Schwarze Katze Rundbrief 31.08.15
Nur der erste Schritt macht Schwierigkeiten.
Marie de Vichy-Chamrond
1.) Jenseits von Nation und Volk
2.) Verbote verbieten!
3.) Erste Zucchiniernte
4.) Strategie für Anarchie?
5.) 50 Bücher an Klassenbücherei
1.) Jenseits von Nation und Volk
Redebeitrag der ASJ Bonn über Verschwörungstheorien
Folgende Rede wurde von der Anarchistisch Syndikalischen Jugend Bonn anlässlich der Demonstration des
Antifa-Bündnisses „Gegen Antisemitismus, Verschwörungswahn und Wittener
Verhältnisse“ am 22. März 2015 in Witten gehalten:
Liebe Freund*innen, liebe Genoss*innen!
Eigentlich habe ich gar keine Lust, hier zu sein. Ich könnte mir
wirklich Schöneres vorstellen, als mich früh am Sonntagmorgen
aufzumachen, um ein paar Anhänger*innen absurder Vorstellungen zu
nerven. Ein paar von diesen Leuten, die der Idee einer Weltverschwörung
nachhängen, die glauben, dass wir in Wahrheit alle unterworfen sind und
kaum Bestimmungsgewalt über unser Leben haben.
Es ist ja auch augenscheinlich nur ein Randphänomen – ein paar
Menschen, die sich in skurrile Verschwörungstheorien verrennen. Warum
bin ich also trotzdem hier? Eben, weil das nicht stimmt. Wir haben es
hier mit einer gefährlichen Bewegung zu tun, die keineswegs so
randständig ist, wie der erste Eindruck uns glauben machen will.
Zurzeit versammeln sich etwa 800 Anhänger*innen von
Verschwörungstheorien im Saalbau hier in Witten zu ihrem sogenannten
»Alternativen Wissenskongress« und verhandeln, von welchen bösen
Mächten sie nun am meisten ferngesteuert werden. Der Mechanismus, der
hinter dieser Fragestellung steht, ist weder ungewöhnlich, noch ein
neues Phänomen: es handelt sich schlicht um strukturellen
Antisemitismus. Statt sich mit den eigentlichen Problemen unserer
Gesellschaft auseinanderzusetzen und zu versuchen, die Prozesse und
Mechanismen zu verstehen, die zum Status Quo führen, machen es sich
diese Menschen deutlich leichter: sie finden Schuldige, die für die
Misere Deutschlands verantwortlich sind. Auf diese werden dann
bestimmte Eigenschaften projiziert, die verdeutlichen sollen, dass wir
uns dieser Schuldigen bloß entledigen müssten, um all unsere Probleme
zu lösen. Unter klassischen Neonazis wären dies die Jüdinnen und Juden,
die insgeheim eine Weltverschwörung betreiben; hier sind es nun diese
Mächtigen im Hinterzimmer, bisweilen auch als »Schattenregierung«
bezeichnet, die als Schuldige identifiziert werden. Aber auch der über
Jahrhunderte tradierte Rassismus gegenüber »den Juden« findet immer
wieder Platz unter Verschwörungstheoretiker*innen, wenn etwa
herbeihalluziniert wird, dass jüdische Bänker*innenfamilien mit
Unterstützung der zionistisch gelenkten Presse nach der Weltherrschaft
strebten.
Während Letzteres von den meisten Menschen schnell als Antisemitismus
identifiziert und in der Regel zumindest aus Berührungsängsten
abgelehnt wird, verhält es sich bei der Konstruktion der »Mächtigen im
Hintergrund« anders. Zu verlockend ist es, ein geschlossenes Weltbild
zu haben, eine einfache Erklärung, warum es so vielen Menschen in
Deutschland schlecht geht. Es ist die einfachere Alternative, sich
solchen Vorstellungen hinzugeben, statt die eigene Rolle in der
täglichen Reproduktion der gegenwärtigen Verhältnisse zu hinterfragen.
Soziale Gegensätze und systemisch konstruierte Zwänge sind das Ergebnis
einer jahrhundertelangen Entwicklung, die nicht von einzelnen
Individuen mit böser Absicht etabliert, sondern gesellschaftlich
getragen wurden und nun tagtäglich reproduziert werden. Für Jürgen
Elsässer und seine Anhänger*innen im Saalbau ist dies aber ohne
Bedeutung, da sie der Überzeugung anhängen, dass alle Missstände in
Deutschland auf die Machenschaften finsterer Verschwörungen, die alles
Unheil über uns brächten, zurückzuführen sind.
Durch die Berufung auf diese Verschwörungen ist es zudem unmöglich,
diesen Menschen mit rationalen Argumenten beizukommen. Wenn alle
Geschehnisse auf der Welt – seien dies nun Kriege oder Hungersnöte –
auf die Aktivitäten von geheimen Strukturen zurückgeführt werden, so
kann weder ein Beweis dafür, noch einer dagegen erbracht werden;
schließlich bleiben diese Strukturen stets im Schatten. Es handelt sich
im Kern vielmehr um eine Glaubens- als eine Wissensfrage, wenn alles
stets auf höhere politische Mächte im Verborgenen zurückgeführt wird.
Nehmen wir an, mehrere Konzerne haben eine illegale Absprache getroffen
und der Skandal wird schließlich publik: Ganz klar ein Beweis für eine
Weltverschwörung! Das ist jedoch immer nur die Spitze des Eisberges;
wenn gerade kein Skandal zur Hand ist, egal ob nun einer existiert oder
nicht, gilt eine andere, simple Formel: Die Presse lügt und schreibt
nur das, was ihr von den wahren Machthaber*innen im Verborgenen
vorgegeben wird. Eine Argumentation, die auch gerne von anderen
Rassist*innen, etwa denen der Pegida-Bewegung, gerne angewandt wird.
Wenn wir uns heute hier versammeln, dann weil es eben genau nicht
ausreicht, den Versuch zu starten, gegen Menschen zu argumentieren, die
sich alle Fakten so drehen, dass sie in ihr Weltbild passen. Wir müssen
deutlich demonstrieren, dass wir solche Absurditäten nicht akzeptieren!
Natürlich mag mensch sich jetzt denken: »Ja und? Dann lass diese armen,
verlorenen Leute doch ihren seltsamen Vorstellungen von der Welt
nachhängen – die stören doch niemanden.« Doch die Verschwörungstheorien
haben noch eine weitere Dimension, die sie gefährlich macht. Denn wie
in jedem Antisemitismus sehen auch die Wahnwichtel im Saalbau ein
Kollektiv, dem sie angehören, von den herbeifantasierten Verschwörungen
bedroht. Der Titel macht es klar: »Wer regiert Deutschland wirklich?« –
letzten Endes haben wir es hier mit ähnlich stumpfen Nationalismus zu
tun, wie bei so vielen anderen Gruppen auch. Nun also wieder das
Zwangskollektiv der Deutschen. Denn die armen Deutschen werden
fremdgesteuert; einige behaupten gar, es würde versucht, die Deutschen
über Chemtrails – dies sind die Kondensstreifen der Flugzeuge, denn
angeblich handelt es sich bei ihnen in Wahrheit um ein
Vergiftungswerkzeug – sowie Impfstoffe unfruchtbar zu machen. Was ist
also die unter all den Verschwörungen begrabene Botschaft? In
nationalistischer Tradition wird gefordert, dass sich die Deutschen
gegen die finsteren Mächte zur Wehr setzen müssten. Und da ja alle
Deutschen gleichermaßen betroffen und ferngesteuert seien, wird ein
Gemeinschaftsgefühl à la Pegida erzeugt. Die Volksgemeinschaft müsse
zusammenstehen und sich gegen die Feinde von außen verteidigen. Selbst
wenn die Verschwörungstheoretiker*innen in der Unterzahl bleiben, so
tragen sie auf diese Weise doch erheblich zur Bestärkung des
völkisch-nationalistischen Gedankenguts bei und beflügeln rassistische
Ressentiments und andere antisemitische Strömungen.
Im Angesicht dieser Spinnereien muss deutlich artikuliert werden, dass
unser Problem nicht die Unterjochung Deutschlands durch irgendwelche
höheren Mächte ist. Unser Problem ist ein System kollektiver Zwänge.
Wir alle sind Teil eines kapitalistischen Systems, das unsere
individuelle Freiheit etwa durch den Zwang zur Lohnarbeit, aber auch
durch unsere Zugehörigkeit zum Zwangskollektiv einer Nation, in der wir
staatlicher Gewalt unterworfen sind, einschränkt. Und wir alle tragen
täglich zur Reproduktion und Zementierung dieser Verhältnisse bei und
können uns also auch nur selbst wieder davon befreien. Wenig hilfreich
ist es dabei, die komplexen gesellschaftlichen und ökonomischen
Zusammenhänge auf ein paar böse Verschwörungen einzudampfen und so
jegliche Schuld am Status Quo auf andere abzuwälzen und den Hass gegen
diese zu schüren. Es ist nicht nur geradezu lächerlich, wie sich die
Verschwörungstheoretiker*innen auf diese Weise aus der Affäre ziehen,
da sie ja nur harmlose Opfer seien, nein – obendrein ist das auch noch
gefährlich. Die deutsche Geschichte zeigt eindrücklich, wo es hinführt,
wenn sich genügend Menschen solchen Wahnvorstellungen hingeben, sobald
die vermeintlich Schuldigen einmal identifiziert wurden.
Das Problem heißt also nach wie vor Deutschland.
Verschwörungstheoretiker*innen, Nazis, besorgte Bürger*innen – sie alle
berufen sich auf ein Zwangskollektiv, das angeblich ein gemeinsames
Schicksal teilen müsse. Die Gesamtscheisze aus Staat, Nation und
Kapital muss endlich überwunden werden!
Gegen den Verschwörungswahn! Gegen jeden Antisemitismus! Für eine emanzipierte Gesellschaft jenseits von Nation und Volk!
2.) Verbote verbieten!
NPD Verbot Pro und Contra
Verbotsdiskussion
Schwarze Katze, Friedensfestzeitung 2012
NPD-Verbot?
Verschiedene Politiker fordern ein NPD-Verbot. Sie begründen es mit der Gefahr der Wiederkehr
des Dritten Reiches. Dagegen spricht, dass die parlamentarisch weitgehend unbedeutende NPD nur
in zwei ostdeutschen Landtagen vertreten ist und ansonsten an der 1 Prozent Hürde herumdümpelt.
Durch ein Verbot soll im politischen Raum Rassismus ebenfalls verboten werden. Funktioniert aber
so nicht, denn nicht die NPD, sondern die demokratischen Parteien haben de facto das Asylrecht
abgeschafft und ausländerfeindliche Kampagnen gefahren. Die Demokraten haben - um selbst
abzukassieren - für Parteien, Parteistiftungen und Fraktionen so vorteilhafte Regelungen
geschaffen. Davon profitiert die NPD. Sie erhält für ihre braune Propaganda aus
Gleichbehandlungsgründen ebenfalls massig Steuergelder.
Gleicher Inhalt - andere Verpackung
Weiter wird mit der Schwächung der Nazi-Strukturen argumentiert. Wobei aber bei den bisherigen
Verboten die Nazis einfach in andere Organisationen gegangen sind oder neue gegründet haben. So
beteiligten sich an der NPD-Gründung Kader der 1952 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen
SRP (Sozialistische Reichspartei). Die Verbote der 90er führten zu einem Wechsel in NPD und
Kameradschaften.
Verbote ändern nichts
Verbote ändern keine Gesinnung. Nazis bleiben Nazis, auch wenn eine ihrer Organisationen
verboten ist. Was verboten ist, ist für viele erstmal interessant. Das Verbotene reizt. Linke
Verbotsbefürworter übersehen, dass wenn der Staat eine rechte Gruppe verbietet, er auch ihre
linken Gruppen verbieten kann. Statt Verbote sollte es eine verstärkte inhaltliche
Auseinandersetzung um Rassismus, Antisemitismus, Homophobie, Führerkult und andere autoritäre
Ideologien geben. Diskussionen und Aktionen von unten bringt mehr als autoritär etwas von oben
zu verbieten.
Autoritärer Staat?
Es ist auch eine prinzipielle Frage, ob der Staat entscheiden darf, welche Parteien die Bürger
wählen können oder nicht. Wenn mit autoritären Mitteln eine autoritäre Partei verboten wird, ist ein
autoritärer Staat nicht mehr weit. Schon die Nazis haben die Meinungsfreiheit eingeschränkt. Das
sollten wir ihnen nicht nachmachen.
Dubioser Geheimdienst
Beim letzten NPD-Verbotsverfahren ist die NPD gestärkt aus der ganzen Sache hervorgegangen.
Das gescheiterte Verbotsverfahren war eine Blamage für den Staat und sorgte für Solidaritäts-
Eintritte in die NPD und damit zu einer Stärkung ihrer Strukturen. Der Verfassungsschutz hatte
soviele V-Männer dabei, dass nicht mehr klar war, ob Nazi-Zitate und Straftaten von wirklichen
Nationalisten oder von Staatsdienern begangen wurden. Vor einem Verbotsverfahren müssten die
V-Männer aus den führenden Positionen entfernt werden. Der Geheimdienst hat sich sowohl bei der
NPD als auch bei den NSU-Mordtaten nicht mit Ruhm bekleckert.
Meinungsfreiheit statt Verbote
Solange die NPD legal ist, ist für die Öffentlichkeit besser sichtbar, was die braunen Gesellen
treiben. Im Untergrund können die Braunen unsichtbar zuschlagen und es besteht die Gefahr von
vermehrten Gewalttaten gegen Juden, Ausländer oder andere Menschen, die nicht ins Weltbild der
Nazis passen. Statt Verboten sollte es eine uneingeschränkte Meinungs- und Organisationsfreiheit
geben. Ausserdem wären emanzipatorische Freiräume und eine verstärkte Auseinandersetzung der
Zivilgesellschaft mit rassistischen und autoritären Inhalten angebracht. Es gibt übrigens nicht nur
Rechte, die die Freiheit gefährden. Dies gerät bei einer Fixierung auf Nazis aus dem Blick.
Schwarze Katze, Postfach 41 20, 58664 Hemer, http://schwarze.katze.dk
3.) Erste Zucchiniernte
Schwarze Katze, 05.08.15
Die Schwarze Katze Arbeitsgruppe, die sich mit Selbstversorgung und
Krisenvorsorge in der Praxis beschäftigt, erntet am 05.08.15 für 2015
das erste Gemüse. Zucchini ist reif. Ab jetzt bis in die Frostzeit gibt
es die Möglichkeit für Gruppentreffen, die verschiedenen Arbeitsgruppen,
für befreundete Zusammenhänge und für Aktive was leckeres zu futtern.
Rezeptideen für die Zucchinischwemme gibt es massig. Tomate ist noch
grün und Zucchinis werden noch viele wachsen. Jedesmal, wenn eine
geerntet wurde, wächst eine neue nach und das innerhalb von wenigen
Tagen. Da mehrere Pflanzen da sind, gibt es ab jetzt jeden Tag was zu
mampfen.
Erste Zucchiniernte
Fotos: Schwarze Katze, 05.08.15
noch grüne Tomate - wird bald rot
Zucchinipflanze im Garten
die erste geerntete Zucchinipflanze des Jahres 2015
in der Pfanne mit Pflanzenöl, Gewürzen und Zwiebeln
Fertig gebraten!
mit Ketchup und Curry-Sauce auf Toast
Fertig! Toastscheiben übereinander und dazwischen Zucchini. Lecker!
4.) Strategie für Anarchie?
Provozierende Statements und Vorschläge für eine notwendige Debatte
Interim # 481, 29.07.99, Robin Wut, unterwegs
http://schwarze.katze.dk/texte/astrat01.html
5.) 50 Bücher an Klassenbücherei
Schwarze Katze, 16.11.12
Am
15.11.12 hat die Schwarze Katze 50 Bücher an eine sich im Aufbau
befindliche Klassenbücherei gespendet. Vorwiegend Kinderbücher, aber
auch was über Basteln, Aufklärung, Geschichte, Sachbücher, Technik und
Lexika sucht sich die Lehrerin aus Schwarze Katze Beständen aus. Die
Grundschulkinder werden sich freuen. Wer schon früh mit Lesen anfängt,
hat früher als andere die Möglichkeit sich unabhängig von Schule und
Elternhaus zu informieren. Wer als Kind Spass am Lesen findet, tut dies
oft auch als Erwachsener. Lesen eröffnet neue Welten. Heinrich Heine
meinte treffenderweise: "Von allen Welten, die der Mensch erschaffen
hat, ist die der Bücher die Gewaltigste."
Auswahl der gespendeten Bücher. Foto: Schwarze Katze, 16.11.12
Grundschul-Klassenbücherei erhält Kinderbücher. Foto: Schwarze Katze, 16.11.12
Wie ist das mit der Liebe? Aufklärungsbuch für Kinder. Foto: Schwarze Katze, 16.11.12