Schwarze Katze Rundbrief 15.11.02
Solidarität und Brot statt Bomben und Soldatentod!

Wir wollen nicht euren Frieden - Wir wollen nicht euren Krieg! 1.) Kundgebung gegen Nazis in Menden
2.) Warum ich für den Frieden auf der Strasse stehe
3.) Der "dauerhafte Frieden" - Willkommen im Überwachungsstaat
4.) Erfassen, katalogisieren, Speicher auswerten - um jeden Preis!
5.) Spendet für kriminalisierte Antifas!
6.) Die anarchistische Alternative
7.) Keinen neuen Antisemitismus zulassen!
8.) Dänische Anarchisten protestieren gegen EU-Bonzentreffen


1.) Kundgebung gegen Nazis in Menden
Schwarze Katze Kurzbericht

Am 09.11.02 fand in Menden eine Kundgebung gegen Nazis statt. Die Westfalenpost berichtete am folgenden Montag folgendes:

Ein klares Zeichen gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt setzten am Samstag zahlreiche Mendener während der Kundgebung vor dem Alten Rathaus. Innerhalb von zwei Stunden sammelten die Initiatoren 460 Unterschriften für den Mendener Appell für Zivilcourage und Toleranz. Viele Unterstützer waren am Jahrestag der Reichspogromnacht ganz gezielt zum Alten Rathaus gekommen, Passanten unterbrachen spontan ihren samstäglichen Einkauf.

Während der Kundgebung boten die heimischen Bands "Sultani-Swingtett" und "Pretty Bitches" Live-Musik. 300 DemonstrantInnen sind für Menden viel. Ein deutliches Zeichen gegen rechte Gewalt. Nazis, die auftauchten, wurde deutlich gemacht zu verschwinden, was dann auch recht schnell geschah. Aus anderen Städten kamen auch einige Antifas um die Kundgebung zu unterstützen. Viele Mendener Organisationen und Einzelpersonen beteiligten sich.

Da bei der Schwarzen Katze auch Mendener mitmachen, war es für uns selbstverständlich den Mendener Appell für Zivilcourage und Toleranz zu unterstützen und bei der Kundgebung dabeizusein. Wir haben die Redebeiträge aufgenommen und Teilnehmer der Kundgebung wurden für eine spätere Radiosendung interviewt.

Bilder der Mendener Kundgebung gegen Nazis
Kundgebung am 09.11.02 in Menden

Kundgebung am 09.11.02 in Menden

Besonders beeindruckt hat uns die Rede einer Iserlohnerin. Sie erzählte von ihrer jüdischen Verwandtschaft, die von den Nazis umgebracht wurde. Hier wieder ein Ausschnitt aus der Westfalenpost Menden vom 11.11.02:

Ihr ist der 9. November und die Zeit des NS-Terrors unvergesslich in Erinnerung geblieben: "Mein Bruder kam hereingerannt und rief ,In ganz Deutschland brennen die Synagogen´." Viele ihrer Verwandten wurden in Konzentrationslagern ermordet. "Freunde von Kindheit an sahen in uns mit einem Mal Untermenschen. Mit den Mauern der Synagoge brannten alle Verbindungen ab", berichtete die Iserlohnerin, die sich heute für Asylbewerber und Flüchtlinge engagiert.

Hier nun ein anderer Redebeitrag, der gehalten wurde:

Rede zur Kundgebung am 9.11.02 in Menden

Pressemitteilung der DPA, 13. Mai 2002:
In den ersten drei Monaten des Jahres haben die Behörden in Deutschland 127 Fälle antisemitischer Übergriffe und Hetze registriert.

Lüdenscheid, 30. Juni:
Eine Gruppe von ca. 15 Männern, unter ihnen Mitglieder der NPD, attackieren auf dem Sternplatz mehrere ausländische MitbürgerInnen. Ein Betroffener muß mit einer offenen Kopfverletzung im Krankenhaus behandelt werden.

Sulzbach im Saarland, 10. August:
Auf einem Fest wird der junge Türke Ahmed S. von einem rechtsradikalen Skinhead erstochen. Als Tatmotiv nennt die Staatsanwaltschaft "Ausländerhass".

Hildesheim, 31. August:
Eine Gruppe von vier Tamilen wird auf einem Schützenfest von Skinheads umzingelt, beschimpft und angepöbelt. Die Flüchtlinge fliehen in ihre Unterkunft, werden jedoch von der Gruppe verfolgt und mehrfach geschlagen. Ein Flüchtling erleidet eine Verletzung am Arm, ein zweiter eine Platzwunde am Hinterkopf, die im Krankenhaus genäht werden muß.

Pressemitteilung der DPA, 7. Oktober :
Seit der Wiedervereinigung 1990 wurden in Deutschland über 100 Menschen ermordet, weil sie nichtdeutscher Herkunft oder obdachlos waren.

Berlin, 1. November:
Bei seiner Ansprache zur Rückbenennung der Spandauer "Kinkelstraße " in "Jüdenstraße" wird der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Berlin, Alexander Brenner, antisemitisch beschimpft. Seine Rede wird von Buhrufen, Pfiffen und "Juden raus" - Parolen unterbrochen. Außerdem rufend die Gegendemonstranten Sprüche wie "Ihr Juden seid an allem schuld".

Cottbus, 1. November:
Ein seit zehn Jahren in Cottbus lebender Kubaner wird von drei Männern aus der rechten Szene krankenhausreif geschlagen. Er erleidet eine Gehirnerschütterung, zwei Rippenbrüche sowie Stauchungen und Prellungen. Während sie auf ihn einprügeln, rufen seine Angreifer: "Ausländer raus- alle Ausländer müssen sterben".

Wochenzeitschrift "DIE ZEIT", 7. November:
Nach einer Untersuchung des Bielefelder Instituts für Konflikt - und Gewaltforschung kann sich jeder fünfte Bundesbürger von Rechtspopulisten mobilisieren lassen. Über die Hälfte der 3000 Befragten sind der Ansicht, dass viele Juden versuchen würden, aus dem Holocaust Vorteile zu ziehen und die Deutschen für die Vergangenheit zahlen ließen.

Menden, 9. November
Wir nehmen den heutigen Jahrestag der Reichspogromnacht zum Anlass, um gegen jede Form von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt und für Zivilcourage und Toleranz zu demonstrieren. Schon diese kleine Aufzählung antisemitischer und rechtsradikaler Übergriffe und Angriffe zeigt die Notwendigkeit gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auf die Strasse zu gehen. Wobei die Aufzählung nur eine Auswahl der Vorfälle ist, die sich alleine in den letzten Monaten in Deutschland ereignet haben.

Wir haben diesen Tag, den 9. November, bewusst für die Kundgebung gewählt, weil er der 64. Jahrestag der Reichspogromnacht ist. In dieser Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 steckten die Nationalsozialisten jüdische Synagogen in ganz Deutschland in Brand - auch in Menden. Sie zertrümmerten die Schaufenster jüdischer Geschäfte, demolierten die Wohnungen jüdischer Bürger und misshandelten oder töteten ihre Bewohner. 91 Tote, 2.676 zerstörte Gottes- und Gemeindehäuser und 7.500 verwüstete Geschäfte - das war die "offizielle" Bilanz des Terrors. Am 10. November verschleppten die Nazis mehr als 30.000 jüdische Männer in Konzentrationslager.

Der 9. November ist für uns nicht nur ein Tag der Erinnerung an und die Trauer um die Millionen jüdischer Kinder, Frauen und Männer, die von den National-sozialisten verfolgt und ermordet wurden.

Der 9. November ist für uns auch ein Tag der Mahnung und der Wachsamkeit gegen Antisemitismus und Rassismus auch heute einzutreten. Solange Antisemitismus, solange Rassismus , wo, von wem und in welcher Form auch immer sie daherkommen, weiterbestehen, gilt nicht nur den Toten unsere Erinnerung, sondern auch unsere Solidarität all jenen, die noch immer von Verfolgung bedroht sind.

Und dass Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Gewalt und rechtsradikale Tendenzen nicht vor den Toren unserer Stadt halt machen, zeigt eine Auswahl der Schlagzeilen der in Menden erscheinenden Zeitungen:

Mendener Zeitung, 23. April:
Bereits vor Monaten sprachen Polizei und Stadt als Ordnungsbehörde gegen rechts-angehauchte Jugendliche auf allen örtlichen Spielplätzen in Menden ein Platzverbot aus. Die besagte Gruppe hatte nicht nur eindeutig rechtsgerichtete Zeichen getragen, sondern durch lautes Gegröle durchaus Angst und Schrecken verbreitet.

Mendener Zeitung, 27. Mai:
Ein 18-jährige Mädchen wurde am Freitagabend am Hexenteich bewusstlos geschlagen. Die Täter kommen aller Vorrausicht nach aus dem rechtsradikalen Spektrum. Während einer Geburtstagsfeier sei eine etwa zwölfköpfige Gruppe gekommen, deren Mitglieder Naziparolen gerufen und mit Pöbeleien begonnen hätten. Die zunächst verbalen Angriffe seien dann in Gewalttätigkeiten übergegangen.

Westfalenpost, 27. Mai:
Feier am Hexenteich endete im Krankenhaus....Ohne jeglichen Grund pöbelten sie uns an und beschimpften uns mit Nazi-Wörtern als linke Zecken und nannten uns Untermenschen.

Westfalenpost, 11. Juni:
Es gibt in Menden Jugendliche, die rechtsradikale Symbole tragen und auch mal Nazi-Parolen rufen, doch von einer rechtsradikalen Szene kann noch keine Rede sein. Das stellt eine Untersuchung der Mendener Stadtverwaltung fest.

Westfalenpost, 11. Juli:
Abiturienten in Lendringsen angepöbelt und geschlagen. Einer der Täter trug ein Hakenkreuz Sprüche wie " Euch Dreckpack sollte man vergasen"

Mendener Zeitung, 15. Juli:
Hitlergruß auf offener Strasse und frei sichtbare Hakenkreuz-Fahnen - das ist in Lendringsen schon lange nicht mehr undenkbar, sondern Realität.

Westfalenpost, 15. September
Eine Gruppe von rechtsradikalen Männern trat am Samstagabend gegen 23 Uhr vor der evangelischen Kirche in Lendringsen auf, in der sich die Familie Bozkan im Kirchenasyl befindet. Die Männer skandierten lauthals "Ausländer raus. Wir marschieren durch die Nacht." Den Platzverweisen der Polizei kann die Gruppe nicht nach. Insgesamt 11 Personen wurden daraufhin in Gewahrsam genommen.

Viele Mitbürgerinnen und Mitbürger sind besorgt über diese Vorfälle. Einige haben Angst. Zum Beispiel die Flüchtlinge, die seit Monaten in ihrer Unterkunft immer wieder belästigt und angepöbelt werden. Die mittlerweile andere Wege wählen, um nicht den Rechten zu begegnen, die in unmittelbarer Nachbarschaft wohnen

Ob es organisierten Rechtsradikalismus in Menden gibt oder nicht. Ob man das nun rechte Szene nennt oder nicht. Fest steht: Es gibt Menschen und Gruppen in unserer Stadt, die mit rechtsradikalen Parolen auftreten und dabei teilweise auch vor Gewalt nicht zurückschrecken.

Mit unserer Kundgebung heute sagen wir:
Wir sind nicht bereit, dazu zu schweigen. Wir wollen wir ein eindeutiges Signal entgegensetzen. Wir haben deshalb den "Mendener Appell für Zivilcourage und Toleranz" verfasst.

Wir sagen: Angriffe, bei denen Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Herkunft, Nationalität, Religion, Lebensweise oder ihrer politischen Überzeugung diskriminiert, verfolgt, misshandelt oder gar an Leib und Leben geschädigt werden, gehen uns alle an.

Wir stehen ein für ein menschliches, weltoffenes und tolerantes Menden und für ein friedliches Zusammenleben aller Bürgerinnen und Bürger. Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz, Ausgrenzung und Gewalt werden wir nicht dulden.

Wo immer es möglich ist, wollen wir durch gemeinsame Aktionen ebenso wie durch kleine Gesten Flagge zeigen.

Wir rufen alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt auf, Zivilcourage zu zeigen. Jeder und jede ist aufgefordert, gegen rechtsextremes Gedankengut und rechte Gewalt zu handeln.

Und wir wollen, dass sich der Rat als höchstes politisches Gremium der Stadt unserem Appell anschließt.

Deshalb werden wir den Appell mit allen Unterschriften als Antrag mit der Bitte um Unterstützung an den Rat weiterleiten.


2.) Aktion am Kölner Neumarkt - Warum ich für den Frieden auf der Strasse stehe
Kein Blut für Öl # 1, April 2002, Wolfram

Highnoon am Wochenende. Sonnabend um 12 in der Kölner City. Menschenmassen strömen durch die Schildergasse. Es ist kühl und stürmisch. Das große Stück Stoff droht zum Segel zu werden. Aber es wird von zwei kräftigen Männern festgehalten. Sie stehen im dichten Strom der Passanten fest auf ihrem Platz. Sie versuchen, die Blicke auf sich zu ziehen und das Interesse der Leute zu wecken. Aber es gibt nicht nur das große Bild und die Losung darauf Denn zwischen den vorübereilenden Menschen bewegen sich noch einige andere seltsam gekleidete Personen. Diese eigenartigen Gestalten mit dem schwarzweißen T-Shirt versuchen harmlose, bedruckte Papierblätter zu verteilen. Es geht nicht um Werbung, nicht um Politik nur um Frieden. Nur etwas Lektüre, um die Leute auf gewisse Tatsachen aufmerksam zu machen, von denen kaum einer etwas weiss. Weil diese Tatsachen nicht so schön klingen; Wie Krieg gegen Terror. Und so einfache Lösungen anbieten; wie Sicherheit für die westliche Welt, wenn Osama bin Laden gefaßt wird. Es ist die falsche Zeit und der falsche Ort, gerade hier und jetzt mit den Menschen darüber zu reden und diskutieren zu wollen. Außerdem wird ja alles nicht so schlimm sein, und es ist ja auch gerade alles ruhig in Afghanistan. Nur weit weg in Israel gibt es wieder etwas Krach. Ansonsten haben wir doch alles im Griff. Da können wir doch in Ruhe am Wochenende etwas einkaufen, Spaß haben und uns ausruhen. Was wollen dann diese Spinner mit ihren Sprüchen und Geschreibsel? So ungefähr sieht es sicher für einen unbeteiligten Beobachter aus. Und genauso hätte ich es auch gesehen, wenn ich nicht schon länger darüber nachgedacht und mich genauer informiert hätte. Da kann doch was nicht ganz stimmen, mit dem Anti-Terrorkrieg und der großartigen Solidarität mit Amerika. Friedenstaube

Und wenn man erst mal skeptisch geworden ist, hört und sieht man schon genauer hin. Man hat natürlich die Wahl selbst zu denken oder sich seine Meinung BILDen zu lassen. Man läßt alles mit sich machen oder man macht etwas. Nur gut das schon andere Menschen auf den gleichen Gedanken gekommen sind. Deswegen bin ich gerade jetzt zu dieser Gruppe gestoßen. und mit ihr für den Frieden auf die Straße gegangen. Weil ich nicht mehr zugucken und abwarten will. Mit Ihnen zusammen stehe ich nun hier in Köln am Neumarkt. Wir möchten den Leuten die Lebensgefahr verdeutlichen, die uns allen von der gegenwärtigen amerikanischen Politik droht. Denn die Bedrohung scheint weit weg zu sein. Aber das kann sich bei der zunehmenden Globalisierung und internationalen Vernetzung ganz schnell ändern. Doch das sehen und verstehen die wenigsten. Viele Passanten gehen vorbei, übersehen uns oder lehnen unsere Flugblätter rundheraus ab. Danke, keine Zeit, keine Lust.

Nur wenige machen sich die Mühe hinzugucken und etwas zu lesen. Noch weniger sind wirklich interessiert und besorgt. Vorerst bleibt meist nur ein Frustgefühl. Aber was solls. Wir machen uns wieder Mut und verteilen weiter unsere kostenlosen Informationen. Und dann sind auch schon 2 Stunden vorbei und wir packen alles zusammen und räumen auf. Immerhin haben wir heute doch wieder einige Menschen erreicht. Dabei haben wir nicht nur unsere Meinung zur aktuellen Weltlage sondern auch viele Daten, Fakten und Hintergründe zur Sprache gebracht und diskutiert. Schließlich kann in diesem Land immer noch Jeder seine Ansichten öffentlich vertreten.

Gerade unter seinen Freunden und Mitmenschen, auch wenn diese anderer Meinung sind. Und gerade wir als Deutsche und Europäer mit unseren Erfahrungen aus der Geschichte haben das Recht und die Verpflichtung die Bush-Administration vor dem Unheil zu warnen, dass sie mit ihrer erpresserischen Politik heraufbeschwören. Denn sie setzt den Frieden und die Zukunft der ganzen Welt aufs Spiel, nur um ihre wirtschaftlichen Interessen, hier speziell die Kontrolle des Ölmarktes, durchzusetzen. Zumal es doch irgendwie lächerlich wirkt, wenn sich die größte Supermacht von einem Mann bedroht fühlt, dessen Mittel und Möglichkeiten in so krassen Gegensatz zu den faktisch unbegrenzten Mitteln und Möglichkeiten der USA stehen.

Aber solange wir noch eine Chance sehen, die mögliche Katastrophe mit friedlichen Mitteln zu verhindern werden wir immer wieder solche und ähnliche Aktionen durchführen. Dazu brauchen wir jede Unterstützung und Hilfe die wir kriegen können, weil wir noch so wenige sind. Aber schon Gerhard Schöne hat ja schon gesungen: "Alles muss klein beginnen". Deshalb brauchen wir noch viele Menschen, die Zeit und Kraft und natürlich auch Geld in die Sache des Friedens investieren. Denn die Banken und Konzerne investieren nur in Geschäfte, wo viel zu verdienen ist. Und das ist das große Geschäft mit der Angst der Menschen vor Krieg und Unsicherheit und vor dem unbekannten bösen Feind. Aber nicht genug das Sie und die von Ihnen bezahlten Politiker an der zunehmenden Rüstung und den sinkenden Sozialausgaben verdienen. Man setzt alle Hebel und Massenmedien in Bewegung um unsere Gefühle auszubeuten. Denn man sollte sich immer die Frage stellen: Cui Bono? Wem nützt es? Also machen wir uns die Mühe und die Arbeit die heuchlerische und falsche Informationspolitik der US-Regierung und ihrer Verbündeten zu entlarven. Damit jeder weiß vor wem oder was wir uns wirklich fürchten sollten. Denn die Gewaltspirale dreht sich solange bis es entweder keine Menschen mehr gibt. Oder die Friedlichen werden gewalttätig und legen den Gewalttätigen wirksame Fesseln an!

In diesem Sinne ist jeder aufgerufen sich diesem Kriegs- und Terrorgeschrei entgegenzustellen um für Frieden und Völkerverständigung zu kämpfen. Wir müssen Front machen gegen diese Leute, die an jedem Krieg verdienen und auch noch unsere Gefühle für die Opfer nur mit einer Gewalttat ausbeuten wollen. Wo doch immer noch so viel Gewalt für alle möglichen politischen und wirtschaftlichen Ziele eingesetzt wird. Und genau das muß sich ändern, wenn die Menschheit noch eine Zukunft haben will!


3.) Der "dauerhafte Frieden" - Willkommen im Überwachungsstaat
Rote Hilfe Newsletter # 2, Brandenburg, Auflage: 200 Stück

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4.) Erfassen, katalogisieren, Speicher auswerten - um jeden Preis!
Rote Hilfe Newsletter # 2, Brandenburg, Auflage: 200 Stück

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5.) Spendet für kriminalisierte Antifas!
Deutsche Justiz kriminalisiert legitimen Protest

Salud !

Liebe FreundInnen, GenossInnen, Anverwandte, SympathisantInnen und unbekannte,

Ich wende mich mit diesem Bettelbrief an euch, da ich euer Geld brauche. Nein, schön wär's, das Geld ist nicht für mich persönlich. Viellmehr habe ich eine erste, vorläufige Rechnung von meiner Anwältin, erhalten.

Zur Erinnerung:
Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf wirft mir schwere Körperverletzung (gegen anwesende Neo-Nazis) und Widerstand gegen die Staatsgewalt vor. Beides soll ich im Rahmen der Veranstaltung "Mut gegen Rechts" begangen haben. Mitlerweile hat der Richter schon zweimal den Prozess platzen lassen. Im Februar 2003 wird er dann schon zum dritten mal von vorne Anfangen.

Die Kosten für meine Anwältin belaufen sich schon jetzt auf etwas mehr als 1300 Euro (!), welche ich bis zum 19.11.02 zahlen soll.

Über finanzielle Unterstüzung würde ich mich sehr freuen. Bitte Überweist das Geld auf folgendes Konto:

Spendenkonto:
A. Leonard
Stadtsparkasse Düsseldorf
BLZ: 300 500 10
Konto-Nr.: 1427 9533
Verwendungszweck: ABC-D*
*ABC-D steht für Anarchist Black Cross Düsseldorf

Alles was ggf. über diesen Betrag hinausgeht wird in eine "Anti-Repressionskasse" fließen und so ggf. weiteren Opfern der Staatsmacht zu gute kommen.

Hintergrund:
Am 16.09.2000 fand in Düsseldorf eine Kundgebung mit dem Titel: "Mut gegen Rechts" statt. Neben dem "Düsseldorfer Appell" und der jüdischen Gemeinde riefen auch einige DGB-Gewerkschaften, usw. usf. zu dieser Kundgebung auf. Schon im Vorfeld machten die OrganisatorInnen deutlich das es Ihnen im Gegensatz zu dem auf den Werbematerialien propagierten "Mut gegen Rechts" einzig und allein um den Standort Deutschland zu tun war. Wie sonnst ist zu erklären das der Düsseldorfer Appell ausgerechnet den Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) für diese Kundgebung als Redner gewinnen wollte? Wie dem auch sei. Die Reden von Marlies Smeets (SPD, Ex-Bürgermeisterin von Düsseldorf) und anderen machte sehr schnell deutlich das sich die "Avantgarde" des "Düsseldorfer staatlichen Antifaschismus der Mitte" nicht gegen die von ihnen selbst zu verantwortende menschenfeindliche Politik und Abschiebepraxis richten möchte, sondern "gegen den Radikalismus". Die nun geforderte Aufrüstung staatlicher Befügnisse im Bereich der Repressionsmassnahmen, wird all diejenigen treffen die in guter liberaler Tradition die BürgerInnenrechte geschützt wissen wollen und all diejenigen die in guter humanistischer Tradition Ausbeutung und Unterdrückung hier und anderswo bekämpfen. Aber wir wollen nicht einfach nur über die OrganisatorInnen dieser Veranstaltung "herziehen". Es gilt auch Kritik an den KonsumentInnen dieser Veranstaltung zu üben. Einzig der anwesende Antifa-KoK und die TERZ schafften es mittels einer neuerlichen Sonderausgabe zum Thema Rechtsextremismus und einem Transparent (Nazis morden, der Staat schiebt ab - das ist das gleiche Rassistenpack) die KonsumentInnenrolle zu verlassen und tatsächlich "Mut gegen Rechts" zu beweisen. Die anwesenden SyndikalistInnen & AnarchistInnen unterstützten frei nach Erich Mühsam's Gedicht "Streit und Kampf" die AntifaschistInnen natürlich nach Kräften.

Darum: Solang kein Feind euch droht,
verschont einander nicht mit Glossen.
Doch weckt euch einst der Ruf der Not,
dann weh das einige Banner schwarz und rot
voran den einigen Genossen!

Leider tauchten auf der ansonnsten bis zur Langeweile ruhigen Kundgebung eine ganze Reihe von FaschistInnen auf, und machten damit ihre Drohung, die Kundgebung zu stören war. Von den Anwesenden "Mutigen gegen Rechts" unerkannt mischten sie sich eben unter jene. Der Staatschutz, der immer ganz gut weiß was "die Linken" so treiben, war nach eigener Auskunft von der Anwesenheit der FaschistInnen überrascht. Was nicht ganz stimmt, denn die Veranstlter hatten Tags zuvor noch mit der Polizei über das befürchtete auftauchen der FaschistInnen gesprochen. Immerhin hatten diese {die FaschsitInnen} offen erklärt kommen zu wollen. Außerdem haben die anwesenden Staatschützer als auch Beamte anderer Einheiten erklärt das sie die Nazis durchaus als solche erkannt haben! Warum sie die Nazis dann doch auf den Kundgebungsplatz gelassen haben bleibt wohl das Geheimnis der Polizei und der Phantasie der geneigten LeserInnenschaft überlassen. Anwesend waren unter anderem Mitglieder der REPs und des "Jugendoppositionsstammtisches" wie zum Beispiel Torsten Lemmer und Jan Zobel. Die "freien Kameradschafter" Udo Birr, Jörg Wagner und Marco Schirmer. Außerdem wurde noch Elke Assman auf der Kundgebung gesichtet. Sie beobachteten unsere bürgerlichen HeldInnen "gegen Rechts". Aber beim Beobachten alleine sollte es nicht bleiben. Unter der Führung von Jörg Wagner, Udo Birr und Marco Schirmer (alle "Kameradschaft Düsseldorf) griffen einige Faschisten die TeilnehmerInnen der Kundgebung an. Jörg Wagner tat sich dabei besonders mit dem sprühen von Reizgas hervor. Mitlerweile ist Jörg Wagner auch wegen verstosses gegen das Versammlungsgesetzt zu einer Geldstrafe verurteilt. Warum die Staatsanwaltschaft nicht wegen gemeinschaftlicher und/oder gefährlicher Körperverletzung gegen ihn und die anderen ermittelt hat (und das obwohl es Zeugenaussagen durch Polizeibeamte gibt die gesehen haben wollen wie J. Wagner die Kundgebung mit Reizgas angegriffen hat) wird ebenso das Geheimnis der Staatsmacht und der Phantasie der LeserInnenschaft überlassen bleiben müssen.

TeilnehmerInnen der Kundgebung stoppten die Neonazis daraufhin und verhinderten so weitere Angriffe. Die erst jetzt eingreifende Polizei zeigte sich überrascht und völlig planlos: Sie behandelte die Situation wie eine gewöhnliche Altstadtschlägerei und sorgte durch ihr Eingreifen dafür, daß mehrere Neonazis, darunter auch der damalige Betreiber des "Nationalen Infotelefons", Marco Schirmer, entkommen konnten. Nur zwei der Täter (Wagner, Birr) wurden festgenommen. Udo Birr wurde sogar erst nach Hinweisen von Kundgebungsteilnehmern, die ihn aufgrund eines in der "Stattzeitung TERZ" veröffentlichten Fotos wiedererkannt hatten, in einer Altstadtkneipe gestellt. Insgesamt wurden an diesem Tag fünf Menschen kurzzeitig verhaftet, in gewahrsam genommen bzw. ihre Personalien festgestellt. Unter den fünf vorübergehend festgenommenen Personen befanden sich neben zwei TeilnehmerInnen der Kundgebung auch einer der Organisatoren. Alle drei erlitten bei den brutalen Festnahmen Verletzungen. Besonders perfide ist jedoch die Tatsache das die drei vorübergehend festgenommenen Personen zum Teil zusammen mit den Faschisten in einem Wagen gesperrt werden sollten. Dies konnte jedoch verhindert werden.

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Zum Prozess:
14.10.02

Die Angeklagten, ein Syndikalist, ein PDS-Stadtabgeordneter und ein ein weiterer Antifaschist, werden besschuldigt am 16.09.2000 im laufe der Kundgebung des Düsseldorfer Apell aus einer Gruppe heraus mehrfach auf Neo-Nazis eingeschlagen und getreten zu haben, Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet, Sachen beschädigt, und versucht zu haben Gefangene zu befreien. Im einzelnen richten sich die Vorwürfe der schweren Körperverletzung (KV) und des Widerstandes gegen den Syndikalisten, die Vorwürfe der Sachbeschädigung und versuchten Gefangenenbefreiung gegen den PDS-Abgeordneten und gegen den dritten dann noch einmal schwere Körperverletzung.
Als Zeugen waren insgesamt fünf Polizisten und drei Neo-Nazis geladen.

Von den fünf Polizisten waren vier auch tatsächlich da und haben sich zur Sache geäußert. Interessanter Weise konnte keiner der Beamten mit Sicherheit sagen wer denn jetzt wann, wen, wie attakiert haben soll. Ein Beamter hatte "noch deutlich das Bild" vor seinen Augen das der Syndikalist (er nannte ihn die ganze zeit den "Bärtigen") "irgendwie beteiligt" war. ein anderer wollte gesehen haben wie die zwei KV-Beschuldigten mehrfach geschlagen und getreten haben. Wen genau vermochte er aber nicht zu sagen. Ärgerlicherweise behaupteten zwei Beamte das "die Linken" angefanngen hätten und das diese dabei Reizgas eingesetzt haben. Außerdem behaupteten sie das sich die Neo-Nazis nur am Rande der Kundgebung aufgehalten hätten, ja nicht einmal auf dem Marktplatz (Platz vor dem Rathaus) waren. Sie behaupteten damit das genaue Gegenteil von dem was eine Journalisten der "Rheinischen Post" gesehen und in der RP geschildert hatte. Außerdem passen diese Aussagen auch nicht zu den Schilderungen eines berittenen Polizisten, welcher an diesem Tag noch nicht als Zeuge geladen war.

Umso mehr hat uns die Aussage des dritten Beamten gefallen. Dieser erklärte, trotz mehrfacher Nachfrage des Staatsanwaltes (der Ihm im übrigen die gewünschte Antwort förmlich auf dem silbernen Tablet servierte) das die Neo-Nazis "mitten in der Menge [] auf dem Platz" waren!

Auch die Nazis haben ausnahmsweise mal keinen Schaden angerichtet. Alle drei bestätigten das sie von den Angeklagten NICHT attakiert wurden. Der "Bärtige" wurde entweder gar nicht gesehen, oder es wurde ihm attestiert esrt "später dazu gekommen" zu sein. Sie seien auch nicht angegriffen, sondern höchsten "geschubst" worden. Einzige Aussnahme ist ihr Jörg Wagner, welcher direkt am Anfang getreten worden sein soll. Jedoch nicht von einem der Angeklagten. Diese seien zu dem Zeitpunkt gar nicht da gewesen. Udo Birr (freie Kameradschaft Düsseldorf, wie auch Marco Schirmer und Jörg Wagner) plauderte lustig vor sich hin und schilderte wie er den >Bärtigen< "zu Boden riss", befor dieser mehr machen konnte als "Nazis verpisst euch" zu rufen. Jörg Wagner gab nicht nur zu als erster mit CS-Gas gesprüht zu haben (natürlich nur in Selbstverteidigung), sondern auch der einzige gewesen zu sein der CS-Gas einsetzte. Damit widersprach er den aussagen der Polizeibeamten, welche behaupteten gesehen zu haben wie ein Neo-Nazi mit Gas angegriffen wurde und darauf hin ebenfalls Gas eingesetzt hat.

Spannend ist jetzt noch immer die Frage warum gegen Jörg Wagner nur ein Verfahren wegen verstosses gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet (und abgeschlossen) wurde und keines wegen schwerer Körperverletzung. Diese Frage ist besonders interessant da es die Aussage eines berittenen Polizisten gibt, welcher genau beschreibt wie J. Wagner einem Kundgebungsteilnehmer am "Hals vesthielt und aus ca: 30 cm mehrfach und direkt ins Gesicht sprühte".

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Zum Prozess:
14.10.02

Dieser Tag war die reinste Farce. Der Richter, bzw. sein Büro hat es versäumt die Zeugen der Verteidigung zu laden. Damit war klar das der Prozess an einem weitern Tag vortgesetzt werden müsste. Da der Richter aber in Urlaub gehen wollte war ebenso klar das es keine ordentliche Vortsetzung geben würde. Damit ist schon zum zweiten mal der Prozess geplatzt. Er wird nun im Frühjahr 2003 zum dritten mal von vorne Beginnen. Obwohl also klar war das es nicht wirklich weiter gehen würde, ließ der Richter weiter machen als ob nichts geschehen wäre. die Staatsanwaltschaft bot den Angeklagten an die KV-Sachen ein zu stellen und nur noch wegen Widerstand zu 50-60 tagessätzen verurteilen zu wollen. Ein Angeklakter nahm das Angebot an, gegen Zahlung von 200 Euro eine Einstellung zu bekommen. Die anderen beiden (der Syndikalist & der PDS Stadtratsabgeordnete) lehnten jedoch dankend ab. Die Aussagen des Staatsschutzes und der Verlobten von Jörg Wagner waren aus sicht der Angeklagten durchaus relativ positiv. Der Staatschutz konnte nicht sagen das die Angeklagten an den ihnen vorgeworfenen Taten beteiligt waren. Allerdings vermittelt der Staatsschützer Hüffken durchaus den Eindruck als wäre es total normal wenn organisierte Neonazis an Kundgebungen gegen Rechts teilnehmen.

Die Verlobte von Jörg Wagner bestätigte noch einmal die Aussagen der drei Neonazis. Danach war "der Bärtige" an keinen Handlungen beteiligt, ja nicht einmal anwesend. Sie bestätigte auch das die AntifaschistInnen nicht angegriffen haben. Nach ihrer Aussage kam es zu überhaupt keinen "übergriffen". Vielmehr beschränkten sich die Antifaschistinnen auf Rufe, "Nazis raus", und drängten die Nazis vom Platz. Zwei weitere Zeugen entlassteten den PDS-Abgeordneten. Sie befanden sich die ganze Zeit in seiner Nähe und haben nicht gesehen wie er den fraglichen Polizisten so stark an der Lederjacke gezogen hat das diese eingerissen sein soll.

Am Ende der Sitzung fragten wir uns warum der Richter uns nicht direkt freigesprochen hat. Stattdessen gibt es eine Neuafflage des Prozesses vermutlich im Februar. Diesmal mit noch mehr Zeugen.

Neben den fünf Polizisten und einem Staatsschützer, den insgesamt vier Neonazis und zwei weiteren Teilnehmern, sollen noch Polizisten der Reiterstaffel und auf besonderen Wunsch des Richters noch je eine Grüne Abgeordnete des Düsseldorfer Stadtrates und des nordrheinwestfälischen Landtages als Zeigen geladen werden. Insgesamt also mindestens 15 ZeugInnen.


6.) Die anarchistische Alternative
Selbstorganisation statt parlamentarische Fremdbestimmung

graswurzelrevolution # 271, Sept. 02

Die parlamentarische Demokratie mag die beste aller möglichen Regierungsformen sein - die anarchistische Parlamentarismuskritik richtet sich jedoch gegen die Zumutung, überhaupt regiert zu werden. Es geht dem Anarchismus nicht um eine alternative Regierung, sondern um Alternativen zur Regierung.

Ausgangspunkt anarchistischer Gesellschaftsutopien ist das menschliche Bedürfnis nach Freiheit. Es ist der individuelle Wille, nicht regiert werden zu wollen, auch nicht durch Mehrheiten, auch nicht durch gewählte VertreterInnen, sondern die eigenen Angelegenheiten gemeinsam und gleichberechtigt mit anderen selbst zu regeln. Voraussetzung ist die Vorstellung eines menschlichen Individuums, das aktiv und am Tagesgeschehen interessiert Gesellschaft selbst gestalten will und nicht durch ParteiführerInnen und Parlamente tagtäglich darin bestärkt wird, apathisch den Entscheidungen anderer zu folgen oder den vielen Gesetzgebungsprozessen in den Parlamenten passiv und ehrfürchtig zuzusehen. Die Parlamente spiegeln eine Komplexität und Fülle von notwendigen Entscheidungen nur vor, um den Individuen den Mut zu nehmen, die sie betreffenden Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen.

Doch es ist ja gar nicht so, dass so viele Entscheidungen wirklich überregional gefällt werden müssten, wie es die Parlamente vorgaukeln. Der Anarchismus stellt überhaupt erst die Frage, welche Dinge jedes Individuum für sich entscheidet und welche gemeinsam mit anderen entschieden werden müssen. Der Anarchismus stellt auch die Frage, mit wem entschieden wird: nur mit den NachbarInnen oder der Gemeinde oder einer größeren Region.

Dadurch werden sich die notwendigen gesamtgesellschaftlichen Entscheidungen auf weniger, aber substantielle, wirklich alle betreffende Fragen reduzieren. Das wiederum entzieht den BerufspolitikerInnen ihre Daseinslegitimation. Die ungeheure Menge parlamentarischer Gesetzgebungsverfahren mit Hunderten von Gesetzgebungsentwürfen und Gesetzen pro Legislaturperiode hat auch den Zweck, bei den BürgerInnen jegliches Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, sich selbst zu organisieren, zu zerstören.

In den siebziger und achtziger Jahren, als die Grünen noch nicht oder nur als chancenlose Radikalopposition in den Parlamenten vertreten waren, als parlamentarische Machtbeteiligung und Mitregierung noch jenseits aller parlamentarischen Möglichkeiten schien, gab es gleichzeitig vielfältige Formen der Selbstorganisation innerhalb sozialer Bewegungen: selbstverwaltete Betriebe, Projekte, Lebensmittelkooperativen, Kommunen, Genossenschaften, Kollektive, Frauenprojekte, selbst verwaltete Presse- und Informationsnetze (zig Alternativzeitungen, Informationsdienst-ID, taz als selbst verwaltete Tageszeitung in den Anfangsjahren), soziale Aktionsgruppen, vielerlei ehrenamtliches Engagement in ökologisch und sozial orientierten BürgerInneninitiativen. Dass diese Initiativen der Selbstorganisation heute zahlenmäßig rückläufig sind oder sich Chefstrukturen zugelegt haben und von bürgerlichen Kleingewerbetreibenden nicht mehr zu unterscheiden sind, hat durchaus ähnliche Ursachen wie der Parlamentarisierungsprozess der Grünen selber (Kapitulation vor dem neoliberalen Kapitalismus, individualisiertes Karrieredenken, angeblicher Realismus durch opportunistisches, angepasstes Verhalten usw.). Aber die sozialen Bewegungen der siebziger und achtziger Jahre haben gezeigt, dass vielfältige Formen der Selbstorganisation von einer zahlenmäßig relativ großen gesellschaftlichen Minderheit eine Zeit lang in die Praxis umgesetzt werden konnten.

Auch heute fällen wir im Alltag ständig Entscheidungen über Konsumgewohnheiten, ökologische oder synthetische Nahrung, fleischhaltiges oder veganes/vegetarisches Essen, über Investieren oder Sparen, über das Verhalten in Beziehungen, gegenüber NachbarInnen, zwischen Frauen und Männern, über einen den eigenen Fähigkeiten entsprechenden Berufswunsch, über die sozialen Auswirkungen unserer Arbeit und Arbeitsprodukte usw. Die Vielzahl der Entscheidungen, die wir je nach Notwendigkeit allein oder gemeinsam mit anderen treffen, fällt uns gar nicht mehr auf, weil wir sie gewohnt sind und für selbstverständlich halten.

Dass uns die Fähigkeit, diese Entscheidungen fällen zu können, Kraft und Selbstvertrauen zur Wiedereinforderung und Wiederaneignung fremdbestimmter, lange enteigneter Entscheidungskompetenzen geben könnte, kommt uns nicht in den Sinn. Zu oft akzeptieren wir die vorgegebenen Grenzen unserer Handlungsspielräume, anstatt sie selbstbewusst zu durchbrechen und Selbstbestimmungsfähigkeiten zu erweitern.

Das parlamentarische Organisationsprinzip stärkt diese Tendenz, eigene Verantwortung an Gewählte abzugeben, die dann auf angeblich "repräsentative" Weise die Interessen der WählerInnen zu vertreten vorgeben (StellvertreterInnenpolitik, "Repräsentation"). Doch verfassungsrechtlich sind die Gewählten nur ihrem eigenen Gewissen verantwortlich, was der Willkür ihrer Entscheidungen Tür und Tor öffnet.

AnarchistInnen wollen eine andere, wirklich freie Gesellschaft. Im Unterschied zur nationalistischen und neonazistischen Parlamentarismuskritik kritisiert der Anarchismus am Parlamentarismus nicht, dass zuviel, sondern dass zuwenig frei diskutiert wird, er kritisiert nicht dessen anscheinende Unfähigkeit, sondern seine tatsächliche Fähigkeit zur Entscheidung, nicht seine Ineffektivität, sondern seine Effektivität des Regierens. Die auf das Parlament und immer wieder neue Oppositionsparteien hoffenden BürgerInnen von heute verhalten sich in Wirklichkeit weitgehend entmündigt. Die sozialen Bewegungen der siebziger und achtziger Jahre haben gezeigt, dass sich nur im Widerstand, im Kampf gegen parlamentarische Entscheidungen Alternativen entwickeln: die örtlich Betroffenen wollten das letzte Wort darüber haben, ob ein industrielles Großprojekt bei ihnen gebaut wird; Partei- und Parlamentspraktiken wie Abstimmungen und Mehrheitsentscheid wurden durch das bei direkten Aktionen praktizierte Konsensprinzip erstmals in Frage gestellt. Nur über die direkte Aktion wird erlernt, die eigenen Belange selbst in die Hand zu nehmen, sie den repräsentativen InteressenvertreterInnen zu entreißen, die in Anspruch nehmen, anstelle der Individuen zu handeln und sie dadurch beherrschen. Direkte Aktion bedeutet permanente Rebellion der Individuen gegen alle Versuche der Entäußerung ihrer Selbstbestimmungsfähigkeiten. Nicht in der unpolitischen, fatalistischen Abkehr, sondern nur im Kampf gegen parlamentarische Herrschaft und ihre Entscheidungen entwickelt sich daher die anarchistische Alternative. Nur so können aktive, an den vielfältigen gesellschaftlichen Belangen interessierte Individuen entstehen.

Das massenhafte Erlernen von individuellen Selbstbestimmungsfähigkeiten durch direkte Aktion mündet unmittelbar in den revolutionären Prozess der Gesellschaftsveränderung. Direkte Aktion als individuelle und selbstbestimmte Handlung führt zu freiheitlichen Formen der Verbündung mit anderen und kollektiver direkter Aktion, wo gegen Herrschaft und staatliche Versuche, individuelle Freiheiten zu beschneiden, gemeinsam mit anderen vorgegangen werden muss, um zu Erfolgen und sozialen Veränderungen zu gelangen. Wenn sich direkte Aktionen ausschließlich gegen Herrschende richten und von ihren Durchsetzungsformen her gewaltlos bleiben, besteht die Chance, dass sich durch ihre massenhafte Anwendung die Freiheitsspielräume aller Individuen vergrößern, ohne neue Herrschaftsformen - vor allem militärischer Art - zu schaffen, die an die Stelle der alten treten. In einer freien Gesellschaft wird dagegen die direkte Aktion eher wieder zur Ausnahme, denn eine Gesellschaft weitgehend selbst organisierter, mündiger und selbstbestimmter Individuen wird es nicht mehr nötig haben, sich ständig gegen Herrschaft und Entmündigung zu verbünden.

Schwarze Katze Nachtrag: Mehr über anarchistische Parlamentarismuskritik gibts unter www.wahlkritik.de.vu


7.) Die Verpflichtung des 9./10. November 1938: Keinen neuen Antisemitismus zulassen!
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der AntifaschistInnen - www.vvn-bda.de

Wir ehemaligen Verfolgten des Naziregimes, Überlebende des faschistischen Terrors und junge Antifaschistinnen und Antifaschisten warnen vor einem neuen Antisemitismus in unserem Land. Wir haben in diesem Jahr erleben müssen, dass zahlreiche Gedenkstätten und jüdische Friedhöfe geschändet wurden und wie mit antisemitischen Vorurteilen versucht wurde im Bundestagswahlkampf Stimmung zu machen. Im Wissen um die Ereignisse der Reichspogromnacht am 9./10.November 1938 und die Folgen des mörderischen Judenhasses in unserem Land weisen wir jede Form des Antisemitismus und Rassismus zurück.

Vor wenigen Monaten dokumentierte eine Studie der Universität Leipzig die Aktualität antisemitischer Vorbehalte in unserer Gesellschaft: Mehr als ein Drittel der westdeutschen und ein Viertel der ostdeutschen Bevölkerung stimmen der Behauptung "Die Juden haben zuviel Einfluss" zu. Für diese Zunahme des Antisemitismus in unserem Land sind nicht ursächlich die politischen Entwicklungen im Nahen Osten. Vielmehr erleben wir, dass die Kritik an der verhängnisvollen Politik der gegenwärtigen israelischen Regierung mit einer pauschalen Diffamierung des Staates Israel oder Menschen jüdischen Glaubens in unserem Land verbunden wird. Historisch verzerrte Vergleiche mit dem faschistischen "Vernichtungskrieg", die Identifizierung von Flüchtlingslager mit KZs und anderes findet man nicht nur in der neofaschistischen Polemik.

Ein schlimmes Beispiel bot FDP-Politiker Möllemann, der sich als "Tabu-Brecher" betätigte, indem er aus erkennbar wahltaktischen Gründen antisemitische Ressentiments nicht nur bediente, sondern durch seine Art der öffentlichen Präsentation forcierte. Kritische und besorgte Anfragen zu seiner Polemik mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrates der Juden, Michel Friedmann, beantwortete er noch in den letzten Tagen vor der Bundestagswahl mit einer erneuten Polemik, die antisemitische Vorbehalte bediente. Doch es geht nicht nur um Möllemann. Endlich dürfe man sagen, was man schon immer dächte, war eine der häufigsten Reaktionen auf dessen Vorstoß. Hierin drückte sich ein offenkundig weitverbreitetes gesellschaftliches Bewusstsein aus. Behauptungen wie die, die Juden selber seien für die Zunahme des Antisemitismus verantwortlich, liegen dabei auf einer ähnlichen Linie wie Nazi-Parolen von der zionistischen Weltverschwörung. Dabei werden die Opfer zu Tätern gemacht und eine nicht greifbare "allgegenwärtige Bedrohung" herbei phantasiert. Damit werden antisemitische Vorbehalte aktiviert, die in letzter Konsequenz zu Übergriffen, Brandstiftungen und Friedhofschändungen führen, wie sie in den vergangenen Monaten erneut registriert werden mussten.

Die Erinnerung an die historischen Verbrechen vom November 1938,
  • als Synagogen und andere jüdische Einrichtungen in Brand gesteckt und zerstört wurden,
  • als Tausende Menschen in die Konzentrationslager Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen verschleppt wurden,
  • als der staatlich organisierte Raub jüdischen Eigentums durch Arisierungen stattfand,
  • als die Entrechtung aller jüdischen Bürger durch Sondergesetze und Gettoisierung vor den Augen der Bevölkerung durchgesetzt wurde,

    darf daher nicht bei einem folgenlosen Gedenken stehen bleiben, sondern muss politische Orientierung und Handeln für heute beinhalten.

    Wir fordern daher:

  • Macht Schluss mit dem Zündeln mit antisemitischen Thesen!
  • Weder neofaschistischen noch "Nadelstreifen" - Antisemitismus tolerieren!
  • Antisemitismus und Rassismus gehören geächtet!
  • Wir fordern alle gesellschaftlichen Kräfte auf, an diesem 9. November mit uns gemeinsam ein klares Signal gegen jeden Antisemitismus zu setzen.


    8.) Proteste gegen EU-Bonzentreffen in Kopenhagen
    Anarchistische Föderation Dänemark

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