Die Straßen gehören uns! Und der Sperrmüll bleibt frei!

Aufruf für das Sperrmüllfest am 27.11.13 in Wuppertal:

Die Straßen gehören uns! Und der Sperrmüll bleibt frei!

Am 28’ten November ist auf dem Wuppertaler Ölberg wieder einmal Sperrmüll. In nahezu jeder Straße des Gebietes stellen Anwohner*innen am Vorabend Schränke, Tische, Tonträger, Kleidung und sonstige Dinge, die sie nicht mehr brauchen auf die Straße. Vieles davon befindet sich noch in einem sehr guten und brauchbarem Zustand. Infolgedessen werden auch am 27’ten November wieder viele Menschen durch das Viertel spazieren und fahren; sei es um die neue WG-Küche zu bereichern, die Sammlung an alten VHS-Kassetten auszubauen, den Lebensunterhalt mit dem Verkauf des bis dahin nicht mehr gebrauchten Gutes zu bestreiten oder um einfach nur mal so aus Spaß nach ein, zwei kleinen Souvenirs Ausschau zu halten.

Das hört sich soweit nach einem spannenden und lebhaften Treiben an, bei dem niemand etwas verliert und es nur Gewinner*innen gibt. Es könnte so schön sein… wäre da nicht die Stadt Wuppertal. Die ist der Ansicht, dass allein sie einen Anspruch auf die vielen verschiedenen Gegenstände hat. Und um diesen Anspruch durchzusetzen ziehen jedes Mal zur Sperrmüll-Hochsaison bezahlte Söldner*innen des Ordnungsamtes durch die Straßen und verteilen willkürlich Bußgelder an Menschen, nur weil diese ihren Bedarf nach einem Regal oder einem hübschen Bild kostenfrei zu decken versuchen.

Verstehen muss das niemand, aber das ist die Logik der Stadt Wuppertal. Hier werden Menschen, die niemandem schaden und sich lediglich ein, von Anderen nicht mehr benötigtes, Möbelstück mit nach Hause nehmen wollen mit staatlicher Repression in Form von Bußgeldern drangsaliert. Gleichzeitig will die Stadt voller Elan vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf für die Ansiedlung eines Ikea Marktes streiten und scheut dafür weder Kosten noch Mühen. Während die Stadt weiter fleißig in das „Millionengrab“ in Form des Umbaus des Döppersberg investieren will, werden Menschen die einen kostenfreien Stuhl über den Ölberg tragen im Auftrag der Stadt von uniformierten Ordnungswächter*innen schikaniert.

In Zeiten, in denen sich der Reichtum der westlichen Gesellschaften weiterhin ungleichmäßig verteilt, in denen Tausende kein Dach über dem Kopf haben, in denen Hunderttausenden von Stromsperren betroffen sind und Millionen auf Hartz IV – inklusive der damit verbundenen Repressalien – angewiesen sind, in diesen Zeiten soll uns der freie Zugang zu unserem eigenen Sperrmüll verwehrt werden? Ja klar, in ein auf Profit ausgelegtes System passt das Konzept der kostenfreien Weitergabe von Möbeln und anderen Alltagsgegenständen nicht herein. Wir sollen uns die Sachen alle neu kaufen, damit in unserer Wegwerfgesellschaft alles seinen gewohnten Gang gehen kann. Menschen die sich das nicht leisten können, haben innerhalb des Systems keinen wirtschaftlichen Wert, weshalb versucht wird ihnen die Daseinsberechtigung abzusprechen. Es ist heuchlerisch, auf der einen Seite vorzugeben, dass der Umweltschutz ausgebaut werden muss, dass etwas geschehen muss gegen die Überproduktion der westlichen Welt, aber dann gleichzeitig gegen Menschen vorzugehen, die Dinge nutzen wollen, die ansonsten, trotz Funktionstüchtigkeit auf dem Müll landen würden.

Anstatt sich über wirtschaftlich sinnvolle Alternativen Gedanken zu machen wird von Seiten der Politik und der Presse weiter gegen Sperrmüllsammler*innen gehetzt, insbesondere gegen Menschen die ihre Herkunft in Osteuropa zu verzeichnen haben. Oftmals Menschen, die den Lebensunterhalt für ihre Familien mit „Müll“ bestreiten, den andere Menschen nicht mehr haben wollen. Dabei wird auf übelste Weise in rassistischer Manier gegen dieses Menschen gehetzt, die angeblich unsere Straßen verunreinigen und mit ihren Dieselfahrzeugen die saubere Luft verschmutzen würden. Als Antwort können wir hier nur eins sagen: Lasst die Leute in Ruhe! Das Einzige was am 27’ten November auf dem Ölberg stinken und die Straßen verschandelt wird sind das scheiß Ordnungsamt und die anderen Handlanger der Stadt Wuppertal, mit ihrer Willkür, ihrem Überwachungswahn und ihrem Kontrollzwang.
Es muss klar sein, dass die Straßen uns gehören! Es sind unsere Straßen, unsere Viertel, unsere Stadt und verdammt nochmal ist es unser Sperrmüll.

Aus Sicht der Stadt sind ein Großteil der Menschen, die hier wohnen wertlos. Sie verfügen nicht über die nötigen finanziellen Möglichkeiten um, sich Gehör zu verschaffen und lassen sich nicht ins künstlich polierte Stadtbild einfügen, denn sozial war dieser Staat noch nie. Anstatt für eine gerechtere Verteilung der westlichen Reichtümer zu sorgen, anstatt Menschen in ärmeren Wohngebieten zu helfen und eine soziale Infrastruktur zu schaffen wird sich lieber um die Bekämpfung zukünftiger Aufstände Gedanken gemacht. Dafür werden seit April 2013 spezielle Einheiten der Bundeswehr ausgebildet, schon mit dem Vorsatz diese innerhalb des Landes gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen. Doch diese Bevölkerung sind wir, die wir wenig Geld haben, die wir unzufrieden sind, die wir potentiell einen Aufstand gegen die herrschenden menschenverachtenden Verhältnisse wagen könnten. Der Staat bereitet sich auf eine zukünftige Auseinandersetzung mit seiner Bevölkerung vor, weil er weiß, dass er den Menschen nicht helfen wird. Er ist lediglich darauf bedacht seine Macht zu sichern und weiterhin wirtschaftlich zu „den Großen“ zu gehören.

Soziale Auseinandersetzungen sind in einem kleinen Ausmaß heute schon vorhanden. In allen größeren Städten, in denen sich Menschen gegen Ungerechtigkeit zusammenschließen gibt es sie: In Berlin wehren sich Menschen zusammen gegen Zwangsräumungen, in Köln schließen sich Erwerbslose für ihre Rechte zusammen und in Hamburg wehren sich viele Menschen zusammen mit Betroffenen gegen deren drohende brutale Abschiebung aus Deutschland in ein noch menschenunwürdigeres Leben, in den drohenden Tod.
In etlichen Städten gibt es Bewegungen gegen Stadtteilaufwertungen und der damit einhergehenden Verdrängung von ärmeren Menschen. Menschen die sich wehren, gegen Immobilienspekulationen und durchgeplante Stadtgebiete, in denen nur noch Menschen, die es sich wirtschaftlich leisten können was zu sagen haben. Die Menschen wehren sich auch gegen die damit verbundene Bedrohung von autonomen Kulturzentren, wie beispielsweise die „Rote Flora“ in Hamburg, welche durch einen Bebauungsplan gefährdet ist. Ein Thema das auch das Autonome Zentrum in Wuppertal in den kommenden Jahren betreffen könnte, wenn sich die Stadt dazu entschließt, dass unkommerzielle Kultur und selbstverwaltete Initiativen endgültig keinen Platz mehr in dieser Stadt haben sollen.

Es ist einiges los in unseren Städten. Es muss aber noch mehr los sein, auch in Wuppertal und auch auf dem Ölberg. Denn auf diese marktwirtschaftliche und menschenverachtende Realität haben wir keinen Bock mehr. Und die Zustände an den Tagen an denen Sperrmüll auf dem Ölberg ist, diese Tage sind nur ein ganz kleiner Teil des Übels, aber sie sind ein scheiß Teil des Ganzen! Darum lasst uns am 27’ten November ein Fest feiern gegen die bestehenden Verhältnisse. Lasst uns zusammen dem Ordnungsamt begegnen, wir sind kreativ, beweglich und wir haben an diesem Tag sehr viel Sperrmüll. Lasst uns hier auf dem Berg einen Anfang machen für zukünftige soziale Auseinandersetzungen, denn wenn sie von Frieden und Ordnung sprechen, dann meinen sie damit den Krieg gegen uns. Kommt am 27’ten November ab 18:00 Uhr auf den Otto-Böhne Platz.

Am 27’ten November sagen wir:
Ordnungsamt und Bullen verpisst euch!
Der Sperrmüll bleibt frei!
Und der Ölberg stellt sich quer!
Und sind dabei solidarisch mit anderen Kämpfen ob Köln, Berlin, Hamburg oder anderswo.

Anares Nord zum Ende der Amazon Preisparität

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Freundinnen und Freunde des unabhängigen Lesens,

diese Mail kommt außerhalb unseres regulären Newsletters. Wir nehmen
damit Stellung zu einer Entscheidung des Bundeskartellamtes, die
keineswegs nur für jene bedeutend ist, die einen Shop bei Amazon betreiben.

Nachdem das Bundeskartellamt zu Beginn dieses Jahres ein
kartellrechtliches Verfahren gegen Amazon eingeleitet hatte, in dem die
Rechtmäßigkeit der sog. Preisparitätsklausel in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen (AGB) von Amazon geprüft werden sollte, hat Amazon
die AGB nun geändert. Händler, die den Marktplatz nutzen, sind jetzt
also nicht mehr gezwungen, ihre Waren bei Amazon günstiger als etwa im
eigenen Onlineshop anzubieten. Und da die Steuern & Subventionen
multinationaler Firmen und – soweit es der Markt zulässt – auch die
hohen Amazon-Provisionen auf die KundInnen umgewälzt werden (da die
Preise dann den Amazon-Provisionen angepasst werden), profitieren im
Grunde alle von einer Entscheidung, die eine problematische
Marktdominanz wenigstens etwas einzudämmen versucht.

Ob der Ärger für Amazon damit schon ausgestanden ist, bleibt jedoch
offen. „Das Bundeskartellamt bewertet derzeit, ob die Maßnahmen nach
Form, Inhalt und Umfang ausreichen, das Verfahren gegen Amazon insoweit
zu erledigen“, so Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts,
gegenüber boersenblatt.net. „Hierfür ist unter anderem erforderlich,
dass das Unternehmen von der Preisparität endgültig Abstand nimmt und
auch nach den Umständen keine Wiederholungsgefahr mehr besteht. All dies
ist derzeit noch Gegenstand unserer Prüfung“. Nach dem bisherigen
Herumlavieren von Amazon ist diese Vorsicht begründet – tat Amazon in
den letzten Tagen doch alles, um sich nach Möglichkeit noch Hintertüren
offenzuhalten.

Anares meint: Ein überfälliger Schritt in die richtige Richtung –
Monopole, die die Preise letztlich über ihre Marktstellung/ -macht
diktieren kann niemand wollen (einschliesslich der Nebenfolgen, die
derlei nach sich zieht hinsichtlich, Stichworte wären z.B. die
Arbeitsbedingungen, Steuerflucht internationaler Konzerne, Verdrängung
kleinerer Anbieter und damit Verödung/ Vereinheitlichung des Angebotes
etc.). Wir sitzen hier nicht der neoliberalen Mär „freier Märkte“ auf,
finden jedoch das Agieren und die Einflussnahme von Amazon gerade
hinsichtlich der Entwicklung der Buchbranche sehr bedenklich. Die
eindeutige Position des Bundeskartellamtes auch bezüglich einer
möglichen Wiederholungsgefahr ist daher absolut zu begrüßen.

Für viele kleinere Läden & Projekte ist dieser Schritt sicher nicht
ausreichend, und er kommt zu spät: sie haben aufgrund der Dominanz von
immer weniger immer grösseren Anbietern bereits aufgegeben. Auch Anares
stellt bekanntlich den Vertrieb zum 31.12.2013 ein (hierfür gibt es ein
Bündel von Ursachen, Amazon ist hier nur ein Aspekt – mehr dazu
demnächst in einem gesonderten Newsletter). Fazit: wer persönliche
Beratung, Engagement für eine vielfältige Buchkultur, Interventionen in
gesellschaftliche Auseinandersetzungen etc. schätzt, sollte zu den
unabhängigen Buchläden, Verlagen & Vertrieben gehen (physisch oder via
Internet) – solange es diese noch gibt!

Beste Grüße vom Anares Buch- und Medienversand
Quelle: Anares Newsletter, 30.08.13, www.anares-buecher.de
Anares – Der Internetversand für gesellschaftskritische Medien