Brüssel die folgenschwere Bekanntschaft des polnischen Revolutionärs und Historikers Ignacy Lelewel. Dieser beeinflusst Bakunin maßgeblich in der Idee der generellen Erhebung der slawischen Völker und einer darauf folgenden demokratischen Bauernrepublik. In seinem Eifer blendet er jedoch den engstirnigen Nationalismus dieser slawophilen Vision aus, etwas, das von Bakunins GegnerInnen später immer wieder Verwendung fand: der Nationalismusvorwurf.

Seine herrschaftsfreien Ideen nehmen immer mehr Form an; so schreibt er seinem Bruder Pavel im März 1845: "Alles die Menschen befreiende, sie zu sich selbst zurückführende, alles, das in ihnen das Prinzip ihres eigenen Lebens, originaler und wirklich unabhängiger Tätigkeit erweckt, alles, das ihnen die Kraft gibt, sie selbst zu sein, - das ist wahr; [...] den Menschen befreien, das ist die einzige legitime und wohltätige Einflussnahme." In Paris lernt er Menschen wie George Sand, Victor Hugo und Lamenais kennen. Vor allem aber macht er Bekanntschaft mit Pierre-Joseph Proudhon, einem zukünftigen Freund, und Karl Marx, "dessen Gelehrsamkeit er bewundert, dessen technokratische Kälte ihn jedoch abstößt." Obwohl die Spaltung in "KommunistInnen" und AnarchistInnen" erst achtzehn Jahre später erfolgen sollte, taten sich bereits große Abgründe zwischen Marx und Bakunin auf. Zunächst waren diese charakterlicher Natur. Ricarda Hauch, eine Bakunin-Biographin, bringt das Ganze auf den Satz: "Dem einen kam es auf Organisation, Gütererzeugung, Betriebe an, dem anderen auf natürliches Menschenleben." Diese beiden Polarisationspunkte sollten KommunistInnen und AnarchistInnen später noch eine Menge Anlass zum Disput bieten. So z. B. schreibt der Staatssozialist Siegfried Schröder in seinem Buch "Bomben, Blut und Bitterkeit" über Bakunin: "Aktion, Aktion, Aktion - das ist seine Devise. Die bis heute zum Exzeß gesteigerte abstrakte Idee, dass es eine Revolution, ja Revolutionen am laufenden Band geben müsse, treibt ihn vorwärts. Für die mühevolle, zähe, unendliche Geduld fordernde Arbeit zur Organisierung des Proletariats, wie sie von Marx, Engels und den anderen ersten Kommunisten betrieben wird, hat er nicht das geringste Verständnis" , auf Bakunins Tatendrang und Spontaneität anspielend.

Auf Einladung polnischer Emigranten in Paris ergibt sich für Bakunin ein neues politisches Wirkungsfeld und er hält am 29. November 1847 zum 17. Jahrestag des polnischen Aufstandes von 1830 seine sogenannte verhängnisvolle "Polen-Rede". Inhalt dieser Rede ist der revolutionäre Zusammenschluss der unter russischer Besatzung lebenden Polen mit den russischen RegimegegnerInnen, um den Zarismus zu besiegen. "Als Ziel sieht er eine freie Föderation aller slawischen Völker. Man hat oft darüber gerätselt, ob Bakunin Panslawist gewesen sei; [...]. Es trifft jedoch nicht den Kern seines Engagements, denn Bakunin glaubte nicht an die Überlegenheit einer slawischen "Rasse", [...]. Im Grunde war Bakunin ein Revolutionär, der stets auf der Suche nach einem revolutionärem Subjekt war, bei dem der Funke seiner Vision zünden könnte" , so Stowasser über den vermeintlichen Nationalismusvorwurf. Die "Polen-Rede" macht Bakunin zwar europaweit bekannt, doch er wird kurz darauf auf Verlangen des russischen Botschafters aus Frankreich ausgewiesen. Das Gerücht geht herum, dass er als agent provocateur im Auftrag des russischen Zaren unterwegs sei. Dies hat zur Folge, dass Marxens Neue Rheinische Zeitung das Gerücht willkommen aufnimmt und sogleich druckt. Im Nachhinein hat es zwar Entschuldigungen und Dementi gegeben, doch es ist später immer wieder gern von Bakunins GegnerInnen aufgegriffen worden. Bakunin geht nach Brüssel, wo er sich allerdings nur zwei Monate aufhält, eine weitere Rede in einer polnischen Versammlung hält, um dann nach Paris pünktlich zur Februarrevolution 1848 zurückzukehren.

3.3 Die 48er Revolutionen und Bakunins weiteres Wirken im Osten

Der König ist gestürzt, Frankreich ist Republik, d.h. Bakunin kann ungehindert einreisen und beteiligt sich sogleich an den Unruhen: er kämpft mit auf den Barrikaden, agitiert die Arbeiter und lässt sich agitieren. Aufgestachelt von diesen Ereignissen will er den revolutionären Funken auch nach Russland und Polen überspringen lassen, wobei ihn die neue Regierung mit Geld und Pässen versorgt. Im März 1848 befindet er sich bereits auf dem Weg nach Polen, wo er sich dem gerade aufgestelltem revolutionärem Bauernheer anschließen will. Er kommt aber nur bis Breslau, wo ihn die Meldung ereilt, dass der polnische Aufstand von preußischen Truppen niedergeschlagen worden sei. Eckhardt berichtet: "Im Juni 1848 beteiligt er sich am Slawenkongreß und dem anschließenden Pfingstaufstand in Prag, der jedoch durch österreichisches Militär niedergeschlagen wird." Bakunin ist gezwungen aus Prag zu fliehen.

Obwohl inzwischen die Februarrevolution in Paris gescheitert ist und Cavignac Tausende von ArbeiterInnen massakrieren lässt, gibt Bakunin nicht auf: von Breslau aus knüpft er Kontakte sowohl in den deutschen als auch slawischen Untergrund, gründet sogar eine "slawische Geheimgesellschaft", über die er den Schmuggel von Waffen und Propagandaschriften wie die von ihm erstellte Broschüre "Aufruf an die Slawen" organisiert. Niemand anders als Brockhaus druckt ihm diese als Gebetbücher getarnten Schriften. Im Herbst 1848 scheitert auch die Deutsche Revolution und so verbringt Bakunin den Winter schreibend in Anhalt. Im Frühjahr 1849 zieht er unter falschem Namen nach Dresden, wo er sich mit Richard Wagner anfreundet. Am 3. Mai erhebt sich das Volk gegen den sächsischen König und eine provisorische Regierung wird gebildet, die Bakunin die militärische Führung überträgt. Bakunin sieht sich schnell mit den anrückenden preußischen Truppen konfrontiert und er organisiert trotz aller negativen Vorzeichen geschickt den Widerstand. "Über eine Woche kann sich die Stadt halten. Mit 1800 Revolutionären, die sich bald zerstreuen, gelingt der Ausbruch aus der Umzingelung. Am 10. Mai wird Bakunin in einem Chemnitzer Gasthof aus dem Tiefschlaf gerissen und verhaftet - er war eine Woche lang ruhelos auf den Beinen gewesen."

3.4 Bakunin und die Kerkerjahre

In Preußen wird er am 14. Januar 1850 zum Tode verurteilt, dann aber begnadigt und im Juni 1850 an Österreich ausgeliefert. Dort wird er aufgrund der Beteiligung am Prager Pfingstaufstand zum Tod am Galgen, letztendlich aber zu lebenslanger Kerkerhaft verurteilt. Im Kerker unternimmt er, nach Stowassers Quellen, einen Suizidversuch. Zwischen Mai und Oktober 1851 wird er dann nach Russland ausgeliefert, wo er, ohne einen weiteren Prozess, in mehreren Gefängnisfestungen festgehalten wird. Seine Familie versucht unermüdlich über Kontakte vergeblich eine Begnadigung zu erreichen. Mittlerweile ist Bakunins Gesundheit arg angeschlagen: die Zähne sind ihm ausgefallen und er leidet unter Skorbut und Wassersucht. Auf Verlangen des Zaren Nikolai I. schreibt er dort die sogenannte "Beichte". "Tatsächlich ist Bakunin nicht, wie manchmal behauptet wird, in der "Beichte" moralisch zusammengebrochen: [...]. Dem Ziel, durch Zugeständnisse in der äußeren Form des Berichtes seine verzweifelte Lage zu verbessern, kommt er damals nicht näher. Erst nach weiteren sechs Jahren und einem nochmaligen Bittgesuch an den neuen Zaren Alexander II. wird die Kerkerhaft im Februar 1857 in Verbannung umgewandelt" , so Eckhardt. Diese Beichte wird immer noch sehr gerne von Bakunins GegnerInnen verwendet, wie Schröder eindrucksvoll belegt:""[...]. Wie auch das mich erwartende Urteil ausfallen sollte, ich unterwerfe mich ihm demutsvoll im voraus als einem gerechten, und ich wage es zu hoffen, dass es mir erlaubt sei, auch dieses letzte Mal vor IHNEN, HERR, das Gefühl der tiefen Dankbarkeit zu EUREM UNVERGESSLICHEN VATER und zu EURER HOHEIT für alle mir erwiesene Gnade auszusprechen. Der flehende Verbrecher: Michail Bakunin." [...]. Die Reue hat Bakunin glänzend gespielt. Offenbar lag sie seinem Naturell, entsprang seiner Phantasie, und er hatte sich ganz in sie hineingelebt, um den beabsichtigten Zweck zu erreichen. Der merkwürdige Vorgang wirft aber auch ein bezeichnendes Licht auf die Psyche der Anarchisten des 19. Jahrhunderts, speziell natürlich die Bakunins, in dem sich Eitelkeit und Egoismus, Sentimentalität und Phantastik, Maßlosigkeit und Überheblichkeit zu einem wunderlichen Konglomerat vermischen. Es kommt hinzu, dass Bakunin den Idee der bürgerlich-nationalistischen Strömung des Panslawismus zugetan ist , die in Russland den Hort aller Slawen sieht." Stowasser als Anarchist sieht diese Beichte in einem anderen Licht: "Dabei handelt es sich um das taktische Meisterstück eines lebendig Begrabenen, der zwar Zerknirschung heuchelt, gleichzeitig aber dem Zaren in fast belehrendem Ton unangenehme Wahrheiten zu sagen wagt." Nach Sibirien verbannt, nimmt er eine Anstellung in einer Handelsgesellschaft an, wobei er die junge Polin Antonia Kwiatkowska kennen lernt, die er im Oktober 1858 heiratet und das Paar "belibt in sehr lockerer aber respektvoller form bis Bakunins Tod miteinander verbunden."

3.5 Bakunins Flucht und die I. Internationale

Als frischgebackener Ehemann genießt Bakunin mehr und mehr Privilegien, die er im Juni 1861 dazu nutzt um "geschäftlich" ins Amur-Gebiet im Osten Sibiriens zu reisen. Von dort gelingt ihm eine spektakuläre Flucht, auf der er natürlich politische Kontakte knüpft, über Japan und Amerika nach Europa, und zwar nach London. Dort hilft er zunächst seinem alten Freund Herzen und Nikolai Ogarev bei der Herausgabe des russischen Oppositionsblattes Kolkol. Nach einer großen europäischen Rundreise landet er 1864 in Italien, wo er eine internationale Geheimgesellschaft namens "Internationale Bruderschaft" aufbaut. Stowasser schreibt hierzu: "Man kann den Rest von Bakunins Leben als den Versuch interpretieren, eine theoretische und praktische Synthese zwischen Massenbewegung und Aufstand, zwischen kleinen Schritten und großer Revolution zu suchen." Stowasser antizipiert: "Am Ende seines Lebens sind die Grundlagen für diese Synthese gelegt, und im neuen Jahrhundert wird sie die libertären Ideen in der Form des Anarchosyndikalismus zum ersten Mal zu einem durchschlagenden Erfolg verhelfen."

In Italien hat Bakunin Zeit nachzudenken und widmet sich der Erörterung theoretischer und organisatorischer Fragen. "Sein neuer Ausgangspunkt ist die Vision einer internationalen Revolution, die weltweit mit allen staatlichen Institutionen und sozialen Zwangsverhältnissen Schluss machen soll" , so Eckhardt. Mit diesen Entwürfen legt Bakunin den Grundstein seiner anarchistischen Weltanschauung, für die er von nun an ausschließlich tätig ist. "Am 8. September 1867 bezeichnet sich Bakunin in der Zeitschrift Libertá e Giustizia erstmals als "Anarchist". Bis zu seiner Abreise 1867 nach Genf, um am Gründungskongress der internationalen Friedens- und Freiheitsliga teilzunehmen, schafft er es in Italien Menschen dauerhaft für seine Idee zu begeistern. Ziel des Kongresses sollte es sein mit DemokratInnen und Radikalen aus ganz Europa ein gemeinsames Programm zu erarbeiten. Er wird ins Komitee der Liga gewählt. Wenig später trennt er sich mit 17 anderen Mitgliedern von der Liga, da seine Ideen mehrheitlich auf deren zweiten Kongress abgelehnt wurden. Ebenso wie Sozialisten aller Spektren waren Anarchisten von Anfang an auch in der "Internationalen Arbeiter-Assoziation" organisiert. 1868 treten auch Bakunin und seine Genossen bei. Parallel dazu wirken sie weiterhin in der Liga (zumindest bis zum Austritt), in der Bruderschaft und in der im gleichen Jahr gegründeten Internationalen Allianz der sozialistischen Demokratie, was Marx, der die Internationale auf seinen Kurs bringen will, zum Anlass nimmt, um gegen Bakunin und die sogenannten Antiautoritären vorzugehen. In Wirklichkeit ging es um die politische Frage, ob das Ziel der Internationalen ein autoritärer oder aber ein libertärer, d.h. freiheitlicher Sozialismus sein sollte. Bakunin hat während dieser Zeit eine Menge verschiedenster Aufgaben innerhalb der Internationalen inne. Nach jahrelanger Auseinandersetzung kommt es am 15. September 1872 in St. Imier zu einem Kongress, der die Geburtsstunde einer organisierten und internationalen anarchistischen Bewegung markiert. Hier nabelt sich die libertäre ArbeiterInnenbewegung in eine eigene Internationale von den autoritären und reformistischen SozialistInnen ab.
  Mit großer Anspannung verfolgt Bakunin den Ausbruch des deutsch-französischen Krieges, in der Hoffnung, in der richtigen Situation dort ein allgemeines revolutionäres Signal zu setzen. Deswegen begibt er sich im September 1870 nach Lyon, von wo er jedoch nach einem gescheiterten Versuch im Oktober gezwungen ist, das Land heimlich via Marseille zu verlassen.

3.6 Die Affäre Netschajew und die letzten Jahre

Zurück in Locarno macht sich Bakunin daran, all seine Erfahrungen und Erlebnisberichte niederzuschreiben. Bis auf wenige erscheinen diese Schriften fast alle nach seinem Tod. Sein Freund Elisée Reclus zeigt sich für viele Veröffentlichungen verantwortlich, so auch für das bekannteste seiner Werke "Gott und der Staat", was wohl zu den am weitesten verbreiteten Stücken libertärer Literatur überhaupt gehört. In diesem Werk setzt er sich ebenso vehement wie radikal mit der Rolle der Religion bei der Festigung bestehender Machtverhältnisse auseinander. Er proklamiert hierin: "Es gibt eine Menschenklasse, die, wenn sie auch nicht selbst glauben, sich doch wenigstens gläubig stellen müssen. Das sind Folterer, Unterdrücker und Ausbeuter der Menschheit. Geistliche, Monarchen, Staatsmänner, Krieger, öffentliche und private Finanziers, Beamte aller Art, Polizisten, Gendarmen, Kerkermeister und Henker, Monopolisten, Kapitalisten, Steuereintreiber, Unternehmer und Hausbesitzer, Advokaten, Ökonomisten, Politiker aller Farben, bis zum letzten Philister, alle wiederholen einstimmig die Worte Voltaires: Wenn es keinen Gott gäbe, müßte man einen erfinden. Denn, ihr versteht, das Volk braucht eine Religion. Sie ist das Sicherheitsventil." Sein Aufsatz "Staatlichkeit und Anarchie" wurde später in hoher Auflage nach Russland geschmuggelt und übte starken Einfluss auf die Narodniki aus.

Bereits im März 1869 hat Bakunin Sergej Netschajew kennen gelernt, einen skrupellosen studentischen Revoluzzer, der es schafft, Bakunins Leidenschaft für sich zu nutzen. Bakunin sieht in ihm sein jüngeres, noch nicht verbrauchtes Ich und ist deswegen bereit, mit ihm gemeinsame Sache zu machen. Netschajew gibt sich als Beauftragter eines geheimen Moskauer Aktionskomitees aus, der im Ausland als Propagandist für "die Sache" unterwegs sei. Im Juni 1870 wird offenbar, dass er Bakunin lediglich für seine Zwecke missbraucht hat. Dies kennzeichnet den Bruch zwischen ihm und Netschajew. In dieser Zeit sind u.a. die beiden Broschüren "Worte an die Jugend - Prinzipien der Revolution" und der "Katechismus des Revolutionärs" entstanden. Beide Schriften zeugen von unheimlicher Kälte und Dogmatismus, den Bakunin allein nie formuliert hätte. So heißt es in den Prinzipien: "Wenn wir auch keine andere Tätigkeit als die Sache der Zerstörung anerkennen, so sind wir dennoch der Meinung, dass die Formen, in denen diese Tätigkeit sich äußern mag, außerordentlich mannigfaltig sein können: Gift, Dolch, Schlinge und dergleichen! [...]. die Revolution heiligt alles in diesem Kampfe in gleicher Weise. Das Feld ist also frei! [...]. Die Opfer sind von der unverhohlenen Volksempörung bezeichnet. Mögen also alle ehrlichen frischen Köpfe sich nach jahrhundertelanger Schändung zur Erneuerung des Lebens aufraffen. Mögen die letzten Tage der sozialen Blutegel trübe sein. Jammergeschrei der Angst und Reue wird in der Gesellschaft ertönen." Diese Episode in Bakunins Leben hat ihm jedoch sehr viel Schaden zugefügt. Wiederum ein Ansatzpunkt für GegnerInnen Bakunins.

1874 zieht ihn eine Nachricht aus Bologna ein letztes Mal ins Ausland. Dort schließt er sich dem Aufstand an, der auf ganz Norditalien übergreifen soll. Da nur mangelhaft geplant, ist es ein leichtes für die Militärs den Aufstand zu zerschlagen. Bakunin muss zu seiner Schmach in der Kleidung eines Priesters wieder einmal fliehen. Als ihn die Nachricht des Zusammenbruchs des Aufstandes erreicht, will er sich eine Kugel durch den Kopf schießen, denn er wollte eigentlich ein letztes Mal die Luft der Revolte riechen, um in Bologna zu sterben. Der Tod ereilt ihn dann aber in Form der Wassersucht, die er sich während seiner Kerkerjahre geholt hatte, am 1. Juli 1876 im Hospital eines befreundeten Arztes in Bern.


4. Abschließende Worte zu einer großartigen Idee

Bakunin mag tot sein, doch seine Idee lebt weiter. Sein Leben war eine Anhäufung von Hoch- und Tiefphasen, er hat alle bedeutsamen Momente seines Jahrhunderts miterlebt und sehr viele noch heute wichtige Menschen kennen gelernt und beeinflusst. Wer hätte gedacht, dass Richard Wagners bester Freund ein Anarchist war? All seine Bemühungen waren immer nur auf das eine große Ziel ausgerichtet: Freiheit! Freiheit für alle Menschen, egal welcher Klasse oder Herkunft. Es sollte keinen Menschen geben, der einem anderen etwas zu sagen hatte. "In diesem Zusammenhang erscheint auch Bakunins "Zerstörungswahn" in einem anderen Licht. Man hat ihm vorgeworfen, ein "Kaputtschlag-Revolutionär" zu sein. Dabei geht es ihm, wenn er von "zerstören" spricht, um ein radikales Ende der gegenwärtigen sozialen Werte. Er wolle, so sagt er, keinen Krieg gegen den Menschen, sondern gegen "Positionen und Dinge", die er auch konkret benennt: Grenzen, Heere, Pässe, Zölle, Erbrecht - das sind für ihn rote Tücher. Seine Gegner heißen Staat, Kapital und Kirche. Man dürfe diese Dinge nicht in eine Ordnung einbauen, da sie den Keim der alten Ordnung in sich trügen."

Das heißt, die Zerstörung all dessen, was den Menschen davon abhält frei zu sein. Aber sind seine Ideen denn wirklich so veraltet? Gibt es Menschen, die denselben Traum hegen, den Traum einer HERRschaftsfreien Gesellschaft? Ein Blick auf das 20. Jahrhundert beweist, dass es immer wieder Aufstände gab, in denen Menschen aufbegehrten, um eine Alternative zum Bestehenden zu schaffen. Besonders zu nennen ist hier der Spanische Bürgerkrieg, in dem die große anarchosyndikalistische Gewerkschaft CNT, in der sehr viele ArbeiterInnen Spaniens zu der Zeit organisiert waren, es schaffte, im Zeitraum 1936-39 ganze Regionen zu besetzen, die dann selbstverwaltet waren. Das Land gehörte den verschiedenen Kommunen und Entscheidungen wurden im Konsens herbeigeführt. Dies hielt so lange, bis reaktionäre Kräfte, u. a. vor allem KommunistInnen, diesen gelebten Traum von einem freien Leben blutig und mit Waffengewalt niederschlugen. Auch heute finden wir immer noch Menschen, die versuchen diesen Traum, so weit es geht, gezwungenermaßen innerhalb des Bestehenden, zu verwirklichen.

Noch immer gibt es besetzte Häuser, autonome Zentren, selbstverwaltete Betriebe und libertäre Projekte, die alle Ausdruck ein und desselben Traumes sind. Doch anscheinend hat dieses System etwas gegen diese Formen freiheitlichen Zusammenlebens, denn warum sonst wäre es so sehr bestrebt mit Repressionen aller Art auf diese Versuche etwas Neuem zu antworten?! Hier ist nur so lange etwas tolerierbar, so lange es nicht die Grenzen des Bestehenden überschreitet. Durchaus sind reformistische Veränderungen innerhalb dieses Systems möglich, doch dieses ganz in Frage zu stellen ist nicht erlaubt. Dafür gibt es ja noch die Exekutivorgane, die dafür sorgen, dass alles "seinen geregelten Gang" läuft. Ich glaube aber trotzdem, dass je mehr die erkämpften Freiräume zunehmender Repression ausgeliefert sind, desto mehr wächst in den Menschen der Wunsch nach wirklicher Veränderung, nach etwas Neuem. Doch bis dahin haben die Menschen noch einen weiten evolutionären Reifungsprozess vor sich, bis sie der Freiheit wert sind. Aber so lange es Menschen gibt, die diesen Traum täglich leben, solange wird diese Idee von einem HERRschaftsfreien Leben nicht tot zu kriegen sein.


Literaturverzeichnis:

Primärliteratur:

Sekundärliteratur:

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Die Schwarze Katze verfügt wie andere Bewegungsarchive über ein umfangreiches Archiv zu anarchistischen und alternativen Themen. Deswegen konnte sie verschiedenen SchülerInnen und StudentInnen bei Referaten und Facharbeiten helfen. So auch einem Schüler aus dem Märkischen Kreis, der diese Facharbeit über das spannende Leben des Anarchisten Michail Bakunin erstellt hat. Das Thema konnte sich der Schüler selbst aussuchen. Als Note gab es eine 1-. Die MitschülerInnen fanden das Thema Anarchismus interessant und bekamen durch dieses Referat Interesse sich mit anarchistischen Themen weiter auseinanderzusetzen. Die Schwarze Katze gab dem Schüler noch weiteres anarchistisches Informationsmaterial, welches er seitdem regelmässig in der Schule verteilt.