Offener Brief zur 9. Regionalkonferenz „Aktiv gegen Rechts“

Hallo liebe Freund_Innen, hallo liebe Genoss_Innen,

hiermit ziehen wir uns aus der Liste der Unterstützer_Innen der diesjährigen Regionalkonferenz “Aktiv gegen Rechts” zurück.

Der Grund hierfür ist die Teilnahme des Verbandes DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) als unterstützende Gruppe.
Wir können es mit unserem Selbstverständnis als Antifaschist_Innen nicht vereinbaren, gemeinsam mit einer Organisation, die direkt dem türkischen Staat unterstellt ist und somit in direkter Verbindung zur AKP und ihrer zunehmend totalitären und faschistoiden Politik steht, eine Konferenz gegen Rechtsextremismus und Faschismus zu unterstützen.

Der türkische Staat bekämpft zur Zeit alle Menschen, die nicht gänzlich auf Staatslinie sind. Dies findet sowohl im Großen als auch im Kleinen statt.
Im Großen sehen wir, wie der Staat seit mehr als zwei Jahren im Osten der Türkei einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung führt, bei dem mitunter ganze Städte mittels Artillerie zerstört, Lehrer_innen, Richter_innen und Staatsanwält_innen entlassen und Journalist_innen und Menschrechtsaktivist_innen in Haft genommen werden. Prominentestes Beispiel ist Deniz Yücel. Der Welt-Journalist wurde vor über einem Jahr in Haft genommen, da er lediglich seiner Arbeit nachging und über Ereignisse in der Türkei berichtete. Ähnlich erging es zahlreichen Amnesty International Menschenrechtsaktivst_innen.

DITIB als Dachverband für religiöse, kulturelle und soziale Tätigkeiten von türkisch-islamischen Moscheegemeinden in Deutschland untersteht der direkten Kontrolle des staatlichen Präsidiums für religiöse Angelegenheiten der Türkei. Wir wollen an dieser Stelle nicht unterstellen, dass alle Mitglieder von DITIB “Getreue” des AKP-Regimes sind. Nichtsdestotrotz lässt der direkte Bezug zur türkischen Regierung für uns keine andere Handlungsoption zu als der Konferenz unsere Unterstützung zu entziehen.

Eine Diskussion in diesem Kontext fänden wir für zukünftige Konferenzen wünschenswert. Unser später Rückzug begründet sich dadurch, dass wir erst mit Erscheinen der Flyer Kenntnis von der Teilnahme DITIBs erlangten und zunächst noch auf eine Ausladung der Organisation drängten.

Mit solidarischen Grüßen

Diskursiv Aachen, 12.10.17

Jugendantifa Kreuzberg kritisiert Lutherwahn

Scheiss Lutherwahn!
Jugendantifa Kreuzberg, Mai 2017

Dieses Jahr wird mit einem Staatsakt in Berlin und Wittenberg, im Rahmen von Kirchentagen und Reformationstag, 500 Jahre Reformation gefeiert. Wer ist dieser Mann dessen Werk, von Joachim Gauck über Bodo Ramelow bis zu Barack Obama und einigen Rechtsradikalen dieses Jahr gefeiert wird? Sie nennen ihn „Wurzel der Aufklärung“, aber er bezeichnete die Vernunft als „Teufelshure“. Sie nennen ihn „Vertreter der Freiheit“, aber er war getrieben vom Hass gegen alles Andersartige.
Liberale und Nationalsozialisten feiern beziehungsweise feierten Luther als „großen Deutschen“. Wer Luther feiert, feiert keinen Fortschritt, sondern feiert Menschenverachtung und Unrecht. Trotzdem versuchen auch Linke (RLS/Linkspartei) dieses Jahr Luther für antikapitalistische Positionen zu instrumentalisieren. Wir wollen grob skizzieren warum für uns die Person Martin Luther und ein emanzipativer Antikapitalismus sich gegenseitig ausschließen.

L u t h e r s F u n d a m e n t a l i s m u s

Was Luther predigte war purer Fundamentalismus. Er wollte ein texttreues Christentum, das sich einzig und allein von der Bibel leiten lässt. Seine Ablehnung des Katholizismus basierte nicht auf emanzipativen Ansichten, sondern auf dem Vorwurf der Bibeluntreue. Wer Luther als kritischen Theologen wahrnimmt, hat Luther nicht verstanden, er wollte zurück zu einfachen und primitiven Erklärungen.

L u t h e r s A n t i s e m i t i s m u s

1543 fordert Luther in seiner Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“… „daß man ihre Synagogen oder Schulen mit Feuer anstecke […] daß man ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre, (denn sie treiben ebendasselbe darin, das sie in ihren Schulen treiben) […] ihnen alle Barschaft und Kleinod an Silber und Gold nehme und zur Verwahrung beiseitelegen […] daß man den jungen starken Juden und Jüdinnen in die Hand gebe Flegel, Axt, Karst, Spaten, Rocken, Spindel und lasse sie ihr Brot verdienen im Schweiß der Nase. […] auf daß sie wissen, sie seien nicht Herren in unserm Lande, wie sie rühmen, sondern in der Verbannung und gefangen“
Diese wahnsinnigen antisemitischen Forderungen setzten 400 Jahre die Deutschen mit eindeutiger Unterstützung der evangelischen Kirche „allerdings gründlicher“ (Hitler) in die Tat um. Luther wurde nicht ohne Grund von den Nationalsozialisten als Vordenker der Judenvernichtung rezipiert. Der Antijudaismus war zwar zu Zeiten Luthers allgegenwärtig, jedoch waren solch grausamen Phantasien und Hasstiraden eher die Ausnahme.

L u t h e r s S e x i s m u s

Luther war der Meinung „daß das Weib geschaffen ist zur Haushaltung“ und „die größte Ehre, die das Weib hat, ist […] dass die Männer durch sie geboren werden.“ Folgendes gab er auch von sich: „Der Tod im Kindbett ist nichts weiter als ein Sterben im edlen Werk und Gehorsam Gottes. Ob die Frauen sich aber auch müde und zuletzt tot tragen, das schadet nichts. Lass sie nur tot tragen, sie sind darum da.“
Luther war ein patriarchaler misogyner Mann, er sah Frauen als nieder Geschöpfe oder gar als teuflisch an, ein Weltbild was in der Kirche bis heute nachwirkt.

A n t i r e v o l u t i o n ä r.
A u t o r i t ä r e r.
A r b e i t s f e t i s c h i s t.

Aufgrund von sozialen und wirtschaftlichen Missständen kam es in den Jahren 1523 bis 1526 es im deutschsprachigen Raum zu einem Bauernaufstand. Besonderen Einfluss auf diesen hatte der Theoretiker (und ehemalige Luther-Schüler) Thomas Müntzer. Dieser wollte eine Gesellschaft in der Arbeit und Güter gerecht verteilt sind und die ohne Obrigkeiten auskommt. Der Leitspruch lautete: „Omina sunt communia“ („Alles gehört allen“). Für Luther war Münzer eine „Kreatur des Teufels“ und empfahl den Fürsten in seinem Pamphlet Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern, man solle die Bauern „zerschmeißen, würgen und stechen, heimlich und öffentlich, wie man einen tollen Hund totschlagen muss.“

Das nahmen die Fürsten sich natürlich gern zu Herzen und brachten im Zuge der Auseinandersetzung über 100.000 Bauern um und richteten Münzer, sehr zur Freude Luthers, hin. Den Forderungen der Bauern wurde nie ein Stück weit entgegengekommen.

Was Luther wollte war nie die „Freiheit“. Er wollte die Unterwerfung der Menschen unter Autoritäten und ein Fortbestehen einer gewalttätigen und ungerechten Gesellschaftsordnung. Es ist zynisch Luther als „Vordenker der Aufklärung“ zu bezeichnen, der die Welt „revolutioniert“ habe. Luther wollte nie einen Fortschritt / eine Emanzipation der Gesellschaft, geschweige denn ein gutes Leben für alle. Er war „Reformator“ kein Revolutionär.

Mit Luther wandelte sich auch eindeutig das Bild der Arbeit. Vor der Reformation wurde Arbeit als etwas notwendiges, aber negatives betrachtet. Es wurde lediglich so viel gearbeitet, wie man zum Leben brauchte und Freizeit hatte keinen geringen Stellenwert. Luther sagte jedoch, dass „heilige Tage nicht heilig, Werkeltage aber heilig sind.“ Die Reformation ist auch die Geburtsstunde des modernen Arbeitsfetisch.
Arbeit wurde zentraler Punkt menschlichen Daseins und wer keine hatte war immer stärker von Ausgrenzung und Verfolgung betroffen. Protestantische Staaten konnte fortan Luthers Sozialdarwinismus institutionalisieren und erließen eine Reihe an Gesetzten die Obdachlosen und Bettler aus den Städten verbannten und mancherorts sogar in Arbeitslager interniert wurden. Feiertage wurden stark reduziert, denn Luther sah an ihnen „Missbrauch mit Saufen, Spielen, Müßiggang und allerlei Sünde im Gange“.

Es geht uns nicht darum das Feudalsystem zu romantisieren, geschweige denn als bessere Gesellschaftsordnung zu beschreiben, sondern vielmehr darum kritikwürdige gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen die auf die Reformation zurückführen so zu benennen und Protestantismus nicht zu entpolitisieren.
Mit der Reformation wurde Arbeit gottgewollter Lebens- und Selbstzweck und damit Ausbeutung als Notwendigkeit konstatiert. Die Verknüpfung von Glaube und Arbeit ist enorm wirkmächtig und von besonderer Bedeutung für die Entstehung des Kapitalismus. Es ist kein Zufall, dass der Siegeszug des Kapitalismus von protestantischen Ländern ausging. In der westlichen Welt ist die Religion zwar auf dem Rückzug, was aber bleibt ist der sinnstiftende Charakter der Arbeit. Es ist nicht untertrieben von einem weitgehenden Glauben an kapitalistische Ideologie zu sprechen.